Deutschland und Frankreich werben für eine neue europäische Industriepolitik mit mehr staatlichen Eingriffen. Bei Maybrit Illner entwickelte sich eine fesselnde Debatte, in der sogar ein CDU-Minister und eine Linkspartei-Politikerin Gemeinsamkeiten entdeckten.
US-Präsident
Eine schwierige Ausgangslage für die europäischen Volkswirtschaften. Nun soll eine neue Strategie Abhilfe schaffen.
Was ist das Thema?
Deutschland und Frankreich wollen mit einer gemeinsamen Industriepolitik und der Schaffung europäischer Großkonzerne verlorenen Boden auf China wettmachen. Eine Strategie, die auch gegen die protektionistische Politik der USA helfen soll.
Kritiker verdammen die Pläne von Bundeskanzlerin
Was ist das Rezept, um die europäische Industrie zu schützen? Was kann die EU tun, um nicht zwischen den beiden Großmächten den Kürzeren zu ziehen?
Wer sind die Gäste?
Karl Haeusgen: Der Vizepräsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) verteidigte die harte Vorgehensweise Donald Trumps gegenüber China. "In der Sache hat er in vielen Dingen, die er gegenüber China vorbringt, Recht." Haeusgen forderte von Peking, endlich ein sogenanntes "level playing field" herzustellen. Chinesische Investitionen oder Übernahmen sind in der EU viel leichter möglich, während sich China verschließt. Für Altmaiers Initiative fand der Unternehmer warme Worte.
Sahra Wagenknecht: In den Augen der Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag muss Europa unabhängig bleiben und sich weder der USA, noch China unterordnen. Die Abhängigkeit der deutschen Digitalwirtschaft von den "fünf großen Datenkraken im Silicon Valley" nannte sie "fahrlässig". Für Wagenknecht ist Altmaiers Initiative "sicherlich keine Planwirtschaft à la DDR". Sie wies darauf hin, dass selbst die USA ihre Firmen im Silicon Valley einst mit Milliarden Dollar an Staatsgeldern hochgezüchtet hätten.
Sandra Navidi: Donald Trumps wirtschaftspolitisches Vorgehen basiere auf persönlichen Ressentiments oder Fehlanalysen, kritisierte die US-Unternehmerin und Autorin. "Es ist nicht ganz ersichtlich, nach welcher Strategie Donald Trump vorgeht." Auch sie verteidigte das staatliche Eingreifen in die Wirtschaft. "Das muss nicht unbedingt protektionistisch sein, wenn man die eigene Industrie in einen gewissen Rahmen gießt. Ich finde es wichtig, dass da die Weichen gestellt werden", sagt Navidi.
Felix Lee: Der China-Experte der TAZ wies auf die "sehr angespannte" Stimmung in der chinesischen Wirtschaft hin. Es gebe neben der Politik der USA aber auch viele hausgemachte Probleme. Die deutsche Bundesregierung kritisierte er für ihre zaghafte Investitionspolitik. Allein die chinesische Hauptstadt gibt nach seinen Angaben für einen Technologiepark mehr aus als die drei Milliarden, die die Bundesregierung in den nächsten drei Jahren für Digitalisierung eingeplant hat.
Was war das Rededuell des Abends?
Der Staat habe zugesehen, wie die deutsche Solarindustrie, die auch in einigen strukturschwachen ostdeutschen Regionen verankert war, den Bach runter gegangen ist, beklagte Sarah Wagenknecht.
Der Grund: Die Branche war nicht wettbewerbsfähig gegenüber den staatlich geförderten chinesischen Unternehmen und ihren Dumpingpreisen.
Da schüttelte Altmaier mit dem Kopf. "Jetzt muss ich gegen die Geschichtsklitterung doch vorgehen", sagt er, während VDMA-Boss Haeusgen lachte. Wagenknecht erwiderte lautstark: "Nein, Herr Altmaier. Das war ein Riesenfehler!"
Doch der Wirtschaftsminister legte nach. Er erklärte, dass er damals den Unternehmen vorgeschlagen habe, sich zu einem Konsortium zusammenzuschließen, um Kräfte zu bündeln. Doch die Solar-Unternehmen lehnten ab. "Zwei Jahre später waren alle tot", so Altmaier. Sarah Wagenknecht sagte dazu nichts mehr.
Was war der Moment des Abends?
Felix Lee verteidigte den chinesischen Telekommunikationsriesen Huawei gegen Vorwürfe der Industriespionage und gab zu Bedenken: "Die einzigen, denen bisher Industriespionage nachgewiesen werden konnte, waren die Amerikaner."
Ein Hinweis auf das seiner Meinung nach überkritische China-Bild in vielen europäischen und nordamerikanischen Staaten.
Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?
Die Gastgeberin zeigte sich von ihrer humorvollen Seite. "Herr Altmaier!", rief sie einmal fast oberlehrerhaft zum Minister, als er dazwischen reden wollte. Da musste auch Altmaier schmunzeln.
Und als der CDU-Mann später aus der Broschüre seiner "Nationalen Industriestrategie 2030" zitieren wollte, bläffte
Was ist das Ergebnis?
Eine neue europäische Industriepolitik, die von Deutschland und Frankreich getragen wird und staatliche Eingriffe gelassener sieht: Ist das die Lösung, um den Herausforderungen durch die USA und China besser zu begegnen?
Für Linken-Politikerin Wagenknecht nur dann, wenn eine solche Politik mit besseren Standards bei Umwelt und Arbeitnehmerrechten verknüpft ist. Zudem freute sie sich, dass nun "auch im Wirtschaftsministerium anerkannt wird, dass der Markt nicht alles richtet".
Staatliche Eingriffe – für Unternehmer Haeusgen bleiben sie ein rotes Tuch, trotz seiner teils lobenden Worte für Altmaier. "Bitte vertrauen Sie der Schwarmintelligenz der gut strukturierten deutschen Wirtschaft", gab er dem Minister mit auf den Weg.
Der muss noch an anderer Stelle viel Überzeugungsarbeit leisten, denn EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager lehnt eine Lockerung der Wettbewerbsregeln zugunsten von Groß-Fusionen bisher ab.
Auch von deutschen Spitzenökonomen hagelte es Kritik. Altmaier kündigte weitere Diskussion an, auch mit den Chinesen. Bleibt zu hoffen, dass Europa nicht ewig um seinen Kurs ringt, während die Großmächte ihre Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der EU vorantreiben.
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