Ukraine-Krieg, mögliche Gas-Rationierungen, Machtverlust des Westens, Klimakrise – die jüngste Diskussion bei "maischberger" am Dienstag hatte nur unangenehme Themen und Wahrheiten. Dass der Abend nicht in völliger Hoffnungslosigkeit endete, lag am ARD-Wetter-Experten Sven Plöger – obwohl der die schlimmsten Botschaften im Gepäck hatte.
Der Krieg in der Ukraine dominiert gerade das Weltgeschehen, mindestens aber die Berichterstattung. Ähnliches gilt beim G7-Gipfel: Dort gibt es klare Botschaften hinsichtlich des Ukraine-Krieges, andere Themen wie der Kampf gegen die Klimakrise haben kaum Platz.
Mit diesen Gästen diskutierte Sandra Maischberger:
- Christian Hacke, ehemaliger Politikwissenschaftler
- Daniela Schwarzer, Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Open Society Foundation Europe
Sven Plöger , MeteorologeJoachim Llambi , ehemaliger Tanzsportler und TV-Unterhalter- Dagmar Rosenfeld, Chefredakteurin der "Welt am Sonntag"
- Friedrich Küppersbusch, Journalist und Medien-Produzent
Darüber diskutierte Sandra Maischberger mit ihren Gästen:
Natürlich über den G7-Gipfel. Hier sind sich Llambi, Rosenfeld und Küppersbusch einig, dass schöne Bilder produziert wurden, aber nicht nur: "Ich finde, dieser Gipfel ist ein Erfolg, ein Erfolg für den Westen", sagt Dagmar Rosenfeld und meint damit zum einen die Einheit, die als Symbol vom Gipfel ausging, und zum anderen "den Anfang einer Neujustierung des Weltengefüges", weil zum Gipfel auch fünf andere Länder eingeladen waren, um die die G7 buhlen müssen.
Rosenfeld sieht sich sogar an die Entstehungszeit der G7-Treffen erinnert, als unter anderem die Ölkrise bewältigt werden musste. Allerdings unter anderem Voraussetzungen, denn die Machtverhältnisse hätten sich in der Zwischenzeit verschoben. Diese Machtverhältnisse greift Friedrich Küppersbusch sofort auf: "Heute werden in China Entscheider sitzen, die sagen: Guck mal, da treffen sich Entwicklungsländer. Ohne unsere Chips können die zumachen."
Beim Thema Gas sieht Dagmar Rosenfeld in der "Die kriegst du nicht, Alter"-Ansage von Wirtschaftsminister Robert Habeck, niemandem 50 Euro fürs Energie-Sparen zu geben, einen "Kennedy Moment". Für
Uneinigkeit gibt es bei der Frage, wer in einer Notlage, zuerst auf Gas verzichten müsse – Industrie oder Privatpersonen. Dass die Industrie zuerst sparen müsse, ist für Rosenfeld "ein völlig falscher Gedanke", denn es sei besser, einen Arbeitsplatz dauerhaft zu erhalten, als zuhause nicht zu frieren. Friedrich Küppersbusch sieht das anders: "Ich finde es ein Armutszeugnis, dass die Industrie sagt: Statt das wir uns modernen Energietechnologien zuwenden und die großen Rückstände, die wir da haben auflaufen lassen, (…) jetzt dem Bürger aufzubürden, ist einfach unfair."
Der Schlagabtausch des Abends:
Es ist kein Schlagabtausch mit viel Gezänk zwischen Daniela Schwarzer und Christian Hack, aber der Moment des Abends, in dem die Einschätzungen am weitesten auseinander liegen. Zum Beispiel beim G7-Gipfel. Während Hacke den Gipfel "eigentlich ganz positiv" einschätzt, meint Schwarzer, dass der Gipfel zwar Einheit ausgestrahlt hat, aber wichtige globale Themen wie Pandemie, Hungersnot und die Klimakrise auf der Strecke geblieben sind. Schwarzers Fazit: "Die Zeit läuft gegen uns."
