Nicht nur der anhaltende Heizungsstreit zeigt: Während die Ampel versucht, neue Impulse zu setzen, fühlen sich viele Wähler nicht mehr abgeholt. Bei "Markus Lanz" erklärten Thomas de Maizière und Juli Zeh, was das mit dem Ost-West-Konflikt zu tun haben könnte.
Die Debatte ums Heizungsgesetz nimmt kein Ende. Während die Ampel keinen klaren Kurs zu fahren scheint, gewinnt die AfD immer weiter an Wählerstimmen.
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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Allumfassende Themen wie die Asylpolitik oder die Klimakrise lösen immer wieder hitzige Debatten aus. Mit Blick auf den Höhenflug der AfD sprach Markus Lanz am Mittwochabend mit Thomas de Maizière und
Das sind die Gäste
- Thomas de Maizière, Bundesminister a.D.: "Arbeit und Leben in einen Gegensatz zu setzen, das halte ich für falsch."
- Juli Zeh, Schriftstellerin: "Wir erleben alle so ein intensives Gefühl von Kontrollverlust."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Im Gespräch mit Ex-Bundesinnen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière versuchte Markus Lanz zu erörtern, wie es zum Heizungsknall in der Ampelkoalition kommen konnte. Der CDU-Politiker verteidigte die Regierung zunächst und stellte klar: "Wenn Dinge in einem frühen Stadium durchgestochen werden (...) und dann darüber eine Diskussion entsteht, dann kann man schon mal kaum gut regieren. Weil jeder Kompromiss ist dann gleich ein Gesichtsverlust."
De Maizière machte dennoch deutlich, dass durch "handwerklich schlechtes Regieren" ein Vertrauensverlust in der Bevölkerung entstanden sei, der weitreichende "politische Auswirkungen" habe.
Lanz hakte nach: "Ist das eine der Fährten, die den Aufstieg der AfD erklärt?" Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh nickte zustimmend und warnte vor der Gefahr, dass der aktuelle Kurs der Ampel "die Politikverdrossenheit" im Land weiter befördert. In der Bevölkerung gebe es laut Zeh "so ein Grundgefühl dafür", ob in der Politik "gute Arbeit geleistet" werde "oder nicht". Bei einem Gefühl der "Bevormundung" gehe laut der Juristin automatisch "das nächste halbe Kilo Vertrauen verloren. Das nützt dann indirekt möglicherweise auch der AfD, wenn die das schaffen, das auf sich umzumünzen."
Thomas de Maizière fügte energisch hinzu: "Es gibt in Ostdeutschland eine besondere Empfindlichkeit gegen gefühlte Art von Bevormundung." Laut des Politikers sei in dem Zusammenhang manchmal "der Eindruck" in der Politik "wichtiger als die Sache". Mit Blick auf das Heizungsgesetz und die damit einhergehenden Veränderungen verdeutlichten Thomas de Maizière und Juli Zeh im Gespräch mit Lanz, dass es seit der Wende in Ostdeutschland ein anderes Level an "Ingenieurs-Mentalität" und "Autonomie-Bedürfnis" gibt. Alte Heizungen, Handys oder Autos würden demnach nicht einfach entsorgt, sondern vielmehr repariert werden.
"Wenn man dann jemandem sagt: 'Du bist also die Umweltsau, weil du dir kein E-Auto kaufst', dann erzeugt das natürlich eine ganz vielschichtige Form von Wut", konstatierte Juli Zeh. Mit Blick auf den Ost-West-Konflikt bemängelte Thomas de Maizière derweil die "Selbstermächtigung der Westdeutschen, über Ostdeutsche Urteile abzugeben". Er ergänzte: "Das sind viele satt, dass insbesondere in Berlin gesagt wird: 'Ihr seid noch nicht so weit'."
Für den Politiker sei vor allem "die Denke aus der Stadt, wo nur die Hälfte der Bevölkerung" lebe, "ein Problem in Deutschland". Juristin Juli Zeh warnte daraufhin von einem zu "simplifizierten Bild", in dem es "eine Art soziale Verelendung" auf dem Land und "dem abgehängten Osten" gebe, das dann wiederum "zu Unzufriedenheit" und schließlich "zum AfD-Wählertum" führe.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Auch wenn sich Thomas de Maizière und Juli Zeh grundsätzlich einig waren, gingen die Meinungen bei der Motivation der AfD-Wähler auseinander. De Maizière sprach in Bezug auf Ostdeutschland zunächst von einer "Veränderungsmüdigkeit, die in Veränderungswut" umschlage. Bei Themen wie Globalisierung, Künstliche Intelligenz und Klima würden laut des Politikers viele Bürger sagen: "Nicht mehr mit uns!"
De Maizière glaube deshalb, dass ein Großteil der Menschen die AfD aus reiner "Provokation" wählt, jedoch keine wirkliche "Kompetenz-Erwartung" an die Partei stellen würde. Der CDU-Mann behauptete selbstbewusst, dass ein Großteil dieser Wähler durch gute Arbeit der Regierung wieder "umgedreht" werden könnte.
Juli Zeh zweifelte an der "zu optimistischen" These und warnte, dass viele Wähler mit den Inhalten des AfD-Wahlprogramms einverstanden sind. Die Juristin glaube deshalb nicht, dass man erwarten kann, "dass es sich ganz schnell wieder einfangen lässt". Sie sehe die Problematik eher in der Kommunikation der Regierung und bemängelte, "dass wir Menschen, die kritisch sind" zu schnell verurteilen und ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie "nicht mitmachen" wollen.
Ähnlich skeptisch sah Juli Zeh auch die Aussage von de Maizière, der mit Blick auf den Begriff "Work-Life-Balance" sagte: "Arbeit und Leben in einen Gegensatz zu setzen, das halte ich in der Tat für falsch. Denn Leben gehört zur Arbeit und Arbeit gehört zum Leben." Arbeit könne laut des Politikers auch "Erfüllung" bedeuten und "wenn das alles als Gegensatz zum Leben bezeichnet wird, dann habe ich was dagegen".
Eine Argumentation, die Juli Zeh so nicht unterschreiben konnte. Sie erklärte im Gespräch mit Lanz, dass sich dahinter "eine sehr männlich dominierte Sichtweise" verbirgt und sagte weiter: "Ich glaube, dieses krasse Identifikationsverhältnis zwischen Identität (...) und Job, das ist erodiert. Und das ist, glaube ich, nichts Schlechtes."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
ZDF-Moderator Markus Lanz fokussierte sich am Mittwochabend vor allem auf den Wandel der deutschen Gesellschaft und das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland. Statt Konflikte zu suchen, hörte Lanz interessiert zu und unterbrach seine Gäste nur selten mit kurzen Nachfragen oder zustimmenden Kommentaren.
Das ist das Fazit
Die deutsche Gesellschaft befindet sich im Umbruch, und immer mehr Bürger beklagen das Gefühl wachsender Verunsicherung und Unzufriedenheit. Mit Blick auf den Höhenflug der AfD sprach Markus Lanz am Mittwochabend mit CDU-Politiker Thomas de Maizière sowie Juristin Juli Zeh unter anderem angeregt über den Zustand der Demokratie und der politischen Kultur.
Das ernüchternde Fazit des ehemaligen Bundesinnen- und Verteidigungsministers lautete: "Die Erfolgsbedingungen für gutes Regieren sind im Moment sehr schwierig." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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