Die Regierung sucht nach einem Weg, um die Haushaltskrise zu lösen. Für CDU-Chef Friedrich Merz geht das nur übers Sparen, SPD-Chefin Saskia Esken will mehr Schulden machen. Auch in einem weiteren Punkt gerieten die Vorsitzenden aneinander. Journalist Robin Alexander bewog Merz zu einem Eingeständnis – und fiel durch einen fragwürdigen Afrika-Vergleich auf.

Eine Kritik
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Das war das Thema bei "Maybrit Illner"

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts befindet sich die Ampel-Regierung in einer Haushaltskrise. Das Gericht hatte festgestellt, dass 60 Milliarden nicht abgerufene Euro zur Bewältigung der Coronakrise nicht in den Klima- und Transformationsfonds hätten fließen dürfen.

Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Bürgern verspricht, dass sie von der finanziellen Notlage nichts spüren werden, haben im Hintergrund fieberhafte Diskussionen begonnen: Soll die Schuldenbremse aufgeweicht werden? Oder muss die Regierung den Rotstift ansetzen und bei den Ausgaben sparen? Über diese und weitere Fragen diskutierte Maybrit Illner am Donnerstagabend mit ihren Gästen. Das Thema: "Ampel in Notlage – ohne Geld, ohne Vertrauen?"

Das waren die Gäste

  • Friedrich Merz: Der CDU-Parteivorsitzende kann sich Neuwahlen zum Bundestag am Tag der Europawahlen am 9. Juni gut vorstellen. Ob er dann selbst Kanzlerkandidat werden würde? "Das entscheidet die CDU zum richtigen Zeitpunkt." Merz attestierte der Regierung wie FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner ein Ausgabenproblem und setzte auf einen Sparkurs. Die Schuldenbremse will Merz jedenfalls nicht gemeinsam mit der Regierung aufweichen. Denn schon mit der jetzigen Schuldenbremse könne Deutschland 22 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufnehmen, so Merz.
  • Saskia Esken: Die SPD-Parteivorsitzende ist aufgrund der fortdauernden Krisen dafür, auch für 2024 noch einmal eine Haushaltsnotlage zu erklären, um neue Schulden aufnehmen zu können. Sie kündigte für nächste Woche eine Entscheidung über den Haushalt für 2024 an, in dem nach dem Verfassungsgerichtsurteil eine Finanzlücke von 17 Milliarden Euro klafft. Zu konkreten Sparvorschlägen wollte sich die SPD-Chefin nicht äußern. Esken musste eingestehen, dass die SPD-Spitze zunächst nichts vom Ende der Strom- und Gaspreisbremsen zum Jahresende gewusst hatte. Es gab aber eine Absprache zwischen Christian Lindner, der das Aus öffentlich verkündete, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
  • Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen): Die Bundestagsvizepräsidentin befürwortet eine Reform der Schuldenbremse, um den riesigen Investitionsstau im Land anzugehen. Man müsse die "Schuldenbremse öffnen, um zu stabilisieren", so Göring-Eckardt. Friedrich Merz' Vorschlag, das Heizungsgesetz wieder abzuschaffen, findet sie dagegen "wirtschaftlich und sozial nicht verantwortbar". Die Leute hätten dann später den Schaden, wenn sie auf Ölheizungen mit immer teurer werdenden fossilen Energien sitzen, argumentierte die Grünen-Politikerin.
  • Prof. Lars Feld: Der Ökonom und Berater von Finanzminister Christian Lindner will sich von der Schuldenbremse "nicht abbringen" lassen. Er plädierte stattdessen dafür, unnötige Subventionen zu überdenken, Überregulierung abzubauen und die Steuerlast für Unternehmen zu senken, um die Standortattraktivität Deutschlands zu erhöhen. Dass die USA oder China ihre Wirtschaft massiv mit Investitionen stützen, ist für Feld kein Vorbild. Nur in pragmatischen Situationen wäre der "ordnungspolitische Schweinkram", wie er Subventionen nannte, okay. Konkret wird gerade um die finanzielle Förderung für die geplanten Chipfabriken in Dresden und Magdeburg debattiert.
  • Robin Alexander: Der Chefredakteur der "Welt" prangerte einen "seltsamen Begriff von Sparen" in der jetzigen Regierung an. Der Bundeshaushalt sei ein Drittel höher als zuletzt unter Altkanzlerin Angela Merkel (CDU). Trotzdem tun sich SPD und Grüne schwer, konkrete Sparvorhaben zu benennen. Laut Alexander sind vor allem die sogenannten konsumtiven Ausgaben, also die Fixkosten im Haushalt, etwa für Sozialausgaben oder Rente, zu hoch. Dies engt den Spielraum für Investitionen ein.

