Der Axt-Angriff in einem Zug in Würzburg hat Deutschland und die Welt erschüttert. Die Tat könnte für eine neue Qualität des Terrors stehen: Täter ist ein junger Flüchtling, der sich vermutlich selbst radikalisiert hat – ohne dass jemand etwas davon ahnte, ohne dass er davor auffällig war. Was das bedeutet und wie so eine Tat verhindert werden kann, fragte Sandra Maischberger am Mittwochabend ihre Gäste. Der Maischberger-Talk wird dann aber doch vom Streit über einen Tweet von Renate Künast bestimmt.

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Das Gefühl, einer neuen Art von Terror schutzlos ausgeliefert zu sein, ist nach den Geschehnissen von Nizza und Würzburg allgegenwärtig. Täter scheinen sich selbst und plötzlich zu radikalisieren – im Falle des Attentats von Würzburg sogar, ohne vorher jemals auffällig geworden zu sein.

Was ist das Thema?

Ein LKW und eine Axt als Mordwaffe – keine Bomben, keine Schusswaffen, keine ausgefeilten Pläne und keine Terrorzelle, die hinter dem Täter steht. Es scheint eine neue Art des Terrors zu sein, der zuletzt Deutschland und Frankreich erschüttert hat.

Zwar bekannte sich der IS nach den Anschlägen von Würzburg und Nizza zu den Taten – jedoch scheint die Terrororganisation nicht der Drahtzieher der Attentate gewesen zu sein.

Vielmehr haben sich die beiden Täter selbst radikalisiert und selbst den Entschluss gefasst, aus angeblich religiösen Gründen zu morden. Was kann gegen diese Radikalisierung und diese neue Art des Terrors getan werden, fragt Sandra Maischberger die Talk-Runde.

Wer sind die Gäste?

Wolfgang Bosbach (CDU, Innenexperte): Ihm zufolge liege es an der guten Polizeiarbeit, dass bislang nichts Schlimmeres in Deutschland passiert ist, aber auch das Glück spiele eine Rolle. Der internationale Terror, der in Europa passiert könne nur mit internationaler Zusammenarbeit bekämpft werden – bei dieser Zusammenarbeit herrscht laut Bosbach noch deutliches Verbesserungspotenzial.

Renate Künast (B‘90/Die Grünen, Bundestagsabgeordnete): Der Terror in Nizza und der Terror in Würzburg sind für die Politikerin Beispiele dafür, dass Anschläge nun ganz anders und viel kleiner organisiert werden als noch beim 11. September 2001. Deshalb müsse neu analysiert werden, wie diese Art von Terror aufgespürt werden kann.



Judith Assländer (Pflegemutter für minderjährige Flüchtlinge): Seit 2014 kümmert sich Assländer um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, hat bislang 25 selbst betreut. Sie berichtet, dass diese Jugendlichen nun die Befürchtung haben, dass sich die in Hass umschlagende Angst der Bevölkerung bei ihnen entladen könnte. Man müsse mit Vermischungen von Themen vorsichtig sein, denn den IS und diverse Anschläge immer mit Flüchtlingen in Verbindung zu bringen, schüre nur diese Angst und die Vorbehalte gegenüber Schutzsuchenden. Sie warnt vor Generalverdacht der Flüchtlinge.

Claus Strunz (Journalist): Ihm wird in der ganzen Diskussion zu viel über Integration und zu wenig über Sicherheit gesprochen. Zumal es vonseiten der Politik keinerlei Vorschläge gäbe, wie diese Risiken in den Griff bekommen werden können. Das liege auch daran, dass die Bereiche der Inneren Sicherheit in Deutschland "kaputtgespart" wurden. Strunz macht den Vorschlag, Anti-Terror-Kurse anzubieten, um hilfreiche Informationen zu Gefahrenpotenzialen und dem Umgang damit weiterzugeben.

