Der Hackerangriff eines 20-Jährigen auf Politiker und Prominente vermieste den rund 1.000 Betroffenen den Jahresbeginn. Bei Maybrit Illners Talkauftakt wurde deutlich: Perfekten Schutz gegen Online-Attacken gibt es nicht. Eine Expertin zog ein besonders düsteres Fazit der digitalen Zukunft.
Telefonnummern, Adressen, Chatverläufe: Ein 20-Jähriger aus Hessen hat im Dezember sensible Daten von rund 1.000 Menschen, darunter zahlreiche Spitzenpolitiker, im Internet veröffentlicht.
Die Aufregung ist umso größer, weil der mutmaßliche Täter kein hochprofessioneller Hacker ist. Er handelte offenbar alleine aus dem heimischen Kinderzimmer im Haus seiner Eltern.
Was ist das Thema?
Der Datenklau trifft eine zunehmend digitalisierte Gesellschaft an einer empfindlichen Stelle, denn nicht nur die oft unsicheren Passwörter vieler Bürger sind durch die Tat wieder in den Fokus geraten.
Auch Wahlkämpfe könnten durch Manipulationen in den sozialen Netzwerken zunehmend beeinflusst werden. Neuerdings ist es sogar möglich, Video-Sequenzen mit Falschaussagen täuschend echt nachzustellen.
Was kann der Einzelne gegen Kriminelle im Netz tun? Und wie groß ist die Gefahr für unsere Demokratie, wenn Politik und Privatleben derart manipulierbar sind?
Wer sind die Gäste?
Stephan Mayer: Der CSU-Politiker lobte die Arbeit der Sicherheitsbehörden und die Verhaftung des mutmaßlichen Täters als "Glanzleistung". Zugleich mahnte der Staatssekretär von Innenminister
Schließlich forderte Mayer von den Bürgern mehr Eigenverantwortung, etwa bei der Passwortsicherheit. Der Staat könne nicht zu 100 Prozent vor Hackerangriffen schützen.
Anke Domscheit-Berg: Die parteilose Bundestagsabgeordnete, die der Fraktion der Linkspartei angehört, griff Mayer angesichts der schon vor Wochen erfolgten, ersten Datenveröffentlichungen scharf an.
"Aus der Verhaftung eine Glanzleistung zu machen", schimpfte sie, "Entschuldigung, das ist mir wirklich zu billig." Dafür erntete sie lauten Applaus.
Peter Hense: Der Rechtsanwalt hat von Berufswegen seit Jahren mit Opfern von Datendiebstählen zu tun. Er machte auf die dramatischen Folgen für die Betroffenen aufmerksam. Ein Leben, eine Karriere könne zerstört werden, die Opfer seien "digital kompromittiert".
Ein zusätzliches Problem: Die Durchsetzung internationaler Löschansprüche im Internet kann Jahre dauern. Vom Gesetzgeber forderte er für solche Fälle bessere Instrumente.
China nannte Yogeshwar als Negativbeispiel für digitale Überwachung: Ein sogenanntes "Social Credit System" soll Ende 2020 für nahezu 22 Millionen Einwohner Pekings verpflichtend den Betrieb aufnehmen. Bürger, die negativ bewertet werden, könnten dann Reisebeschränkungen unterliegen oder durch die Drosselung der Internetgeschwindigkeit sowie höhere Steuern bestraft werden.
Miriam Meckel: Die Verlegerin des Digitalmagazins "ada" gab sich der Illusion des perfekten Schutzes vor Datendieben gar nicht erst hin. Sie forderte eine schnellere und bessere Zusammenarbeit der Behörden.
Eine enorme Gefahr sah Meckel in manipulierten Videos. Ihre Schreckensvision: "Wenn Wirklichkeit eine Frage der technischen Möglichkeiten wird".
Was war das Rededuell des Abends?
IT-Expertin Domscheit-Berg hielt CSU-Mann Mayer die geplante Ausbildung von 400 Hackern durch die Sicherheitsbehörden vor. "Und damit die auch hacken können, legen Sie sich noch Sicherheitslücken irgendwo in eine Schublade, die unser aller Infrastruktur unsicherer machen und die es Dritten besonders leicht machen, einzubrechen". Der Bundesnachrichtendienst würde vier Millionen Euro Steuergeld bekommen, um Sicherheitslücken aufzukaufen, erklärte sie.
Mayer wiegelte genervt ab. "Das ist nicht unsere Strategie. Es werden nicht irgendwelche Backdoors bewusst genutzt, um die Bürger auszuspähen." Er versicherte, dass nicht millionenfach Menschen gefährdet würden.
Domscheit-Berg ließ nicht locker: "Sie beschreiben die Tatsachen falsch". Die Abgeordnete forderte, mehr in die Verteidigung vor Hackerangriffen zu investieren.
Was war der Moment des Abends?
Sichere Passwörter? Offenbar stellt das auch viele unserer Entscheidungsträger vor große Probleme.
"Das macht nicht jeder Politiker", gab Justizministerin Barley ganz offen zu – mit einem verlegenen Lächeln. Die Beichte schien ihr ein wenig peinlich zu sein.
Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?
Mit Witz, Charme und Biss führte die Gastgeberin durch den ersten Talk-Termin des Jahres. CSU-Mann Mayer entgegnete sie nach seinen Lobeshymnen auf die Sicherheitsbehörden, dass ja angesichts der Datenhacks "nicht alles Granate" funktioniert haben könne.
Ministerin Barley fragte sie frech: "Wie sicher können Sie sein, dass man Ihnen nicht wie Hillary Clinton unterstellt, einen Kinderpornoring zu betreiben?"
Was ist das Fazit?
In der digitalen Welt gibt eine keine absolute Sicherheit, so der Tenor aller Diskussionsteilnehmer. Immerhin will die Regierung in Zukunft mehr für den Schutz der Bürger tun: Mayer kündigte zusätzliche Mitarbeiter für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sowie eine Verbesserung des IT-Sicherheitsgesetzes an.
Auch das Cyberabwehrzentrum soll künftig rund um die Uhr in Betrieb sein. Ob das geplante "Cyberabwehrzentrum Plus" dann tatsächlich ein Plus an Sicherheit garantiert, bleibt freilich unklar.
Domscheit-Berg warf die Idee eines dem Gemeinwohl orientierten sozialen Netzwerkes, in dem es nicht nur um Gewinne geht, in die Runde. Das fand Zustimmung. Yogeshwar forderte die Menschen zu mehr Bewusstsein in der digitalen Welt auf. "Privatsphäre dürfen wir nicht leichtfertig für ein bisschen Technik opfern", lautete sein Appell.
Düster fiel Meckels Fazit aus. "Es kann und wird schlimmer kommen", erklärte sie in Bezug auf mögliche Datendiebstähle durch professionelle Hacker und Wirtschaftskriminelle.
Aber auch angesichts der zunehmenden Erfassung und Bündelung von legal erworbenen Daten durch Unternehmen wie Facebook sowie der Tendenz der Menschen, viel zu viel Persönliches freiwillig zu posten, sah sie schwarz. Es gebe Experten, so Meckel, "die sagen: Es wird irgendwann keine Privatheit mehr geben."
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