Noch ein Groko-Talk? Aber ja! Emotionen liefert das Lieblingsthema der Polit-Sendungen auch an diesem Abend bei "Maischberger" – dank eines Journalisten nah am Tourette-Ausbruch und einer engagierten Krankheitsvertretung für Kevin Kühnert.
Kevin Kühnert hat es nicht zu "
"Einfach genießen", kommentierte Kühnert die Blamage für "Bild" auf Twitter, dann ging aber wohl nicht mehr viel. Die Grippe, hieß es, für das Gesicht der No-Groko-Bewegung sprang die Berliner Juso-Chefin Annika Klose ein.
Einerseits schade, weil Sandra Maischberger dem eher unoriginellen Leitthema der Sendung – "CDU nach rechts, SPD nach links – Rettet das die Volksparteien?" - noch einen spannenden Seitenstrang hätte abgewinnen können.
Andererseits halb so wild, weil Klose ihre Aufgabe engagiert erledigte -sie legte sich mit Genossin
Inhaltlich erfuhr man in dieser Runde so gar nichts Neues, was auch nicht verwundert. Mal ganz abgesehen davon, dass der Niedergang der Volksparteien schon seit gut einer Dekade in der Politikwissenschaft diskutiert wird: Am 24. September 2017 wurde gewählt, seitdem betreibt die SPD öffentlich Nabelbeschau.
Die CDU begab sich ihrerseits spätestens seit dem Scheitern von Jamaika zwei Monate später auf den Selbstfindungstrip. Genug Zeit also für hunderte Leitartikel und dutzende Talkrunden, auch zur besonderen Schwierigkeit der Groko: Dass diese beiden Parteien auf der Suche zu allem Überfluss auch noch zueinander finden müssen.
So ein bisschen fühlte sich dieser Mittwochabend bei "Maischberger" also an wie der traditionelle Familienkrach an Weihnachten: es ging um die altbekannten Themen, aber die Emotionen kochten wieder aufs Neue hoch wie beim ersten Mal.
Kubicki: "Ich wünsche der SPD alles Gute"
Katarina Barley brauchte von 0 auf maximal genervt nur ein paar Minuten, und das einigermaßen nachvollziehbar: Die Gastgeberin begann die Runde mit den neuesten Umfragewerten des zweifelhaften Insa-Institutes, das die AfD schon vor der SPD sieht.
Welche Schuld die die Volksparteien am Höhenflug der Rechten habe, wollte "Maischberger" wissen, sicherlich die Frage mit dem allerlängsten Bart an diesem Abend. "Es geht mir auf den Zeiger, dass wir schon wieder über die AfD reden", entgegnete Barley, und ihre Stimmung besserte sich nicht mehr wesentlich.
Zu ihrer Rechten saß die kämpferische Annika Klose, mit der sich Barley die parteiinterne Auseinandersetzung zum SPD-Mitgliederentscheid lieferte.
Barley will die Groko, Klose wie so viele Parteilinke eine Auszeit, um sich neu zu positionieren – und zwar weg von Hartz IV und dem neoliberalen Dritten Weg unter Schröder.
"So können wir die Glaubwürdigkeit wieder gewinnen", sagte Klose, und führte den kurzzeitigen Erfolg von Martin Schulz ins Feld. "Der hat nur links geblinkt, und schon waren wir bei 30 Prozent."
Barley argumentierte, eine Neupositionierung mache keinen Sinn, wenn sie in der Opposition quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinde. "Wir müssen uns in der praktischen Arbeit beweisen."
Noch weiter rechts saß
"Wir wollten nicht das umsetzen, was die Groko nun umsetzen muss", ätzte er. "Ich wünsche den Sozialdemokraten in der Koalition alles Gute".
Journalist Jörges nahe am Wutausbruch
Und zu schlechter Letzt für Barley saß gegenüber auch noch ein Hans-Ulrich Jörges vom "Stern", dem die Funklöcher auf seinem Weg ins Studio, über die er sich so beschwerte – "das ist Deutschland", fluchte er, fehlte nur noch ein "Danke Merkel!" - offenbar gehörig die Laune verhagelt hatten.