Ahmad Mansour (Diplom-Psychologe und Extremismus-Experte): Er selbst war als Jugendlicher ein radikaler Islamist und sagt, dass es den typischen Terroristen nicht gebe. Deshalb seien sie so schwer zu identifizieren. Um den Terror zu bekämpfen, muss die Integrationsarbeit besser laufen. Denn: Der IS wisse, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einfach zu rekrutieren seien. Werden diese Jugendlichen nicht vernünftig integriert, so besteht die Gefahr, dass sie sich radikalisieren. Die Religion spielt in seinen Augen sehr wohl eine große Rolle bei einer möglichen Radikalisierung. Vor allem die patriarchalischen Strukturen seien es, die einen entsprechenden Nährboden bieten.

Guido Steinberg (Terrorismus-Experte): Er erklärt, wie gefährlich solche Einzeltäter-Anschläge in Nizza und Würzburg wirklich sind. Der IS rufe seit Jahren dazu auf, dass die Anhänger solche Attentate eigenständig verüben, damit die Terrororganisation parallel ungestört an großen Anschlägen arbeiten könne. Diese Einzelanschläge seien zudem dazu da, „Bruchlinien in unseren Gesellschaften vertiefen“ Es gehe in Europa vor allem darum, Gegenreaktionen zu provozieren. Aus diesen würden dann Bewegungen wie Pegida oder Parteien wie die AfD entstehen. Er befürchtet zudem, dass die Franzosen kurz davor sind, die Nerven zu verlieren und Fehler in Syrien zu machen.

Was war das Rededuell des Abends?

Der kurz nach der Tat von Würzburg abgesetzte Tweet von Renate Künast ("Tragisch und wir hoffen für die Verletzten. Wieso konnte der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden???? Fragen!") beschäftigte auch die Runde bei Sandra Maischberger. Weil Künast selbst es verpasste, sich für ihr polizeikritisches Posting zu entschuldigen, wurden vor allem Wolfgang Bosbach und der Journalisten Claus Strunz deutlich. Die Politikerin argumentierte, dass Parlamentarier solche Fragen stellen müssten und zum Zeitpunkt ihres Tweets gar nicht klar gewesen sei, dass sich der Täter nicht auf der Flucht befand, sondern einen Angriff auf die Polizei verübt hatte.

Zu viel für Wolfgang Bosbach: "Wenn Sie in dieser Form mitten in der Nacht Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einsatzes äußern. Entschuldigung, aber dann fallen Sie den Polizeibeamten in den Rücken. In solch einer Situation erwarte ich von uns Politikern, dass wir der Polizei den Rücken stärken."

Der Journalist Claus Strunz hält mindestens den Zeitpunkt des Tweets für falsch. "Das tut man in solch einem Moment nicht und ich habe eigentlich gehofft, dass Sie den heutigen Abend nutzen, um sich dafür zu entschuldigen", so Strunz. Er hält Twitter für ein "segensreiches Instrument", weil sich immer herauslesen lasse, wie jemand wirklich denkt: "In Twitter Veritas – so wie im Wein. Sie haben ein Problem mit der Polizei, deswegen sind die Grünen auch fast gegen alles, was man einführen müsste, um uns besser zu schützen."



Was ist das Ergebnis?

Anti-Terror-Kurse für alle Bürger, Integrationsarbeit als Präventionsmaßnahme und neue Sicherheitskonzepte für die Stabilisierung der Inneren Sicherheit. Das sind die Vorschläge, die die Talkrunde macht, um der Angst vor neuen Terror-Attacken Einhalt zu gebieten. Wie genau die Umsetzung aussehen kann, bleibt offen.

Vor allem Renate Künast als Bundestagsabgeordnete zeigt am allerdeutlichsten, dass die Politik noch keinen wirklichen Masterplan zu haben scheint und trägt dadurch sicherlich nicht zur Entspannung der Situation bei.

Sandra Maischberger verabschiedet sich mit einem schwierigen Thema in die Sommerpause. Beim Zuschauer bleibt einen fader Beigeschmack zurück - und nur die vage Hoffnung, dass die Politik möglichst schnell einen vernünftigen und machbaren Plan entwickelt.



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