Die Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Friedrich Merz fordern ein härteres Vorgehen gegen den Iran. Feministin Alice Schwarzer prangerte an, dass der Westen seit 43 Jahren wegschaut. Zudem hätten besonders die Grünen den "politischen Islam" verharmlost. Und eine Menschenrechtlerin machte sich gar für eine "weltgeschichtliche Iran-Wende" stark.
Das war das Thema bei "maybrit illner spezial"
Seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini demonstrieren Frauen und Männer im Iran gegen Kopftuchzwang, Mord und Repression. Während sie ihr Leben riskieren, beschränkt sich der Westen, darunter auch Deutschland, vor allem auf Appelle. Die Atomverhandlungen mit Teheran sollen nicht gefährdet werden. Das Thema bei "maybrit illner spezial" im ZDF: "Heuchler oder Helfer – kuscht der Westen vor dem Iran?".
Das waren die Gäste bei "maybrit illner spezial"
Omid Nouripour : Der Parteivorsitzende von B’90/Die Grünen ist frustriert, wie langsam die EU sich auf eine gemeinsame Linie gegenüber dem Iran einigt. "Die Gewalt des Staates wird jeden Tag schlimmer". Nouripour, der in Teheran geboren wurde, spricht von Massenvergewaltigungen und Schüssen mit scharfer Munition gegen Demonstranten. Er will die Revolutionsgarden, eine brutal durchgreifende Eliteeinheit der Streitkräfte, auf die Terrorliste der EU setzen.Friedrich Merz : Der CDU-Parteivorsitzende vermisst eine "klare Haltung der Bundesregierung" gegenüber dem Mullah-Regime. Seit 12 Monaten stehe der Iran davor, atomwaffenfähiges Material zu bekommen. Der Westen müsse sich für diesen Fall ganz anders sicherheitspolitisch und außenpolitisch aufstellen. Einer direkten atomaren Bewaffnung Deutschlands steht Merz eher skeptisch gegenüber. Man könne darüber diskutieren, ob Deutschland und andere Teile Europas irgendwann einmal unter den atomaren Schutzschild Frankreichs gestellt werden könnten. Aber: "Die Amerikaner werden auf lange Zeit unsere Schutzmacht bleiben."Alice Schwarzer : Die Publizistin und Feministin sieht die Fehler gegenüber dem Iran in der Vergangenheit. "Das Problem ist, dass der Westen seit 43 Jahren wegschaut". Die wirtschaftlichen Interessen seien immer größer gewesen als die Sorge um Menschenrechte. Ihr Vorschlag: "Man sollte rigoros gegenüber dem Staat auftreten": Botschafter ausweisen, Visa für Geflüchtete anbieten, Konten der Verantwortlichen sperren. Besonders die Grünen hätten den "politischen Islam" verharmlost. "Wir haben dieses Gewaltregime salonfähig gemacht. Damit muss Schluss sein."- Düzen Tekkal: Die Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help e.V. verurteilte die Iran-Politik des Westens scharf. "Die Appeasement-Politik der letzten 43 Jahre hat dazu geführt, dass dieses Mullah-Regime heimlich morden konnte." Sie forderte die Einleitung einer "weltgeschichtlichen Iran-Wende". Iran sei nicht nur eine Gefahr für die eigenen Menschen, sondern durch Terroranschläge auch für den Rest der Welt. "Wenn jetzt nicht ein Umdenkprozess einsetzt und zwar parteiübergreifend, ja wann denn dann liebe Leute!" Das Ziel müsse sein, das Regime "maximal zu isolieren"
- Golineh Atai: Die Leiterin des ZDF-Studios in Kairo sieht in der Bindekraft der Proteste über ethnische, Alters- und Schichtengrenzen hinweg eine neue Dimension. "Wir brauchen auch in der Iranpolitik eine Zeitenwende", sagte die gebürtige Iranerin. Genau wie in der Russlandpolitik. Sie zweifelt daran, ob es beispielsweise im Auswärtigen Amt einen klaren Bruch gegeben hat mit bestimmten Iran-Experten, die die Regierung jahrelang falsch beraten hätten.
