Wie reagieren auf die Flutkatastrophe in Deutschland? Wir sind eh schon auf dem richtigen Weg, nur weiter so – so lautet Armin Laschets Rezept bei "Maybrit Illner". TV-Star Eckart von Hirschhausen macht er damit so wütend, dass der Arzt seine gute Kinderstube fahren lässt.
Erleben wir gerade einen Fukushima-Moment? Die Unwetter in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind noch gar nicht ganz abgeklungen, zahlreiche Menschen werden noch immer vermisst, da wird schon über die politischen Folgen der Katastrophe diskutiert. Wird der Klimaschutz jetzt noch schneller umgesetzt, wie es Unions-Kanzlerkandidat
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Im Studio verteidigt nur ein Parteifreund die Einlassungen Laschets, unter dem Titel "Regenflut und Hitzerekorde – schutzlos in der Klimakrise?" machen sich ansonsten vor allem zwei Wissenschaftler Luft, die schon lange vor den Gefahren des Klimawandels warnen. TV-Star
Das sind die Gäste bei Maybrit Illner
Mehr Tempo im Klimaschutz, dieses Mantra wiederholt Armin Laschet (CDU) auch bei "Maybrit Illner". Aber: "Es muss praktikabel sein." Das bedeutet übersetzt vor allem, dass die Industrie mehr Zeit bekommt für die Umstellung: "Mein Ziel ist es, dass Deutschland ein Industrieland bleibt. Aber klimaneutral."
"Diese Priorisierung der Wirtschaft geht mir dermaßen auf den Sack", schimpft Mediziner und "Scientists for Future"-Mitglied Eckart von Hirschhausen. Die Klimakrise sei die größte Gefahr für die Gesundheit, meint der TV-Star.
Deutschland muss nun zwei Probleme gleichzeitig lösen, erklärt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: Einmal Emissionen senken, und zum anderen Anpassungen an den Klimawandel vornehmen: "Europa hat uns einen Rahmen gegeben, die Gelder sind da, es hapert bis jetzt daran, dass der politische Wille fehlt."
Christiane Hoffmann vom "Spiegel" registriert einen "Moment einer Bewusstseinsänderung". Das bedeute für Laschet: Er kann kein Kapital aus der Flut schlagen wie noch Gerhard Schröder anno 2002. "Die Wähler denken den Klimawandel mit – und die Rolle der CDU, die bisher immer gebremst hat."
Ganz anders sieht das natürlich der Klimaexperte der Union, Andreas Jung: "Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren entfesseln."
War das jetzt überhaupt der Klimawandel? Jein, sagt ZDF-Wetterexpertin Katja Horneffer. "Erst einmal ist das ein Wetterphänomen." Aber Extremwetter wie Dürre, Hagel oder eben Starkregen würden zunehmen – als Folge der Erderwärmung.
Das ist der Moment des Abends
Als "Wohlfühlkandidatur" bezeichnet "Spiegel"-Journalistin Hoffmann Armin Laschets bisherige Strategie im Wahlkampf. Und selbst im Angesicht der Katastrophe bleibt Laschet bei seinem berüchtigten Sowohl-als-auch: Verkehr, Industrie, Wachstum, alles soll weitergehen wie immer, nur eben klimaneutral, sozial verträglich sowieso, und natürlich schneller. Überhaupt habe die Groko schon "so viel geleistet im Senken von Co2-Emissionen wie keine Bundesregierung seit vielen Jahren", der Emissionshandel werde zu einem früheren Kohleausstieg führen als geplant, alles paletti also.
Nicht für die Wissenschaftler in der Runde. "Ich bin richtig wütend, weil ich sehe, wie Menschen leiden", sagt Eckart von Hirschhausen. Laschet unterstellt er implizit "Arroganz", wie auch allen anderen Politikern, die sagen, dass sie schon viel tun gegen den Klimawandel: "Das ist Bullshit."
Der Fehler liegt für Hirschhausen in einer "Wachstumsideologie, die krank ist", und zu "irreversiblen" Schäden führt, was der Mediziner mit einem Vergleich illustriert: Ein Ei, das einmal im heißen Wasser hart geworden ist, wird nicht wieder weich. "Unser Hirn ist bei 42 Grad im Arsch." Zu glauben, die Menschen könnten sich an Extrembedingungen gewöhnen, sei eine "Illusion", ein "rauskaufen" gebe es nicht: "Kein Mensch kann sich eine genehme Außentemperatur kaufen, nicht mal privat Versicherte, nicht mal Millionäre."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Die Ökonomin Claudia Kemfert hat vor 17 Jahren an einer Studie mitgearbeitet, in der die wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels für Deutschland ausgerechnet wurden. Interessiert hat das niemanden, erzählt Kemfert. Jetzt werde die Allgemeinheit die Kosten tragen – die geschätzt um den Faktor 15 zunehmen werden: "Der Klimawandel kostet enorm viel Geld, der Klimaschutz erspart uns das."
Anders als Eckart von Hirschhausen und Karl Lauterbach ist Kemfert aber nicht nur pessimistisch: Besonders beim Ausbau der Erneuerbaren Energie könne Deutschland in kürzester Zeit Strecke machen – wenn Laschets "Entfesselung" auch wirklich mal erfolge und Politiker übernehmen, die den Ausbau nicht blockieren.
"Spiegel"-Journalistin Hoffmann erinnert Kemfert allerdings an die politischen Realitäten: "Man muss schon schauen, wofür es parlamentarische Mehrheiten gibt." Hoffmann beobachtet vor allem Angst vor Veränderung und Mehrkosten, gut abzulesen an den Umfragedellen der Grünen, seit die Partei 16 Cent mehr für den Liter Benzin veranschlagt hat für ihre Klimapläne.
Im Gegenteil, meint Kemfert: Umfragen zeigten, dass Menschen der Klimaschutz wichtig sei – aber eben maximal das drittwichtigste Thema, hält Hoffmann dagegen. Wer recht hatte, wird sich in den nächsten Wochen weisen.
So hat sich Maybrit Illner geschlagen
In der letzten Sendung vor der Sommerpause noch so ein Stress: Kurzfristig ändert die Redaktion das Thema, natürlich die einzig richtige Entscheidung – wer hätte es verstanden, wenn die Runde an einem solchen Tag über die Außenpolitik nach der Ära Merkel diskutiert?
Das ist das Ergebnis
Kennen Sie das "fulminante Programm" der Klima-Union, von dem Ökonomin Claudia Kemfert schwärmt? Wahrscheinlich nicht, denn ins Wahlprogramm von CDU und CSU sind die meisten Vorschläge eben nicht eingeflossen, "hochproblematisch" findet das die Wissenschaftlerin.
Ob die Leerstelle noch problematisch für Armin Laschet wird? Das könnte sich zum Beispiel am 12. September erweisen, dann moderiert Maybrit Illner das Triell der Kanzlerkandidaten - also eine Variante des Duells mit drei statt zwei Kandidaten: mit drei von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen. Ihre Sendung geht am 26. August weiter, nach einer Sommerpause, in die sie sich recht launig verabschiedet: "Bleiben Sie knackegesund!"
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