Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind in über 60 deutschen Städten ab sofort Fahrverbote für Dieselfahrzeuge erlaubt. Dieselbesitzern drohen erhebliche Mehrkosten, weil sich die Automobilindustrie weigert, Nachrüstungen für manipulierte Pkw zu bezahlen. Bei Maybrit Illner hatte ihr Cheflobbyist einen schwachen Auftritt.
Für Jürgen Resch, den Vorsitzenden der Deutschen Umwelthilfe, ist die Sache klar. Die Automobilindustrie hat den Verbrauchern seit Jahren manipulierte Dieselfahrzeuge verkauft und ist damit maßgeblich für die erhöhten Schadstoffwerte in deutschen Städten verantwortlich.
"Wenn die Autos so sauber gewesen wären, wie behauptet, hätten wir das Problem überhaupt nicht", sagte er bei Maybrit Illner. Resch spricht von Betrug. Um das Problem, also die Schadstoffbelastung, zu verringern, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nun grünes Licht für Fahrverbote in über 60 deutschen Städten gegeben.
Für Dieselbesitzer ist das doppelt bitter: Sie müssen mit einem Wertverlust ihrer teils brandneuen Wagen leben - und könnten auch noch auf den Kosten für die teure Nachrüstung mit Filtern sitzen bleiben.
Resch, Klaus Müller von der Verbraucherzentrale Deutschland und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) forderten die Autobauer daher auf, die Ausgaben in Höhe von 1.500 bis 3.000 Euro je Auto zu übernehmen. Betroffen wären laut Hendricks 6,5 Millionen Euro-5-Diesel.
"Betrugskartell der Auto-Industrie"
Bernhard Mattes vom Verband der Automobilindustrie zeigte sich nicht kompromissbereit. Die Autobauer sagen, schon mit Software-Updates und einem Maßnahmenpaket, etwa der Optimierung von Ampelschaltungen, ließen sich die Schadstoffwerte senken.
"Ich bin überzeugt, dass wir mit dem Maßnahmenpaket die Werte einhalten können, ohne Nachrüstungen", sagte er. Resch von der Umwelthilfe schaute bei den Ausführungen seines Nebenmannes ungläubig drein.
Er behauptete, die Softwareupdates wären unter einer Temperatur von 15 Grad wirkungslos und sprach vom "Betrug am Verbraucher", von einem "Betrugskartell der Autoindustrie" und dem "Würgegriff der Automobilindustrie", aus dem sich die Bundesregierung befreien müsse.
Doch Mattes blieb dabei: "Es gab keinen Betrug." Die Autos seien legal zugelassen worden. Freilich mit manipulierter Software, die Umweltfreundlichkeit nur vorgaukelte. Ein inhaltlich schwacher Auftritt des Auto-Lobbyisten, der zugegeben einen schweren Stand in der Runde hatte.
CDU-Politiker mahnt zu "Maß und Mitte"
Zumindest
"Ich würde zu Maß und Mitte mahnen", sagte Althusmann in Richtung Resch. Das bewog den Chef der Umwelthilfe, dessen Verein vor dem Leipziger Gericht geklagt hatte, zu der spitzfindigen Frage: "Spreche ich mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten von Niedersachsen oder dem Vertreter von VW?"
Althusmann sitzt im Volkswagen-Aufsichtsrat. An dieser Stelle applaudierte das Publikum so kräftig wie am ganzen Abend nicht. Und auch an den kritischen Nachfragen
Selbst Althusmann forderte zaghaft: "Die Automobilindustrie muss ihren Teil dazu beitragen, das Problem zu lösen."
Ausnahmen für Handwerker, Händler und Pflegedienste
Umweltministerin Hendricks versuchte die Verbraucher zu beruhigen: Es werde sicher keine flächendeckenden Fahrverbote geben. Zudem dürften Ausnahmen für Handwerker, Händler oder Pflegedienste möglich sein.
Verbraucherschützer Müller mahnte die Verantwortlichen, dass die Menschen mit einem kleinen Portemonnaie keinesfalls auf den Kosten für Hardware-Nachrüstungen sitzen bleiben dürften. Und auch der Staat sollte mit Steuergeldern nicht für das Fehlverhalten der Automobilindustrie haften. "Es gibt eine klare Verantwortung der Hersteller", sagte er.
Auto-Lobbyist Mattes blieb eisern. Mehr als ein müdes Lächeln entlockten ihm diese Forderungen nicht. Kein Wunder: Weiß er mit Politikern wie Althusmann oder Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der im Dieselskandal für seinen zahmen Umgang mit der Industrie kritisiert wurde, doch starke Fürsprecher an seiner Seite. Die Zeche zahlen nach jetzigem Stand - die Verbraucher.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.