Bei "Markus Lanz" erzählte Lokalpolitiker Ryyan Alshebl von seiner eigenen Flucht aus Syrien und forderte die deutsche Politik auf, Geflüchtete stärker in die Pflicht zu nehmen.
Mit seiner ganz persönlichen Fluchtgeschichte aus Syrien sorgte Ryyan Alshebl für Fassungslosigkeit bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Vor acht Jahren flüchtete Ryyan Alshebl aus Syrien nach Deutschland. Nach einer Ausbildung zum Verwaltungsangestellten arbeitete der 29-Jährige bereits im Rathaus einer Nachbargemeinde, bevor er 2023 im baden-württembergischen Ostelsheim zum Bürgermeister gewählt wurde.
Markus Lanz beleuchtete am Dienstagabend die ungewöhnliche Lebensgeschichte von Alshebl. Zudem debattierte der ZDF-Moderator über die gröbsten Fehler und Lösungsansätze in der deutschen Flüchtlingspolitik.
Das sind die Gäste
- Paul Ziemiak, CDU-Politiker: "Wir können dieses System nur managen, wenn wir wissen, dass es eine Begrenzung gibt."
- Kristina Dunz, Journalistin: "Es hat sich ein seltsames Störgefühl breit gemacht im Land."
- Ryyan Alshebl, Lokalpolitiker: "Meine Wurzeln sind zwar in Syrien, meine Heimat und meine Zukunft liegen aber in Deutschland."
- Gerald Knaus, Migrationsforscher: "Wir hinken immer hinterher, weil wir erst reagieren, wenn die Krise bereits ausgebrochen ist."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Lokalpolitiker Ryyan Alshebl machte zu Beginn deutlich, dass er sich 2015 zur Flucht entschieden hatte, nachdem er zum Kriegsdienst gerufen wurde: "Man sucht eine Perspektive (...), wenn nicht die allerbeste Perspektive." Markus Lanz wollte daraufhin wissen, wie beschwerlich die Flucht nach Deutschland für ihn war.
Alshebl erzählte, dass er rund 4.000 Dollar bezahlen musste, um dem Krieg in Syrien zu entkommen. Auf dem Weg harrte er unter anderem in einer kleinen Wohnung in Istanbul aus, bevor es in einem Bus an den Hafen ging. Dort stieg er in ein Boot um, das ihn innerhalb von viereinhalb Stunden nach Lesbos brachte.
Alshebl erklärte, dass er die Reise zu Beginn noch als "Abenteuer" sah, das sich auf einem Schlauchboot jedoch als "Horror" entpuppte. "Da bekommt man das Gefühl: Was habe ich (...) gemacht?", so der Lokalpolitiker. Er erinnerte sich: "Plötzlich befindet man sich wirklich im Dunklen, im Nichts, wo man total orientierungslos ist." Dies sei der Moment gewesen, in dem der Syrer um sein Leben bangte: "Langsam waren die Wellen höher. Es beginnt Wasser ins Boot zu fließen. Plötzlich stellt man sich natürlich die Frage: Wie würde es sich jetzt anfühlen, zu ertrinken?"
Mit seinen Eindrücken berührte Alshebl den ZDF-Moderator, der klarstellte, dass man an seiner Geschichte gut sehen könne, wie viel in der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik schieflaufe. Daraufhin kritisierte Alshebl vor allem die fehlende Hilfe in der deutschen Botschaft in Beirut: "Man hat immer für Termine Geld zahlen müssen." Er bemängelte weiter: "Die Botschaften und Auslandsvertretungen drängen die Leute regelrecht dazu, über die illegalen Wege nach Deutschland zu kommen."
Lanz hakte geschockt nach: "Die deutsche Botschaft ist korrupt?" Ryyan Alshebl wiegelte zunächst ab: "Das kann man natürlich so nicht festlegen, wer genau korrupt ist." Kurz darauf wurde er jedoch deutlicher: "Mein kleiner Bruder musste 400 Euro zahlen für einen Termin (...) bei der deutschen Botschaft." Der Politiker fügte hinzu: "Er hat das einem Privatmenschen gezahlt. Keiner begreift, welche Funktion dieser Mensch hat, aber am Ende hat er einen Termin bekommen."