Auch in den Details sind sich Schwarzer und Hacke nicht einig. Etwa bei den Kriegszielen. Hier äußert Hacke einen harten Vorwurf: "Biden hat eigentlich kein Interesse, die Ukraine-Krise zu lösen." Vielmehr ginge es den USA darum, Russland zurückzudrängen und strukturell zu schwächen. Sonst hätte Biden noch vor dem Einmarsch militärische Präsenz gezeigt, Putin gleichzeitig Verständnis für dessen Sicherheitsinteressen signalisiert und dann mit der Grundlage der Neutralität der Ukraine versucht, das Problem zu lösen.
Dem widerspricht Schwarzer. Die Amerikaner hätten seit Jahren für sich selber als große strategische Herausforderung den Aufstieg Chinas zur Weltmacht definiert, gleichzeitig habe der Krieg die Amerikaner schon jetzt sehr viel gekostet. Auch angesichts unklarer kommender Mehrheitsverhältnisse laute die Botschaft der USA an Europa: "Kümmert euch selbst mehr um eure Nachbarschaft!" Vor allem aber gehe es nicht nur um Gebietsgewinne Russlands, sondern um mehr: "Russland möchte die ukrainische Identität vernichten."
Auch beim Sinn von Waffenlieferungen liegen die beiden Politikwissenschaftler auseinander. Hacke sieht bei einer Fortsetzung die Gefahr einer weiteren Eskalation: "Ich glaube, dass wir Putin in seiner Rücksichtslosigkeit immer noch unterschätzen." Schwarzer rückt hier die Alternative in den Fokus, wenn man keine Waffen geliefert und Putin dadurch in der Ukraine bereits gewonnen hätte: "Einfach aufzugeben – ich glaube nicht, dass das seinen Appetit stillen würde."
Allerdings sehen beide Politikwissenschaftler eine Machtverschiebung vom Westen in Richtung Asien und die Gefahr, dass Europa zwischen die Noch-Großmacht und die Bald-Großmacht China gerät.
Das "Endlich wird darüber auch in Polit-Talkshows gesprochen"-Thema
Mögliche Gas-Rationierung, Ukraine-Krieg, Machtverlust des Westens, Erstarken von Autokratien – es sind bislang keine wirklichen Gute-Laune-Themen an diesem Abend bei Maischberger. Doch der richtig harte Brocken kommt erst, als Sandra Maischberger den ARD-Meteorologen Sven Plöger zum Gespräch bittet, denn Maischberger will mit ihm über die Klimakrise sprechen und die Fragen: "Was macht das mit uns?" und "Haben wir darauf überhaupt noch einen Einfluss?"
Um einen Einstieg zu haben und gleichzeitig die Dimensionen greifbarer zu machen, erzählt Plöger, dass er im Zuge seines Studiums in den 1990ern sehr viel über Klimaveränderungen nachgedacht und auch erlebt habe, wie der Orkan Lothar ein Drittel eines Waldes "vor den eigenen Augen niedergestreckt" hat. "Da habe ich die Frage gestellt: Sind wir jetzt Opfer unserer eigenen Taten?" Wenn er sich die Welt heute ansehe, fühle er sich wie in einem Blockbuster, der erst seicht startet, ehe die Katastrophen kommen.
Dass diese Katastrophen kommen, ist für Plöger klar. Das, was man momentan erlebe, habe die Wissenschaft bereits vor 30, 40 Jahren vorausgesagt. Die jetzige Situation mit Waldbränden, Überflutungen oder Dürren sei "die neue Realität". "Jetzt kommt die Haptik, jetzt kommt die Fühlbarkeit und jetzt kommen plötzlich die Sorgen und der Schreck."
Was genau diese "neue Realität" ist, erklärt Plöger anhand mehrerer Bespiele, etwa anhand der Dürren. Hier würden die Jahre, in denen es Dürren gibt, immer kompakter und gedrängter. Selbst einzelne regnerische Jahren könnten das nicht ausgleichen. "Wenn wir die Klimaprognosen anschauen, dann würden zehnjährige Dürren in Europa gewöhnlich werden, wenn wir den Klimaschutz nicht in einem angemessenen Maß schaffen", so Plöger.
