Droht ein Konflikt zwischen der Gen Z und der Babyboomer-Generation? Sozialpsychologe Harald Welzer warnte bei "Markus Lanz" vor einer "generationellen Ungerechtigkeit". Derweil lieferten sich Lanz und FDP-Politiker Christian Dürr ein hitziges Wortgefecht zum Thema Atomkraftwerke.
Ausbleibendes Wachstum, Fachkräftemangel, Klimawandel: Die deutsche Politik sieht sich derzeit mit zahlreichen Krisen konfrontiert, die es nicht nur zu optimieren, sondern auch zu lösen gilt.
Doch ist Veränderung überhaupt möglich, wenn viele Ältere jeglichen Wandel scheuen? Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Markus Lanz sagte aktuell über die deutsche Wirtschaftskrise: "Wir versuchen mit den alten Rezepten unsere Themen zu lösen." Laut des ZDF-Moderators laufe es schon länger "nicht mehr richtig rund" im Land, was vor allem an den fehlenden politischen Lösungen liege.
Von Gästen wie FDP-Politiker Christian Dürr und Sozialpsychologe Harald Welzer wollte Lanz daher wissen: "Was könnte dieser neue, dieser dritte Weg sein?"
Das sind die Gäste
- Christian Dürr, FDP-Fraktionschef: "Der Rückbau der noch funktionierenden Kernkraftwerke sollte gestoppt werden."
- Ursula Weidenfeld, Journalistin: "Die Republik braucht dringend Wirtschafts- und Sozialreformen."
- Jens Südekum, Ökonom: "Das Stromsystem der Zukunft ist erneuerbar mit Gas als Backup."
- Harald Welzer, Sozialpsychologe: "Meine Generation, das sind die Fettaugen auf der Suppe."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Am Dienstagabend führte ZDF-Moderator Markus Lanz zunächst eine Grundsatzdiskussion mit Sozialpsychologe Harald Welzer, der sich über das von Krisen geprägte 21. Jahrhundert Gedanken machte. In seinem neuen Buch "ZEITEN ENDE - Politik ohne Leitbild, Gesellschaft in Gefahr" klagt Welzer vor allem seine eigene Generation - die Babyboomer - an und sagt: "Meine Generation, das sind die Fettaugen auf der Suppe, die die junge Generation jetzt auslöffeln muss."
Markus Lanz fragte überrascht nach: "Wie meinen Sie das?" Der Sozialpsychologe stellte klar, dass seine Generation über Jahre in "permanenter Steigerung" gelebt und von dem System profitiert habe, doch dieser Lifestyle habe "einen wahnsinnigen Zerstörungseffekt mit sich gebracht". Welzer bemängelte zudem die "Beharrungskräfte" der älteren Generation und stellte klar, dass niemand etwas abgeben oder aufgeben wolle und daraus "eine generationelle Ungerechtigkeit" entsteht.
"Wir sind mit einem Problem konfrontiert, das wir noch niemals gehabt haben", konstatierte Welzer und kritisierte in dem Zusammenhang vor allem den "Wachstumskapitalismus": "Den Wandel kriegt man doch nicht hin, indem man das, was man hat, um jeden Preis festhalten möchte und gleichzeitig immer noch in Steigerungslogiken denkt."
Auch Markus Lanz musste zugeben: "Da kommt ein System an sein Ende. Und wir merken es ja in vielen Bereichen, nicht zuletzt auch im Bereich Fachkräfte." Der ZDF-Moderator wollte deshalb wissen: "Was ist die Alternative?" Ökonom Jens Südekum antwortete prompt: "Ich bin da tatsächlich optimistischer als Herr Welzer." Laut Südekum sei es in mehreren Ländern bereits gelungen, "eine partielle Entkopplung von Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen zu erreichen. Länder sind gewachsen und trotzdem sind die absoluten Emissionen gesunken."