Eine Aussage, die den ZDF-Moderator sprachlos machte: "Das ist ja unvorstellbar!" Auch CDU-Politiker Paul Ziemiak reagierte wütend: "Das muss aufgearbeitet werden! Das bleibt jetzt nicht in dieser Sendung, sondern dem werde ich nachgehen. Wenn tatsächlich der Eindruck entsteht, oder es diese Fälle gibt, dass Termine gekauft worden sein sollen bei deutschen Botschaften, dann ist das ein Riesenskandal und wir werden dazu das Auswärtige Amt befragen."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Als Paul Ziemiak erklärte, dass Ryyan Alshebls Erfolgsgeschichte leider ein "Einzelfall" in Deutschland sei, entfachte eine Diskussion zum Thema Bürgergeld. Markus Lanz stellte in dem Zusammenhang fest, dass die deutsche Regierung offenbar sehr schlecht darin sei, "Menschen, die zu uns kommen, irgendwie in diesen Arbeitsmarkt zu bringen".
Dem stimmte Kristina Dunz zu und sagte: "Es hat sich ein seltsames Störgefühl breit gemacht im Land. Das Gefühl, dass es irgendwie nicht mehr richtig gerecht zugeht." Die Journalistin glaube, "dass viel zur Befriedigung der Gesellschaft beitragen würde", wenn man die Verteilung des Bürgergeldes anpassen würde.
Auch Ryyan Alshebl machte deutlich, dass man am Bürgergeld ansetzen müsse, "wenn wir uns wirklich als Einwanderungsland begreifen wollen". Als Lösungsansatz sehe er deshalb eine Pflicht zu einem sozialen Jahr, "als eine Art Rückgabe an die Gesellschaft, die das ganze System auch großzügig finanziert". Paul Ziemiak zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt. Er konterte: "Aber es löst das Problem im Kern nicht!"
Laut dem CDU-Mann sind es immer noch zu viele Menschen, die aus Kriegsgebieten wie Syrien oder Afghanistan nach Deutschland fliehen würden. "In keines dieser Länder werden Menschen abgeschoben und jetzt können wir alle darüber sprechen, dass man jetzt was Neues probieren sollte und schnellere Verfahren", so Ziemiak aufgebracht.
Es werde sich jedoch trotzdem "nichts an dieser Situation ändern". Er ergänzte deshalb ernst: "Wir können dieses System nur managen, wenn wir wissen, dass es eine Begrenzung gibt. Die Zahlen müssen runter und so geht es nicht weiter! (...) Jetzt muss es eine Lösung geben!"
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz gelang es, dank seines ausführlichen Gesprächs mit Ryyan Alshebl, eine neue Perspektive auf die deutsche Flüchtlings- und Migrationspolitik zu gewähren. Während er sich für den Lokalpolitiker ausreichend viel Zeit nahm, schaffte er es nicht mehr, mit Paul Ziemiak über CDU-Chef Friedrich Merz und dessen viel diskutierte Aussagen zur Geflüchteten zu sprechen.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Mit Blick auf die Flüchtlingskrise in Deutschland bemängelte Ryyan Alshebl die "viel zu lange, zähe Debatte" über die Bekämpfung der Symptome. "Keiner redet hier über die Bekämpfung der Fluchtursachen", so Alshebl streng. Er plädierte deshalb für eine Lösung, mit der "man Menschenleben rettet, aber gleichzeitig die Infrastruktur vor Ort entlastet". Eine Forderung, die CDU-Politiker Paul Ziemiak schließlich dazu veranlasste, mit ernster Miene zu sagen: "Wir haben jetzt richtig zu arbeiten!" © 1&1 Mail & Media/teleschau
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