Plöger erklärt weiter die Zusammenhänge, welchen Einfluss die Alpen auf die aktuelle Dürrelage in Norditalien haben, warum es an manchen Orten Dürren gibt, an anderen Überflutungen, warum die sich erhitzenden Pole die Probleme noch verschlimmern oder was passiert, wenn die Gletscher in den Alpen schmelzen: "Bei zwei Grad Erderwärmung haben wir am Ende dieses Jahrhunderts keine Gletscher mehr in den Alpen."
Es sind Aussagen wie diese, die Angst machen können und Angst machen sollten. Aber Plöger schafft es, nicht nur über die Bedrohung sachlich aufzuklären, sondern auch, ein Gegenszenario zu skizzieren. Dafür brauche es aber "politische Rahmenbedingungen, die wirklich ein Handeln zulassen." Was Plöger damit meint, ist: "Wir brauchen eigentlich ein Jahrhundertgeschäft. (…) Geschäfte sind nämlich etwas, wo alle mitmachen wollen."
Das Schlimmste seien für ihn Menschen, die sagen, dass die Lage so dramatisch sei, dass man nichts mehr machen könne. "Wir haben es in die Richtung gedrückt, wir können es noch in die andere Richtung kehren, aber nur, wenn wir diese Dinge entschlossen tun." Trotz Krieg, trotz Corona, sagt Plöger: "Die Klimaproblematik wird immer weiter anwachsen. Der Planet interessiert sich ja nicht für uns. Dem ist das vollkommen egal. Wir machen das alles für uns selber und auch für die Enkel."
Das Fazit:
Nun kann man immer sagen: Klimakrise? Wir haben gerade Wichtigeres zu tun! Sieht man sich die Welt mit dem Ukraine-Krieg, Corona und der sich abzeichnenden globalen Hungersnot an, ist das auch auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen. Doch eben nur auf den ersten Blick, denn zum einen ist es nicht verboten, gleich mehrere Probleme auf einmal anzugehen.
Zum anderen ist genau diese Argumentation tödlich im Kampf gegen die Klimakrise, denn die verläuft (noch) schleichend, so dass immer andere Probleme drängender scheinen und mehr Aufmerksamkeit bekommen – bis es zu spät ist.
Daher ist es gut, dass Sandra Maischberger am Dienstagabend diesen Teufelskreis durchbricht und nicht nur die scheinbar akuteren Krisen bespricht, sondern eben auch die Klimakatastrophe. Und hier macht sich Sven Plöger gleich um mehrere Dinge verdient. Zum einen, weil er sachlich aufklärt, denn nur mit Wissen kann man die Klimakrise verstehen – und auch dagegen angehen.
Zum anderen, weil er die bisherigen Mechanismen wie Selbsttäuschung oder Schönrederei benennt und einen Lösungsweg zeigt. Einen Weg hin zur Motivation, selbst etwas gegen die Klimakrise zu tun. Sie als Wettbewerb, um die Zukunft zu verstehen, bei dem bei einem Sieg alle profitieren.
Und zu guter Letzt schafft es Plöger, klar zu machen, dass es beim Klimaschutz nicht ums Klima geht, sondern um den Menschen. Klimaschutz ist Menschenschutz, denn dem Klima ist das Klima völlig egal. Wenn man das versteht, dann lösen sich auch viele ideologische Debatten in Luft auf.
"Ich kenne keine Eltern, die ihren Kindern sagen: Dir soll es später mal schlechter gehen als mir", sagt Plöger bei Maischberger und als Konsequenz daraus, das wird am Dienstag klar, muss jeder sein Möglichstes beim Klimaschutz tun, damit Eltern ihren Kindern nicht irgendwann sagen müssen: "Dir wird es später mal schlechter gehen als mir, weil wir zu spät gehandelt haben."
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