- ARD-Expertin Anja Kohl warnt als Folge des Ukraine-Kriegs vor einer weltwirtschaftlichen Rezession und Inflation als "Dauerzustand"
- Sandra Maischberger nimmt Christian Lindner wegen seines Tankrabatt-Vorschlags in die Mangel.
- Und Journalist Tilo Jung hält eine atomare Auseinandersetzung zwischen Russland und der Nato für "nahezu ausgeschlossen".
Das Thema bei "maischberger. die woche"
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine läuft nun schon seit drei Wochen – und ein schnelles Ende ist weiterhin nicht in Sicht. Sandra Maischberger diskutierte mit ihren Gästen über Szenarien für den weiteren Kriegsverlauf, die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland, die möglicherweise weiter steigenden Energiepreise sowie die Forderung nach einem Embargo für Gas- und Ölimporte aus Russland. Am Ende der Sendung kam das Thema Corona zur Sprache.
Die Gäste bei "Maischberger: die Woche"
Alexander Rodnyansky: Der Berater von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich zuversichtlich, dass sein Land den Krieg gewinnt. Die Frage sei "wie viele Menschen noch sterben werden, wie hoch die Kosten sind für Europa und die Ukraine".
Rodnyansky appellierte an die Nato-Staaten, sein Land durch Raketen-Abwehrsysteme verstärkt militärisch zu unterstützen und den wirtschaftlichen Druck auf Russland hoch zu halten. An eine friedliche Lösung des Konflikts glaube er nicht. "Es geht darum, den Sturm auf Kiew zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern".
Natascha Sindeewa: Die russische Journalistin erklärte, ihr Heimatland sei so geteilt wie seit 2014 nicht mehr. In Menschen, die die Kreml-Propaganda glauben und andere, die den Krieg verurteilen. Sie glaubt, dass "in Russland langsam ein Erwachen stattfindet" und beobachtet eine wirtschaftliche und emotionale Katastrophe". Viele Menschen könnten die Situation nicht mehr lange ertragen, das Ende von Putin rücke näher. "Die Frage ist wie lange dieses Ende dauern wird" und wie viele Menschen dabei noch sterben werden.
Die Folgen des Kriegs für die Weltwirtschaft seien "gravierend". Es drohten eine weltwirtschaftliche Rezession und Inflation als "Dauerzustand". Daher müsse der Krieg schnell enden. "Alle Kosten - menschlich und wirtschaftlich - sind zu hoch."
Tilo Jung: Der Journalist sprach sich für eine "radikale europäische Energieunabhängigkeit" und stärkere Befreiung von fossiler Energie aus. Auch ein vorübergehendes Tempolimit oder eine Homeoffice-Pflicht sind in seinen Augen geeignete Maßnahmen, um Energie zu sparen. Den Tankrabatt-Vorschlag Christian Lindners nannte Jung sarkastisch den "Putin-Soli".
Wolfram Weimer: Der liberal-konservative Publizist steht einem völligen Embargo der Energieimporte aus Russland skeptisch gegenüber und sprach sich für eine Politik des kühlen Kopfes aus: Sanktionen ja, aber bitte nicht eigene Interessen gefährden. "Wir dürfen nur Sanktionen anwenden, die wir auch durchhalten", sagte Weimer. Ein sofortiger Stopp russischer Energieimporte könnte zu Massenarbeit und sozialen Verwerfungen führen, fürchtete der Publizist.
Das war der Moment des Abends
Politik-Berater Alexander Rodnyansky berichtete sichtlich mitgenommen von den besonders hässlichen Seiten des Kriegs in der Ukraine. "Es mehren sich Gerüchte über Vergewaltigungen." Er nannte als Beispiel die Geschichte, die ihm ein Freund vor Kurzem von einer Familie erzählt hat, die er sehr gut kennt. "Der Mann wurde vor der Frau erschossen, im Garten liegen gelassen, die Frau vergewaltigt, und dann (ist sie) mit dem Kind ohne Kleidung davongelaufen."
Das war das Rededuell des Abends
Tilo Jung war der Meinung, dass eine direkte militärischen Auseinandersetzung zwischen Nato und Russland "nahezu ausgeschlossen" sei. Denn die habe das Potenzial, dass der Krieg womöglich nuklear eskaliert – was keine Seite wollen könne. Anja Kohl und Wolfram Weimer fielen Jung fast zeitgleich ins Wort, um zu widersprechen. "Da muss nur eine Bombe auf polnisches Nato-Gebiet fallen", rief Kohl fast ein wenig hysterisch. Sie meinte natürlich: versehentlich fallen.
Doch für solche Fälle gibt es direkte Kommunikationskanäle zwischen Washington und Moskau. Auch die militärischen Oberbefehlshaber beider Länder pflegen enge Kontakte. Die Leichtfertigkeit, mit der manche politische Beobachter Ängste vor einem möglichen Atomkrieg schüren, scheint mehr über ihre persönlichen Ängste als über die tatsächliche Bedrohung zu verraten. Christian Lindners nüchtern formulierter Kommentar dazu: "Eine direkte Auseinandersetzung zwischen Nato und Russland muss ausgeschlossen sein."
So hat sich Sandra Maischberger geschlagen
In diesem Mittwochs-Talk fühlte die Gastgeberin vor allem Christian Lindner kräftig auf den Zahn – natürlich beim Thema Tankrabatt. Lindner war von den ständigen Nachfragen irgendwann so entnervt, dass er
Das ist das Fazit
Soll Deutschland nun Energieimporte aus Russland komplett boykottieren oder nicht? Auf diese zentrale Frage fand die Runde am Ende keine einheitliche Antwort. Einen praktischen Vorschlag unterbreitete Anja Kohl im Hinblick auf energieintensive Wirtschaftszweige: ein Energiemaßnahmenpaket mit Steuersenkungen, also eine Art Schutzschirm des Staats.
Am Ende der Sendung durfte sich Christian Lindner noch zum weitgehenden Auslaufen der bundesweiten Corona-Schutzmaßnahmen erklären. Er hält die beschlossenen Lockerungen weiter für völlig vertretbar, weil keine strukturelle Überlastung des Gesundheitssystems drohe, betonte er.
"Wir können nicht präventiv Freiheitseingriffe verlängern, wenn sie nicht verhältnismäßig sind". Gezielte Maßnahmen der Länder seien ja weiter möglich, so der FDP-Minister. Ein Misstrauensvotum gegen seine Politik sehe er im Widerstand gegen die Lockerungen in einigen Bundesländer, vornehmlich aus Bayern, nicht.
Schließlich appellierte Wolfram Weimer an den Bürgersinn und die Möglichkeiten, sich selbst zu schützen. Niemand verbietet es einem vorsichtig zu sein und weiter überall, wo es eng wird, Maske zu tragen. Der Blick ins europäische Ausland, habe ihn gezeigt, dass auch in Deutschland mittlerweile gelockert werden könne.
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