Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verpasst bei Sandra Maischberger mit einem pomadigen Auftritt die Gelegenheit, Werbung für die Ampel-Regierung zu machen. Aufhorchen ließ ein brisanter Versprecher des 65-Jährigen.
Gescheiterter Putschversuch in Russland, Wahl eines AfD-Landrats in Thüringen, Einigung beim umstrittenen Heizungsgesetz: Bundeskanzler
In typischer Scholz-Manier – also völlig emotionslos – ließ er nicht durchblicken, ob er sich über den Sturz des Kreml-Herrschers Wladimir Putin gefreut hätte. Oder ob die Situation ihn eher beunruhigt hat, weil eine Atommacht in eine schwere Regierungskrise mit unbekanntem Ausgang hätte rutschen könnte. "Das war eine gefährliche Lage, weil man nicht weiß, was dabei rauskommt", sagte der Kanzler. Scholz hätte diesen Satz auch über das Aufstellen eines Warndreiecks auf der Autobahn sagen können. Allein an seiner Stimmlage war der Ernst der Lage nicht herauszuhören. Später stelle er klar, dass ein "Regime Change in Moskau" nicht eines der Ziele bei der Unterstützung der Ukraine sei. Das war wieder ein politischer Satz, die persönliche Ansprache an die TV-Zuschauer vermied er.
Langes Schweigen von Maischberger
Denkwürdiger war in diesem Interview, was Scholz zwischen den Zeilen sagte.
Wenig später wollte die Gastgeberin wissen, ob es stimme, dass Scholz seinem Vater schon als 12-Jähriger gesagt habe, dass er Bundeskanzler werden wolle. "Da habe ich eine echte Erinnerungslücke". Eine echte? Hat sich der Kanzler hier verplappert? In seinen Aussagen im Untersuchungsausschuss um die Steueraffäre der Hamburger Warburg-Bank hatte sich der frühere Bürgermeister der Stadt auf Erinnerungslücken in Bezug auf drei Treffen mit dem damaligen Bank-Boss Christian Olearius berufen. Für Kritiker wenig glaubwürdig. Bis heute ist unklar, wieso Hamburg 2016 darauf verzichtete, von der Bank Steuererstattungen in Höhe von 47 Millionen Euro zurückzufordern und ob Scholz dabei Druck auf die Finanzbehörden ausübte – was er bestreitet. Ein Geschmäckle ist noch immer geblieben.
Scholz mit wenig Selbstkritik
Durch Selbstkritik fiel "Besserwisser" Scholz – diese Bezeichnung schien ihm fast zu schmeicheln – auch bei anderen Themen nicht auf. Kamen die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine zu spät? "Wir haben es sehr schnell gemacht. Das ist meine feste Überzeugung". Das sehen sie nicht nur in der Ukraine anders. Ist der nun endlich beschlossene Heizungsgesetz-Kompromiss zu wenig, um Deutschland klimaneutral zu machen? "Ich bin überzeugt, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden kann."
Hätte Deutschland mit einer temporären Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel wie andere EU-Staaten die Inflation stärker bekämpfen müssen? "Das ist nicht der Weg, wie das funktioniert." Sogar seinen blöden Flüchtlings-Witz vom evangelischen Kirchentag über den "großen Strand am Mittelmeer" nahm er nicht zurück.
Womöglich hätte die AfD bei der Landratswahl im südthüringischen Sonneberg nicht erstmals triumphiert, wenn die Regierung die Bürger bei den horrende steigenden Lebensmittelpreisen nicht so allein gelassen und sie mit den Heizungsplänen nicht verprellt hätte? Aber Scholz sah diesen Zusammenhang nicht. Er lobte die Errungenschaften der Regierung, wie die Erhöhung des Mindestlohns und die Milliarden-Zahlungen für die Energiepreisbremse. Und gab den Menschen das Versprechen, dass Deutschland seinen Wohlstand (von dem Millionen nichts haben) auch künftig erhalten und dass sein Wahlkampfthema Respekt auch künftig eine wichtige Leitplanke für ihn sein wird. Ob das alles reichen wird, um frustrierte AfD-Wähler oder Nicht-Wähler für die Regierung zurückzugewinnen, ist zweifelhaft.
Nur bei einem Punkt gab sich der SPD-Kanzler demütig, weil der monatelange Heizungsstreit der Ampel so offensichtlich schädlich war, dass selbst er ihn bei Maischberger nicht einfach so wegscholzen konnte. "Ja, Sie haben recht. Ich stimme Ihnen zu", sagte der Regierungschef. Der lange Streit habe keinen guten Eindruck hinterlassen. Ein Satz, der genau so für den Scholz-Auftritt in der ARD gelten konnte. Defensiv, zu wenig selbstkritisch, ohne Zukunftsvisionen, menschlich nicht unsympathisch, aber eben ein bisschen besserwisserisch. "Ich will auf alle Fälle, dass die Regierung wiedergewählt wird", sagte Scholz zum Schluss. Momentan sieht es nicht so aus, als würde ihm dieser Wunsch erfüllt.
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