Die Groko feierte bei Maybrit Illner ihre Erfolge bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Die Harmonie zwischen Markus Söder von der CSU und dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz störte eine Eventplanerin auf Hartz IV. Und die Gastgeberin mit ihren diesmal ausgesprochen bohrenden Nachfragen.
Mit dem Kurzarbeiter- und Überbrückungsgeld sowie Soforthilfen hat die Bundesregierung einige Instrumente geschaffen, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft abzumildern.
- Aber helfen die Maßnahmen im Einzelfall tatsächlich weiter?
- Droht uns eine große Pleitewelle mit stark ansteigenden Arbeitslosenzahlen?
- Wird die Pandemie am Ende gar mehr den Wohlstand gefährden als die Gesundheit?
Das waren die Gäste bei Maybrit Illner
Markus Söder (CSU, Ministerpräsident Bayern, Parteivorsitzender): Aus Sicht des bayerischen Ministerpräsidenten von der CSU ist Deutschland bislang gut durch die Krise gekommen, aber wir "sollten uns die Entwicklung auch nicht schönreden". Wird es einen zweiten Lockdown geben? "Ziel ist es, das nicht zu machen." Die Priorität sei es, die Wirtschaft, Schulen und Kitas am Laufen zu halten. Auf Illners latenten Vorwurf, er würde durch seine Warnungen vor einer zweiten Welle Angst schüren, obwohl es aktuell nicht mal 300 Intensivpatienten mit COVID-19 gibt, ging Söder nicht wirklich ein.Olaf Scholz (SPD, Bundesfinanzminister und Vizekanzler): Auch der Bundesfinanzminister von der SPD lobte die aus seiner Sicht gute Arbeit der Bundesregierung, das Land sei gut durch die Krise gekommen. Da war die Groko ganz auf Linie. "Es wird Unternehmen geben, die es wirtschaftlich nicht überleben", gab Scholz zu, aber im Großen und Ganzen habe man die Volkswirtschaft stabilisiert.- Sandra Beckmann (Messe- und Eventplanerin): Das positive Selbstbild der Groko-Fraktion wurde durch die Aussagen der Messe- und Eventplanerin beschädigt, denn Beckmann lebt nach dem Einbruch ihrer Geschäftsgrundlage aktuell von Hartz IV. 120.000 Euro Umsätze hat sie bislang in der Krise verloren. Die Kritik: Manche Hilfsmaßnahme gehe "an der Realität vorbei", und Hilfen würden in ihrer Branche anders als in der Automobilindustrie "nicht zielgerichtet" ankommen. Und Besserung sei nicht in Sicht. "Das, was erlaubt ist, ist unwirtschaftlich." Und der Herbst steht ja erst vor der Tür.
- Klaus-Dieter Zastrow (Honorarprofessor für Hygiene an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen): Der Honorarprofessor rechnet nicht mit einem zweiten Lockdown. Der Grund liegt für ihn auf der Hand: "Jetzt haben wir die Maske." Zastrow sprach sich zudem für tägliche Munddesinfektion aus, um die Viruslast zu senken. Unverständnis äußerte er darüber, dass die Corona-Regeln wie das Maskentragen in einigen Restaurants kaum befolgt würden. Da müsse der Staat genauer hinsehen. "Da verstehe ich auch die Ordnungsbehörden nicht."
- Karl Haeusgen (VDMA-Vizepräsident, Aufsichtsratsvorsitzender HAWE Hydraulik SE in München): Der Vizepräsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer lobte vor allem die Kurzarbeit als "Riesenhilfe" für die Wirtschaft. Dennoch nannte es auch Haeusgen "höchst bedauerlich, dass einige Hilfen "nicht zielgerichtet ankommen." Etwas überraschend war seine Meinung zu den Corona-Einschränkungen im März und April. Was wir in Deutschland hatten, sei "kein Lockdown gewesen", erklärte der Unternehmer. Schließlich habe die Wirtschaft im Gegensatz zu anderen Staaten wie Italien nicht völlig still gestanden.
- Monika Schnitzer (Professorin für Komparative Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und seit April 2020 Mitglied des Sachverständigenrates): Schnitzer rechnet weder mit einer großen Pleitewelle, noch mit Arbeitslosenzahlen, die wesentlich über drei Millionen hinaus gehen werden: "Ganz so düster wird es nicht aussehen." Aus ihrer Sicht würden manche Unternehmer in Umfragen eher sagen, es gehe ihnen schlecht, "weil sie mehr Geld von Herrn Scholz haben wollen". Ihre Forderungen: Mehr Klimaschutz, mehr Frauen in Führungspositionen und alles verhindern, was den Strukturwandel aufhält.
Was war der Moment des Abends?
Es war das Schicksal von Eventplanerin Beckmann, das bei Maybrit Illner am meisten bewegte. Eben noch eine erfolgreiche Geschäftsfrau, nun quasi vor dem Nichts stehend. "Diese Soforthilfen helfen gerade nicht, weil das, was an Betriebskosten da ist, wird eigentlich nicht in Fülle anerkannt", lautete ihr bitteres Fazit.
Was war das Rededuell des Abends?
Weniger Empathie kam in dieser Hinsicht von VDMA-Vize Haeusgen. Er fragte sich, ob es die Aufgabe des Staates sei, für das "inhärente Risiko eines solchen Geschäftsmodells einzustehen". Gemeint waren Solo-Selbstständige, die von der Krise besonders betroffen sind. Eventplanerin Beckmann quittierte diese Ellenbogen-Aussage mit reichlich Unverständnis.
Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?
Ordentlich. Mit kritischen Nachfragen setzte sie Söder und Scholz unter Druck. Ob Söder ein "Zacken aus der Krone" brechen würde, wenn er wie Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU sagen würde, mit dem Wissen von heute hätte man manche Maßnahme im Frühjahr nicht ergriffen? "Es geht hier nicht um Kronen oder Zacken", antwortete Söder. Von Selbstkritik keine Spur.
Mit Blick auf Eventplanerin Beckmann fragte Illner schließlich Scholz. "Wenn man jemanden zum Nichtstun verurteilt, muss dann mehr übrig sein als Hartz IV?" Auch hier war die Antwort unbefriedigend. Zumindest fand Scholz einige persönliche Worte Richtung der Betroffenen, die authentisch wirkten.
Was ist das Ergebnis?
Der Erkenntnisgewinn hielt sich bei Maybrit Illner in Grenzen.
- Die Maßnahmen der Politik gegen die wirtschaftlichen Folgen? Müssen je nach Sichtweise an der einen oder anderen Stelle nachjustiert werden.
- Die große Krise? Scheint nicht bevor zu stehen.
- Einen zweiten Lockdown? Will natürlich keiner. Lokale begrenzte Maßnahmen sollen in Zukunft das Allheilmittel sein.
Die Versuche der Moderatorin, die beiden Groko-Vertreter mit Fragen aus der Reserve zu locken, ob die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie nicht übertrieben gewesen seien, liefen leider ins Leere.
Zumindest eine Prise Selbstkritik hätte der Sendung gut getan. So blieb es ein Abend, an dem Söder und Scholz immer wieder betonten, dass sie es vergleichsweise ordentlich gemacht haben und sich verbal zuprosteten. Leider hatte es die Redaktion versäumt, einen Gegenspieler einzuladen.
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