Maybrit Illner diskutierte am Donnerstag mit ihren Studiogästen über die Situation der Ukraine. Wie lange kann das angegriffene Land so noch weitermachen? Hält die Unterstützung des Westens die Ukraine nur am Leben, verhilft aber nicht zum Sieg? Als Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann (FDP) erklärte, warum Deutschland den Taurus nicht liefert, reagierte das Studio mit Verwunderung bis Empörung.
Seit Donnerstag beschlossene Sache: Nachdem der ungarische Regierungschef seine Blockade-Haltung aufgegeben hatte, beschloss die EU zum Ende der Woche ein Hilfspaket in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Ukraine. Die Unterstützung soll in den kommenden vier Jahren gezahlt werden.
Der Bundeskanzler appellierte dennoch an mehr militärische Unterstützung durch die Mitgliedsstaaten. Doch tut Deutschland selbst genug?
Das ist das Thema bei "Maybrit Illner"
Was würde das für Deutschland bedeuten? Wie könnte sich die Haltung der USA unter Trump als Präsidenten ändern? Auf den Tisch kam auch der Streit um den Taurus und die Gründe für
Das sind die Gäste
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): "Putin hat immer wieder gesagt, es ist eine Zeitfrage. Er kennt Europa, er kennt die Schwäche einer Demokratie – nämlich konsequent dabeizubleiben", erinnerte die Verteidigungspolitikerin. Derzeit befinde man sich in einer Phase, wo die internen Diskussionen beginnen würden. "Ein fatales Zeichen", so die FDP-Politikerin.Manfred Weber (CSU): "Wenn jetzt im Dezember die Europäische Union im Krieg die Zusage gibt, ihr dürft Mitglied der Europäischen Union werden, ihr dürft Mitglied unserer Gemeinschaft werden, ist das für die Ukrainer ein gewaltiges Symbol – es lohnt sich zu kämpfen, dass ihr auch so leben dürft, wie Slowaken leben, wie Ungarn leben, wie Rumänen leben", befand der Parteivorsitzende der Europäischen Volkspartei. Das sei psychologisch sehr wichtig. Deutschland sei keine Kriegspartei, aber "wir sind Kriegsziel aus Putins Sicht", warnte er.- Ursula Schröder: Die wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik sagte: "Was wir sehen, ist, dass die Ukraine in einem strategischen Limbo relativ alleine gelassen wird". Auch mehr Waffenlieferungen würden nicht ersetzen, dass die westliche Allianz sich dazu verpflichten müsse, in Zukunft stärker politisch, ökonomisch und militärisch zu unterstützten. "Die Ukraine weiß gerade nicht, auf welcher Basis sie handeln kann und auf was sie sich verlassen kann", so Schröder.
Claus Kleber : "Das ist eine dringend notwendige Finanzspritze, aber bei weitem nicht etwas, was man feiern könnte", so der ehemalige ZDF-Moderator über die beschlossenen 50 Milliarden Euro für die Ukraine von der EU. Es sei nur dem weitgehenden Versagen der russischen Armee zu verdanken, dass die Lage derzeit nicht viel schlimmer aussehe für die Ukraine.- Frank Sauer: Der Experte für Sicherheitspolitik an der Universität der Bundeswehr in München meinte: "Die Lernkurve ist zu flach." Deutschland habe in seiner Ukraine-Politik ein Verhältnis von 40 zu 60 in Sachen Entschlossenheit und Besonnenheit. "Man müsste es umdrehen", sagte Sauer. Deutschland habe bereits jetzt viel geliefert und daran sei es nicht eskaliert. "Wir sollten weg von dieser Einzelwaffendiskussion", forderte er. Der Taurus wäre eine "sehr willkommene Fähigkeit" für die Ukraine.