Wie ein Gernot-Hassknecht-Light drosch er links und rechts auf CDU und SPD ein, die "in einem erbärmlichen Zustand" seien, "inhaltlich ausgezehrt".
Die aufkeimende Diskussion über die möglichen Vorteile einer Minderheitenregierung trat er mit dem Stiefel nieder. Der 25-jährigen Klose beschied er, es sei "Kinderglaube", anzunehmen, das Parlament würde dadurch gestärkt.
Widerrede duldete Jörges nur ungern, eigentlich jegliche Rede, die nicht aus seinem Mund kam. "Zwischenruf" heißt seine Kolumne im "Stern", nun dürfte spätestens klar sein, warum.
Wenn die Kamera sich auf die Frauen in der Runde konzentrierte, konnte man sich einen schönen Ratespaß machen – kam der flapsige Spruch da gerade von Jörges oder Kubicki?
Wo sind die Unterschiede zur SPD?
Wie ruhig dagegen Monika Grütters, Präsidiumsmitglied der CDU, die sozusagen als Merkels Abgesandte die frohe Botschaft unter die Zuschauer bringen durfte: Deutschland geht es gut, mit dem Koalitionsvertrag geht es weiter so, in der Partei werden alle Weichen für die Zukunft gestellt.
Grütters beließ es bei Andeutungen. Ob Jens Spahn ein Ministeramt bekomme? "Im Kabinett wird es Änderungen geben, die Entscheidung wird Merkel treffen."
Ob Annegret Kramp-Karrenbauer, wie Jörges behauptete, für die Programmarbeit zuständig sein soll, oder doch, wie Kubicki meinte, Merkel damit eine Nachfolgeregelung eingeleitet habe? "Das eine schließt das andere nicht aus."
Die Bauchschmerzen in der Union konnte allerdings auch Grütters nicht wegreden. 70 Prozent des Koalitionsvertrags stammen aus SPD-Forderungen, hat eine semantische Untersuchung ergeben, die Maischberger zitierte.
"Den Atem anhalten" mussten deswegen einige in der Partei, meinte Birgit Kelle, sozusagen die rechtskonservative Antipodin für Grütters. "Wo ist die CDU, wo sind die unverhandelbaren Punkte, wo ist der Markenkern?"
Die Autorin von antifeministischen Büchern wie "Gender-Gaga" und "Dann mach doch die Bluse zu" sieht vor allem in familienpolitischen Themen die Unterschiede zur SPD komplett verwischt: "Das sind Punkte, die die konservativen Teile der Partei umtreiben."
Die CDU habe, so Kelle, in der Koalition mit der SPD diejenigen Eltern vernachlässigt, die ihre Kinder nicht in Betreuung geben wollen. Ein Punkt, den die amtsführende Familienministerin schnippisch kommentierte: "Ja, das ist pure SPD-Politik. Denn die CDU ist in der Familienpolitik immer 20 Jahre hinterher."
Wo Kelle im Koalitionsvertrag der rechtskonservative Einschlag fehlt, fehlt Juso-Frau Annika Klose die progressive Vision: Mit der Union, so ihre Argumentation, lassen sich keine Zukunftsfragen lösen: Antworten auf die Digitalisierung, Ideen zur Bildung, all das fehle im Koalitionsvertrag.
Die Runde machte wieder einmal klar: Wenn die SPD-Mitglieder diesem Koalitionsvertrag überhaupt zustimmen, werden sowohl die Linken innerhalb der SPD als auch die Rechten innerhalb der CDU gehörig hadern. Und die internen Konflikte werden sich auf die Koalition auswirken.
Dieses eine Mal fiel es schwer, Hans-Ulrich Jörges nicht zuzustimmen: "Das wird eine lustige Regierung."
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