Auf Lanz folgt Lanz. Nach Ausstrahlung seiner Dokumentation "Ukraine - Leben mit dem Krieg" empfängt der ZDF-Moderator zum Talk über die Gegenwart und Zukunft des überfallenen Landes.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Doris Neubauer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am 24. Februar 2022 begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Doch der von Putin erhoffte Durchmarsch blieb aus. Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein Volk leisten erfolgreich Widerstand.

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50 Prozent des Territoriums, die Krim nicht eingeschlossen, sollen sie mit US-amerikanischer und europäischer Unterstützung zurückerobert haben - unter enormen Verlusten: Laut "New York Times" wurden insgesamt fast 500.000 Soldaten getötet oder verletzt. Tausende Zivilisten starben, Millionen Menschen sind auf der Flucht; vor Ort befinden sich Ukrainer, aber auch Kriegsreporter und freiwillige Einsatzkräfte in Lebensgefahr.

Nach der Lanz-Dokumentation "Leben mit dem Krieg" beschäftigte sich auch die anschließende Diskussionsrunde mit den Auswirkungen des Kriegs und versuchte einen Ausblick zu geben, wie es weitergehen könnte. Ist die Entmilitarisierung der Krim für die Ukrainer eine Option? Wie gefährlich ist der Einsatz für Kriegsreporter und Freiwillige aus dem Ausland? Und welche Auswirkungen könnte die kommende US-Wahl auf den Kriegsverlauf haben?

So lauteten einige der Fragen - und am Ende stand nur eines fest: Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass über dieses Thema gesprochen wird.

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Das sind die Gäste

  • Frederik Pleitgen, "CNN"-Journalist und Kriegsreporter: "So große Sorgen sie sich in Kiew machen, dass Trump wieder Präsident wird, so sehr sehnt das Wladimir Putin herbei."
  • Florence Gaub, Sicherheitsexpertin: "Das Problem ist, dass wir immer behaupten unsere Standards sind die universellen Standards, universelle Menschenrechte. Das ist unsere Angreifbarkeit."
  • Nils Thal, Feuerwehrmann: "So eine Invasion geht (...) gegen Freiheit, Gleichheit, Demokratie. Da konnte ich nicht einfach zugucken."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Vor allem die Schilderungen des Berufsfeuerwehrmanns Nils Thal aus Nürnberg gingen unter die Haut. In Thailand hörte er die ersten Ukraine-Berichte von Kriegsreporter Frederik Pleitgen, der bei Markus Lanz ebenfalls in der Runde saß: "Das war einer der Augenblicke, in denen ich entschieden habe, da wird es so viel Leid geben. (...) Da muss ich etwas machen, da muss ich hin."

Statt sich am Strand die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, flog er nach Deutschland zurück, nahm über eine kleine NGO Kontakt zur ukrainischen Feuerwehr auf, kaufte sich ein Auto und fuhr los.

"Auf der anderen Seite - direkt am Grenzübergang hatte ich das Gefühl, ich bewege mich auf etwas zu, während mein ganzer Körper wegrückt davon", sagte er, und wich nach hinten aus, so, als stünde er wieder an der Grenze.

An zerschossenen Panzern und zerbombten Tankstellen vorbei, fuhr er "im Zickzack" nach Kharkiv. "Man hat oft Hollywood-Szenen im Kopf mit Schießereien und Explosionen überall, das war aber gar nicht so: Es war dämmernd, es war leise, es war fast still, sämtliche Straßenlaternen sind ausgeschalten", berichtete er mit ruhiger Stimme von seiner Ankunft.

"Und alle 20 Minuten ein riesiges Intervall an Artillerie - bam-bam-bam-bam-bam-bam - zwei Minuten Pause, das gleiche nochmal, dann Pause. Das war unheimlich."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Der "CNN"-Journalist Frederik Pleitgen hatte seine Einschätzung dazu bereits abgegeben, welche Auswirkungen eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps auf den Ukraine-Krieg haben könnte.

Jetzt fragte Markus Lanz auch die anwesende Sicherheitsexpertin: "Florence Gaup schätze ich vor allem deshalb, weil sie einen oft erfrischend anderen Blick auf die Dinge hat - und der ist meistens nicht sehr pessimistisch", meinte der Moderator. Die Politologin vom NATO Defense College reagierte mit einem kurzen Auflachen.

Ob Trumps Präsidentschaft ein Ende der Ukraine bedeutete, wurde Lanz konkreter. "Erstens muss man wissen, dass das Alleinstellungsmerkmal von Trump ist, dass er komplett unvorhersehbar ist", erinnerte sie daran, dass dessen Schwiegersohn Jared Kushner den Frieden zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Staat Israel verhandelt hatte und Trumps Tochter zum Judentum übergetreten war.

"Also er (Trump, Anm.d.Red.) ist nicht so konsistent in seinem Weltbild", erklärte Gaub trocken. "Das ist kein Argument, das uns alle wirklich beruhigt", konterte Lanz. Doch die Sicherheitsexpertin relativierte: Nur weil sich Trump bisher mit Putin verstanden und mehrfach behauptet habe, er könne diesen Krieg mit einem Telefonat beenden, "muss das nicht der Fall sein".

Sie glaube zudem, dass sein Hauptargument, die NATO und damit die Europäer würden nicht genügend Einsatz zeigen, mittlerweile nicht mehr zu halten wäre. "Ich kann mir vorstellen", schloss sich die Expertin der Meinung von Pleitgen an, "dass die Europäer wahrscheinlich mehr machen müssen. Das ist eher das Szenario, als dass Trump den Stecker zieht und sagt 'Ciao'."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Dass dem Moderator das Thema am Herzen liegt, ist in der Gesprächsrunde spürbar: Immer wieder unterbricht er seine Gäste, schildert seine eigenen Erlebnisse in der Ukraine und lässt sich von den Bildern im Hintergrund ablenken.

"Das ist eine Reise in die Dunkelheit, in den Abgrund", beschreibt er selbst das Erlebte. Vor allem die "ungeheure Sinnlosigkeit" der Zerstörung lässt den Gastgeber nicht los. Immer wieder aufzubauen und dann wieder zerbombt zu werden, "das macht die Menschen so unheimlich müde und mürbe", glaubt Lanz.

Man wird den Eindruck nicht los, dass er in den 75 Minuten versucht, seine eigenen Eindrücke zu verarbeiten.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Florence Gaub machte darauf aufmerksam, dass die Ukrainer bereits "Unglaubliches" geleistet hätten und es offen wäre, wer den Krieg gewinne. Dabei müsse es sich auch nicht um einen klaren Sieg handeln - es "könnte auch eine Situation eintreten, die beide Seiten politisch als Sieg verkaufen können", so die Expertin.

Was als ein ebensolcher gelten könnte, darüber herrscht innerhalb Russlands Uneinigkeit: Einer Umfrage zufolge, die Gaub heranzieht, wäre die große Mehrheit für den Krieg, teile aber nicht die Ansicht der Regierung, dass damit die Vormachtstellung des Westens infrage gestellt werden sollte.

"Das würde bedeuten, dass die Regierung nicht so weit gehen kann beziehungsweise nicht so weitermachen kann", erläuterte die Expertin, "weil die Unterstützung für alles, was über die Ukraine hinausgeht, nicht da ist."   © 1&1 Mail & Media/teleschau

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