Das war der Moment des Abends bei "maybrit illner spezial"
Die iranische Fotografin Ghazall Abdollahi beteiligte sich an den Massenprotesten in Teheran und floh vor zwei Wochen nach Deutschland. Ihre Mutter sitzt seit zwei Jahren im berüchtigten Gefängnis "Evin" ein. Bei
Das war das Rededuell des Abends
Das Atomabkommen mit dem Iran: ein Mittel, um das Regime zu zähmen? Oder hat sich der Westen damit und durch wirtschaftliche Interessen einlullen lassen? Golineh Atai berichtete, dass sich viele Iraner auf den Straßen fragen würden: "Wieso haben die Europäer so ihre Werte verraten?" Omid Nouripour reagierte gereizt und unterbrach Maybrit Illner, um zu antworten: "Das kann ich so nicht stehen lassen". Die Europäer würden sich nicht mehr hinter dem Atomabkommen verstecken, sondern die Dinge jetzt klar ansprechen. Etwa, dass die Iraner Kriegspartei in der Ukraine sind.
Atai erneuerte ihre Kritik. Eine Millionen Barrel Öl würden täglich aus dem Iran nach China gehen. "Trotzdem schauen die Amerikaner weg, trotzdem schauen die Europäer weg". In ihren Augen ist in Sachen Sanktionen noch längst nicht alles ausgeschöpft. Nouripur erwiderte, dass der Westen solche Exporte ja schlecht verhindern könne.
So hat sich Maybrit Illner geschlagen
Ein sehr engagierter Auftritt der Gastgeberin, die besonders beim unpopulären Thema "atomare Bewaffnung Deutschlands" bei CDU-Chef Friedrich Merz geschickt nachhakte. Auf ihre Frage, ob wir perspektivisch eigene Atomwaffen benötigen würden, antwortete Merz erwartungsgemäß eher ausweichend und verwies auf die Schutzschirme der USA und – den womöglich künftigen – Frankreichs.
Auch Illners Einwand, warum der Iran denn auf Atomwaffen verzichten sollte, war plausibel. Sie verwies auf die Ukraine, die sich nach dem Ende der Sowjetunion im Tausch für Sicherheitsgarantien von den eigenen Nuklearwaffen verabschiedet hatte. "Wenn ein Land seine Atomwaffen hergibt", sagte Illner, "dann wird es von der Welt nicht belohnt."
Das ist das Fazit bei "maybrit illner spezial"
Absolute Härte oder noch absolutere Härte? Die Gäste im ZDF-Talk überboten sich am Ende fast damit, wer gegenüber dem Iran die härteste Kante zeigt. Friedrich Merz will den Iran so massiv unter Druck setzen, dass es nicht zum Bau der Atombombe kommen kann. Merz will, dass wir die Wirtschaftsbeziehungen beenden und härter auf Straftaten außerhalb des Irans – wie Morde oder Einschüchterungen gegen Oppositionelle – reagieren. Auch Omid Nouripour kündigte an, dass es Gespräche mit Teheran "auf absehbare Zeit nicht geben" könne.
Etwas irritierte Alice Schwarzer mit ihrem Schlussappell, Musliminnen in anderen Ländern sollten doch bitte aus Protest gegen das Mullah-Regime das Kopftuch abnehmen. Als Zeichen der Solidarität. Düzen Tekkal schüttelte mit dem Kopf. "Das sind keine Kopftuchproteste", rief sie Schwarzer zu.
Die Menschenrechtlerin entwarf abschließend eine positive Zukunftsvision. Iran, gemeint war wohl ein demokratischer Iran mit Bürgerrechten für alle, könnte neben Israel ein Modell für die Zukunft in der Region sein. Vielleicht sogar darüber hinaus. "Wir müssen verstehen, dass die Revolution etwas ist, was die ganze Welt mit befreien kann". Das Regime sei im Kern ideologisch gescheitert. "Das muss Europa endlich begreifen." So gesehen seien die gegenwärtigen Proteste auch eine "Riesenchance".
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