Harald Welzer stellte daraufhin klar: "Ich bin überhaupt nicht ein orthodoxer Wachstumsgegner, aber man muss doch die Realitäten erkennen." Der Sozialpsychologe stichelte: "Deutschland ist ein Land von gestern, das sich einredet, noch up to date zu sein." Welzer sieht genau deshalb eine "große Gefahr" für unsere Demokratie, weil die Menschen nicht mehr an die Lösungsansätze der traditionellen Parteien glaubten und sich deshalb radikalen Parteien wie der AfD zuwenden würden. Daher forderte Welzer bei "Markus Lanz": "Politik braucht ein Leitbild."
Das ist das Rede-Duell des Abends
FDP-Fraktionschef Christian Dürr wurde von Lanz als "einer der rauflustigsten Politiker dieses Landes" vorgestellt. Die beiden lieferten auch tatsächlich ein hitziges Wortgefecht zum Thema Atomkraftwerke, denn für den ZDF-Moderator schien es unverständlich zu sein, warum die FDP die AKW-Diskussion wieder aufzurollen versuche. "Was haben Sie da vor mit den AKWs?", wollte Lanz wissen.
Dürr sprach zunächst von dem Wunsch, die Stromversorgung in Deutschland auch in Zukunft problemlos gewährleisten zu können. Gleichzeitig deutete er an, dass der Rückbau der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland noch Jahrzehnte dauern könnte; "Wir sind in einer schwierigen, angespannten Situation. Das sehen wir am hohen Strompreis in Deutschland", sagte Dürr. Der FDP-Mann weiter: "Lasst uns nicht alle Konzentration auf den Rückbau setzen, sondern lasst uns überlegen, wie wir weitermachen an der Stelle."
Lanz hakte kritisch nach: "Sie wollen den Rückbau stoppen?" Dürr nickte: "Der Rückbau der noch funktionierenden Kernkraftwerke sollte gestoppt werden." Laut Dürr brauche es in Deutschland "mehr Optionen". Lanz zeigte sich davon nicht sonderlich überzeugt und stellte klar, dass Olaf Scholz die AKW-Frage als "ein totes Pferd" betitelte. Davon ließ sich Christian Dürr jedoch nicht beirren und konterte: "Wenn man absteigt, muss man sich überlegen - geht man zu Fuß weiter, oder sucht man zumindest neue Pferde." Er sei vor allem dafür, "breiter und weiter zu denken".
Lanz unterstellte Dürr daraufhin, mit seinen Aussagen Wahlkampf machen zu wollen, während er in Kauf nehme, erneut für mächtig Krach in der Regierung zu sorgen. Dürr reagierte daraufhin patzig: "Herr Lanz, ich glaube, da reiten Sie gerade ein merkwürdiges Pferd!" Journalistin Ursula Weidenfeld stellte sich jedoch auf die Seite des ZDF-Moderators und merkte an, dass die FDP noch im vergangenen Jahr "dem Ausstieg zugestimmt" hat.
Dürr blieb jedoch weiter entspannt und erklärte, dass er bereits vor Monaten dieselbe Meinung vertreten und auch öffentlich kundgetan hat: "Das gehört einfach zur Seriosität dazu." Lanz reagierte fassungslos: "Ist es wirklich seriös, wenn man die eigene Regierung, auch den eigenen Kanzler (...), so am Nasenring durch die Arena zieht?" Ein schwerer Vorwurf, zu dem Dürr nur knapp sagte: "Eine Koalition heißt Kompromisse."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz gelang am Dienstagabend eine angeregte Diskussionsrunde mit vielen spannenden Thesen sowie einem klaren roten Faden. Besonders beim Schlagabtausch mit Dürr sowie der Grundsatzdiskussion mit Welzer behielt Lanz einen kühlen Kopf und bestach mit spitzen Fragen.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Das Zukunftsmodell der deutschen Wirtschaft steht noch auf wackligen Beinen. Bei "Markus Lanz" debattierten Gäste wie Sozialpsychologe Harald Welzer und FDP-Fraktionschef Christian Dürr nicht nur über die Krisen, sondern auch die Chancen im Land. Nach teils hitzigen Diskussionen musste Moderator Markus Lanz abschließend zugeben: "Das war in vielerlei Hinsicht sehr intensiv." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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