Ist die deutsche Automobilindustrie überhaupt noch relevant? Wenn es nach Ex-VW-Chef Herbert Diess geht, kann Deutschland schon bald wieder mit großen Konkurrenten wie Tesla mithalten. Seinen Optimismus teilten bei "Markus Lanz" zwar die weiteren Gäste - wenn auch in zurückhaltenderer Form.
Immer wieder werden Warnungen laut, dass die deutsche Autobranche vor unsicheren Zeiten steht. Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
"Was braut sich da gerade über der Autoindustrie in Deutschland auf?", wollte Markus Lanz in seiner Sendung am Donnerstagabend wissen. Die deutsche Autobranche steht mit dem Aufbruch ins Elektrozeitalter zweifelsohne vor dem größten Wandel ihrer Geschichte.
Doch die immer größer werdende Konkurrenz in Form zahlreicher chinesischer Autobauer sowie US-Firmen wie Tesla macht die Frage, wie zukunftsträchtig die deutsche Wirtschaft und der deutsche Wohlstand wirklich sind, so relevant wie nie zuvor. Markus Lanz wagte daher eine ehrliche Bestandsaufnahme der "Deutschland AG".
Das sind die Gäste
- Herbert Diess, Ex-VW-Chef: "Deutschland braucht endlich einen Plan."
- Joe Kaeser, Ex-Siemens-Vorstand: "Der Mittelstand ist heute der Garant für die gesellschaftliche Stabilisierung in unserem Land."
- Andrea Thoma-Böck, Unternehmerin: "Im Mittelstand geht eine richtig große Angst um."
- Julian Olk, Wirtschaftsjournalist: "Die Warnung vor der drohenden De-Industrialisierung muss man ernst nehmen."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Mit sorgenvollem Blick stellte Markus Lanz fest: "Seit fünf Jahren wachsen wir faktisch nicht mehr richtig." Als der ZDF-Moderator nach den Ursachen forschen wollte, gab Unternehmerin Andrea Thoma-Böck der Politik eine Mitschuld und sagte: "Der Frust der Unternehmer, der ist grenzenlos. Und das hängt zum einen daran, dass wir in Bürokratie ersticken. Und da braucht es einfach einen Befreiungsschlag. (...) Viele Unternehmer fühlen sich ihrer unternehmerischen Freiheit beraubt."
Als Beispiel für den Bürokratie-Wahnsinn nannte Thoma-Böck unter anderem das aktuell beschlossene EU-Lieferkettengesetz, das mit "unglaublichen Dokumentationspflichten" einhergehe. Daneben gebe es eine "hausgemachte Energiekrise" sowie einen Fachkräfte- und Personalmangel, der den deutschen Unternehmen zunehmend Sorge bereite. "Wir fühlen uns da auch wirklich in Fesseln gelegt", wählte Andrea Thoma-Böck drastische Worte. Sie ergänzte energisch: "Das ist eine toxische Mischung, die dem Mittelstand unglaublich zusetzt."
Dem konnte Joe Kaeser, der Aufsichtsratschef von Siemens Energy, nur zustimmen. Er fragte mit ernster Miene: "Ist es nicht bezeichnend, dass wir in Deutschland ein Gesetz zur Entbürokratisierung brauchen?" Ex-VW-Chef Herbert Diess warnte in dem Zusammenhang vor der erstarkenden internationalen Konkurrenz: "China ist in vielen Bereichen an uns vorbeigezogen." Besonders in der Elektromobilität sei dies zu spüren, wie Diess erklärte: "Die Chinesen können schon viel. Sie sind vor allem schneller (...) und auch sehr innovationsoffen."
Dennoch blickte der heutige Aufsichtsratsvorsitzende von Infineon keinesfalls pessimistisch in die deutsche Zukunft. Im Gegenteil: "Die Deutschen holen auf!" Der Ex-VW-Chef ergänzte, dass die deutsche E-Automobilindustrie trotz der bitteren Prognosen und Negativ-Schlagzeilen nicht vor dem Aus stehe: "Ich bin überzeugt, dass sie eine Chance hat." Als Grund für seinen Optimismus nannte Diess die deutsche Qualität, die im Vergleich zu vielen chinesischen Konkurrenten immer noch um Längen besser sei. "Der Kampf für die deutschen Autobauer ist noch nicht verloren", versprach der Ex-VW-Chef lächelnd.
Dem stimmte Wirtschaftsjournalist Julian Olk zu, als er sagte: "Technologisch können wir Deutschen nach wie vor mithalten. Wir sind in der Lage, auch die besseren Autos am Ende zu produzieren." Markus Lanz dämpfte daraufhin die Stimmung und stellte fest: "Das Einzige, was wir nie hinkriegen, ist, das Auto mal günstig zu produzieren." Olk nickte lachend: "Wir müssen es halt irgendwie schaffen, ein Massenprodukt daraus zu machen. Ein E-Auto, was jedermann kaufen kann." Nun müsse jedoch erstmal der Rückstand zur Konkurrenz aufgeholt werden - und das sei "nicht so leicht", wie Olk erklärte.
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So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz schaffte es, in der vielseitigen und auch komplexen Diskussionsrunde stets einen roten Faden beizubehalten und jeden Gast individuell mit einzubeziehen. Besonders in der Diskussion mit dem 27-jährigen Wirtschaftsjournalisten Julian Olk gelang es Lanz, auch die jüngere Generation in der Debatte zur Zukunft Deutschlands zu Wort kommen zu lassen.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Zwar zeigten sich die Gäste bei "Markus Lanz" durchaus optimistisch, was die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland angeht, dennoch warnte Joe Kaeser vor einem drastischen Rückfall "in fast allen Kerngebieten, die uns ausmachen". Der Ex-Siemens-Vorstand forderte daher einen konkreten Plan für Deutschland und sagte: "Das verlangt jetzt einen Veränderungswillen. (...) Ist es einfach? Überhaupt nicht. Aber wenn wir das nicht tun, werden wir in allen Feldern, wo wir in den letzten 20 bis 30 Jahren waren, nicht mehr erfolgreich sein."
Nun sei es "die große Aufgabe unseres Landes, Grundvoraussetzungen dafür zu schaffen", um "diese Veränderungen möglich" zu machen. Andrea Thoma-Böck ergänzte dazu skeptisch: "Die Wirtschaft braucht Planbarkeit, und die hat sie in Deutschland nicht mehr." Abschließend warnte sie vor einem "schleichenden Tod" der deutschen Wirtschaft und sagte, dass es "keine Zeit mehr" gebe, da die Abwanderung in vielen Industrien bereits in vollem Gange sei. "Der soziale Frieden ist dadurch gefährdet", so die Unternehmerin streng. © 1&1 Mail & Media/teleschau
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