Beim Auftritt des eloquenten Politik-Beobachters blieb ein fragwürdiger Vergleich hängen. Alexander kritisierte einen problematischen Berliner Landeshaushalt vor etwa 20 Jahren unter Beteiligung des heutigen Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU). Der Haushalt, "der war ungefähr so zwischen Griechenland und Zimbabwe". Das brachte ihm ein paar billige Lacher. Dass beim Spott über dysfunktionale Erscheinungen in Deutschland gerne mal vermeintlich exotisch klingende Länder aus Afrika genannt werden, um das eigene Argument zu garnieren, offenbart allerdings eine zumindest in Teilen überhebliche Weltsicht.

Das war der Moment des Abends

In einem anderen Teil der Sendung war Alexanders Argumentation dann wieder wie ein warmes Messer, das durch Butter hindurch glitt. Er widersprach Friedrich Merz ausdrücklich, der die derzeitige Haushaltskrise als Staatskrise bezeichnet hatte. In Deutschland sei die Lage aber nicht vergleichbar mit Argentinien, erklärte Alexander. Dort herrschen mit einer Armutsrate von 40 Prozent für einen Großteil der Bürger existenzbedrohende Zustände, Gehälter können nicht gezahlt werden. Alexander: "Wir sind in einer veritablen Regierungskrise." Da musste selbst Merz etwas kleinlaut zugeben: "Da hat er Recht"

Das war das Rededuell des Abends

Saskia Esken war angesichts der wiederholten Kritik von Friedrich Merz am reformierten Bürgergeld, das enorme Kosten für den Haushalt verursache, sichtlich genervt. "Warum haben Sie dem Bürgergeld zugestimmt?", wollte sie wissen. Merz widersprach. Die Union habe nur im Vermittlungsausschuss einem Kompromiss zugestimmt, um wenigstens "das Prinzip Fördern und Fordern" im Gesetz zu verankern. "Sie haben doch im Bundestag zugestimmt!", wiederholte Esken. Beide fielen sich nun gegenseitig ins Wort. Man habe der Anhebung des Bürgergeldes nicht zugestimmt, so Merz. "Nein, nein, nein, Herr Merz", rief Esken. Der redete dazwischen. "Wir haben nur der Anhebung des Regelsatzes in der Sozialhilfe zugestimmt. Das war auch richtig."

Söder

Haushaltskrise: Söder fordert Neuwahl

Die Bundesregierung steckt in einer Haushaltskrise. Nun fordert CSU-Chef Markus Söder eine vorgezogene Neuwahl parallel zur Europawahl im Juni kommenden Jahres. (Bildcredit: picture alliance/dpa | Daniel Karmann)

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Schuldenbremse, Haushaltsnotlage, Subventionsabbau: In einer Sendung, die viel finanzpolitisches Hintergrundwissen erforderte, behielt die Gastgeberin immer den Überblick und einen kühlen Kopf. Beim Interview mit Ökonom Feld zeigte sie sich von ihrer charmanten Seite. Aus ihm, also Feld, spreche ja gewissermaßen sein Boss Christian Linder. Ob er nicht verraten könne, wo die FDP am ehesten den Rotstift ansetzen würde, um den Haushalt ins Lot zu bringen? Es gebe da verschiedene Steuervergünstigungen, sagte Feld schmunzelnd, "wo die FDP etwas tun kann". Konkreter wollte er nicht werden. "Herr Feld, Sie haben noch eine Chance, Sie werden berühmt heute Abend", appellierte Illner – und Merz ergänzte lachend: "Oder arbeitslos!"

Das ist das Fazit - Friedrich Merz' Eingeständnis

Mütterrente abschaffen? Das Bürgergeld zusammenkürzen? Subventionen streichen? Oder gar die Rente mit 63 aufweichen? An Sparvorschlägen mangelte es im ZDF-Donnerstagstalk wahrlich nicht. Ein Vorschlag in der Runde: Jede Partei muss eines ihrer Lieblingsprojekte beerdigen. Aber wollen die Partner das ihren Wählern wirklich zumuten – oder wird es am Ende auf Druck von SPD und Grünen doch auf ein Aufweichen der Schuldenbremse hinauslaufen? Darauf konnte die 60-minütige Sendung erwartungsgemäß keine Antworten liefern.

Gut war, dass die ganz große Krisenstimmung und Panikmache, wie unmittelbar nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, schon ein wenig abgeklungen sind. Nun überwiegt ein lösungsorientierter Ansatz. Selbst Merz musste gleich zu Beginn einräumen, dass er mit dem Wort von der Staatskrise zu dick aufgetragen hatte. Damit gab er den Takt zur Sendung vor – und hoffentlich auch für die politische Auseinandersetzung in den kommenden Wochen. Denn das Dauergerede vom Krisenzustand oder dessen Hochjazzen hilft am Ende wohl am meisten einer Partei: der AfD. Und das können weder die Regierung noch die Union wollen. Es war wohl kein Zufall, dass die Rechtsaußenpartei bei Maybrit Illner nicht einmal mit Namen genannt wurde.

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