Die Linken-Politikerin diskutiert bei Sandra Maischberger mit einem Digitalexperten über Sinn und Unsinn der Corona-App. Am Ende gehen beide als Verlierer vom Platz.

Eine Kritik
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Deutschland hat wieder einmal turbulente Tage hinter sich: mit Anti-Corona-Demos in Berlin, Rechtsextremen auf den Treppen des Reichstags und dem Fall des vergifteten russischen Oppositionellen Nawalny. Entsprechend breit ist die Themenpalette, die Sandra Maischberger mit ihren Gästen am Mittwochabend abdeckt.

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Wer sind die Gäste bei Sandra Maischberger?

Christine Lambrecht: Die Bundesjustizministerin dankt den Polizistinnen und Polizisten, die am Wochenende das Reichstagsgebäude vor rechtsextremen Teilnehmern der Anti-Corona-Demos geschützt haben. Dass ihr SPD-Parteifreund und Berliner Innensenator wegen der Vorfälle zurücktritt, fände sie falsch. "Vielleicht ist es besser, daraus Lehren zu ziehen und für die nächste Demonstration die richtigen Vorkehrungen zu treffen."

Sahra Wagenknecht: Die Bundestagsabgeordnete der Linken kritisiert in der Sendung unter anderem die Mehrwertsteuersenkung, die am 1. Juli in Kraft getreten ist. "Die ist komplett verpufft und überwiegend noch nicht einmal an die Konsumenten weitergegeben worden. Das ist Verschleuderung von Steuergeld."

Frank Thelen: Der Start-Up-Investor outet sich als Fan von Amazon-Gründer Jeff Bezos – aber vor allem von Tesla-Chef Elon Musk. "Der wird immer als schlimmer Kerl dargestellt. Dabei will der einfach nur den Planeten retten", ist Thelen überzeugt.

Claudia Kade: Die Leiterin des Innenpolitikressorts der Tageszeitung "Die Welt" findet, dass Russlands Präsident Wladimir Putin dringend ein "Stopp-Schild" braucht, nachdem auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny ein Giftanschlag verübt wurde. Darauf müsse die Bundeskanzlerin gemeinsam mit der EU antworten: "Sie muss das jetzt organisieren."

Georg Restle: Der Moderator des ARD-Magazins "Monitor" kritisiert: US-Präsident Donald Trump habe "kein demokratisches, sondern ein autokratisches Politik- und Führungsverständnis". Das habe auch Auswirkungen auf andere Länder, in denen sich Politiker ein Beispiel an ihm nehmen könnten. "Er ist nicht nur eine Gefahr für die USA, sondern für die Welt insgesamt."

Joachim Llambi: Der Turniertänzer ist bekannt als Juror aus der Fernsehsendung "Let's Dance". Bei Sandra Maischberger darf der frühere Börsenmakler aber das politische und wirtschaftliche Geschehen kommentieren. Für die deutsche Wirtschaft sieht er mit dem Blick auf den Dax gute Aussichten nach dem Corona-Schock: "Wir sind nur noch dreieinhalb Prozent vom Höchststand vor Corona entfernt."

Was ist das Rededuell des Abends?

Sahra Wagenknecht als schillernde Ikone der Linken gegen einen Start-Up-Investor: Das Streitgespräch der Politikerin mit Frank Thelen verspricht spannend zu werden. Anlass war ein Interview von Wagenknecht, in dem sie gesagt hatte, dass sie die Corona-Warn-App nicht nutzt – weil sie Angst um ihre Daten habe. Thelen hatte das als "360 Grad Blödsinn" bezeichnet.

Die Linken-Abgeordnete wiederholt im Studio ihre Kritik: Für die Nutzung der App müsse Bluetooth ständig eingeschaltet sein – und das sei "bekanntermaßen ein Einfallstor für Hacker", so Wagenknecht. Zudem gebe es ständig Probleme bei der App. "Das ist für mich alles so inkonsistent."

Frank Thelen dagegen lobt, dass es sich um ein Open-Source-Projekt handle: Jeder könne nachschauen, wie das Programm gebaut ist. Die persönlichen Daten eines Nutzers würden zudem an niemand anderen gehen. "Die App hilft so sehr und so viel und birgt überhaupt keine Probleme."

Am Ende lässt sich feststellen: So richtig überzeugend ist niemand, beide gehen als Verlierer vom Platz. Sahra Wagenknecht muss einräumen, dass das wahre Datenschutzproblem die Programme von Apple oder Google sind. Die haben mit der Corona-Warn-App aber nur wenig zu tun. Die App habe sie auch nie als "Datenkrake" bezeichnet, behauptet sie dann.

Und Frank Thelen? Der war selbst an Corona erkrankt. Aber sein Labor war nicht an die von ihm so gelobte Corona-Warn-App angeschlossen, er konnte seine eigene Infektion daher nur über einen Umweg melden. "Ich würde an der Stelle sagen, dass ich enttäuscht bin."

Was ist der Moment des Abends?

Einen wirklichen Höhepunkt hat die Sendung nicht. Am interessantesten wird es, als die drei Moderatoren und Journalisten über die aus dem Ruder gelaufenen Anti-Corona-Demonstrationen vom Wochenende sprechen.

Der ARD-Journalist Georg Restle ist dort auf Plakaten auch persönlich angegangen worden. Deshalb spricht es durchaus für Größe, dass er die Demonstranten nicht pauschal verurteilt: Deren Kritik an den Corona-Maßnahmen sei zum Teil nachvollziehbar. "Die Frage der Verhältnismäßigkeit bei den Eingriffen stellt sich natürlich." Gleichwohl kritisiert Restle auch: "Bestimmte Teil der Organisatoren haben die Tore weit aufgemacht für Rechtsextreme."

Eine wichtige Botschaft bringt Welt-Journalistin Claudia Kade auf den Punkt. Sie wird von Sandra Maischberger gefragt, ob man am Samstag einen "Sturm auf den Reichstag" durch Rechtsextreme erlebt habe.

Das war es keinesfalls, sagt Kade: Der Reichstag sei als offener Ort bewusst nicht besonders streng geschützt. "Man sollte schon deswegen nicht von Sturm sprechen, weil die Täter selber das gerne so hochjazzen – und das war es einfach nicht. Wir standen nicht kurz vor dem Punkt, dass das Parlament entrechtet worden wäre."

Was ist das Ergebnis?

Trotz der vielen Krisen und Probleme, die angesprochen werden, plätschert die Sendung eher dahin. Das Gespräch mit Bundesjustizministerin fördert keine neuen Erkenntnisse zu Tage: Christine Lambrecht wirbt für Verständnis für die Corona-Maßnahmen im Frühjahr und sie pocht in der Sache Alexej Nawalny auf Aufklärung durch den russischen Staat. Das hat man so oder so ähnlich schon von anderen Politikern gehört.

Häufig sorgt die Themenmischung bei Sandra Maischberger für abwechslungsreiche Sendungen. An diesem Abend treibt sie es etwas zu weit. Selbst im Streitgespräch zwischen Sahra Wagenknecht und Frank Thelen schlägt die Moderatorin den Bogen über die Corona-Warn-App und eine Impfstoff-Entwicklung über die Entstehung des Silicon Valley bis zur Mehrwertsteuer-Erhöhung.

Immerhin können die Zuschauer nach so viel Input endlich erschöpft ins Bett fallen.

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