Das ist der Moment des Abends bei "Maybrit Illner"
Putin fange an, mit dem Feuer zu spielen, was die Nato betrifft, warnte Strack-Zimmermann. Wenn man plötzlich ein russisches Kampfflugzeug über der Ostsee abfange oder eine ferngelenkte Rakete einen Schlenker um Polen mache, dann seien das Werkzeuge, um zu gucken: "Was macht eigentlich die Nato? Wann reagiert sie? Oder lassen sie das zu?"
Deshalb seien die Signale, die man Putin beispielsweise mit Debatten über Waffenlieferungen sende, so bedeutend. "Wir diskutieren ja nicht im luftleeren Raum – Putin bekommt das alles mit", erinnerte sie. Der Krieg sei transparent und Debatten würden zu direkten Reaktionen auf dem Schlachtfeld führen.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Illner fragte Strack-Zimmermann über das Zögern des Kanzlers in der Taurus-Diskussion: "Warum wird dieses System verhindert? Ist das eine Angst vor einer atomaren Eskalation, ist das die Sorge davor, dass wenn Putin tatsächlich gehen müsste, dass dann Russland zerfiele und so ein Chaos nach einem Sturz von Putin entstünde? Was glauben Sie, steckt dahinter?"
Strack-Zimmermann entgegnete: "Ich glaube, dass die Antwort viel simpler ist. Wir haben lange über die Lieferung der unterschiedlichen Panzertypen diskutiert, dann wurde geliefert. Das hat der Bundeskanzler als unbotmäßig empfunden. Dann kamen weitere Wünsche, dann kam wieder eine Diskussion. Ich glaube schlicht, dass er es nicht will, weil er es nicht will."
Die Runde stutzte. Das möge profan klingen, gab die FDP-Politikerin zu. "Ich habe ihn auch gefragt bei der Bundeswehr-Tagung, ob es eine Strategie gibt, was machen wir eigentlich und reagieren eben nicht nur auf Wünsche", ergänzte sie.
Da meldete sich Weber zu Wort: "Frau Strack-Zimmermann, Sie vertreten diese Regierung. Wenn Sie heute sagen, der deutsche Bundeskanzler will einfach nicht, das kann doch nicht wahr sein!" Strack-Zimmermann blieb nur noch eins: darauf hinzuweisen, dass der Kanzler das letzte Wort habe – man könne ihn nur immer wieder bitten.
So hat sich Maybrit Illner geschlagen
Illner gelang eine solide Sendung – traf aber auch auf eine dankbare Zusammensetzung der Studiogäste, die sich ohne viel Zutun der Moderatorin von Analyse zu Analyse hangelten. Kluge Fragen der Moderatorin waren zum Beispiel: "In Worten sind alle immer für die Ukraine und dann denkt man am Ende doch mehr an sich selbst?" oder "Werden noch mehr Waffen an dieser Situation etwas entscheidend ändern?".
Schade nur, dass sie bei der Frage nach der ausbleibenden Taurus-Lieferung nicht noch weiter nach den Gründen für die Zurückhaltung bohrte. Ein "der Kanzler will einfach nicht" fällt schwer zu akzeptieren.
Das ist das Ergebnis
Die Sendung lief lange Zeit unter der falschen Überschrift – denn in der ersten Hälfte der Sendung ging es überhaupt nicht um die USA. Als Illner dann auf eine mögliche Trump-Wiederwahl zu sprechen kam, konstatierte Journalist Kleber direkt: "Die Amerikaner werden den nicht ein zweites Mal wählen." Durch die Vorwahlen sei ein völlig falsches Bild entstanden. Das brachte einen logischen Bruch in die anschließenden Fragen.
Die Quintessenz war dennoch dieselbe: Europa muss sich endlich um seine eigenen Probleme kümmern – auch unter einem demokratischen Präsidenten. Dafür muss die EU ihre Außenpolitik nicht vom einzelnen Staat her denken – sondern Deutschland muss sich auch dafür interessieren, was im Süden Spaniens oder Osten Griechenlands passiert.
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