Vom Schuldenfeind zum Schuldenfreund: Der Wortbruch von CDU-Chef Friedrich Merz beschäftigte die Runde bei Maybrit Illner.

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Während in der TV-Sendung "Maybrit Illner" ein Ökonom in den Ausgabe-Plänen von Union und SPD eine Chance sieht, warnten zwei Gäste vor den Folgen.

Das Thema der Runde

Union und SPD wollen ihre künftige Regierung und das Land mit zwei Milliardenpaketen für Verteidigung und Infrastruktur in Schwung bringen. Dafür muss CDU-Chef Friedrich Merz die Grünen gewinnen, denn ohne sie kann im aktuellen Bundestag die Schuldenbremse nicht reformiert werden.

Nimmt die Partei das Angebot für Nachbesserungen wie mehr Investitionen in den Klimaschutz an? Und wie erklärt die Union die 180-Grad-Wende beim Schuldenmachen? Das Thema bei Maybrit Illner: "Gute Schulden, schlechte Schulden – hat Merz sich verzockt?"

Die Gäste

  • Franziska Brantner (Grüne): Für die Grünen-Parteivorsitzende ist der erste Entwurf von Union und SPD "eine Mogelpackung". Ihr fehlen Sicherheiten, dass das Geld tatsächlich für neue Projekte ausgegeben wird und durch Haushaltsumschichtungen keine Milliarden für Steuergeschenke frei werden. Die Grünen hatten den Vorschlägen am Mittwoch im Bundestag nicht zugestimmt.
  • Carsten Linnemann (CDU): Der CDU-Generalsekretär gab der Grünen-Chefin Recht, dass das Geld nur für neue Projekte ausgegeben werden dürfe. Und die neuen Schulden müssen in seinen Augen unbedingt von Strukturreformen flankiert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Alles andere wäre "keine CDU-Politik".
  • Moritz Schularick: Der Präsident des "Kiel Instituts für Weltwirtschaft" forderte Mechanismen, um sicherzustellen, dass die neue Regierung Haushaltsposten für Investitionen auch wirklich für Investitionen ausgibt. Die Regierung habe nun eine "Riesenchance, das Land zu verändern".
  • Eva Quadbeck: Die Chefredakteurin des "RedaktionsNetzwerks Deutschland" hat Zweifel, ob die Strukturreformen mit der SPD zu machen sind. Das Sondierungspapier atme einen Geist, "dass die ideologischen Unterschiede (zwischen Union und SPD – Anm. d. Red.) mit Geld zugeschüttet" werden.
  • Gabor Steingart: Der Herausgeber von "The Pioneer" nannte das Schuldenpaket "eine Wundertüte, die keinerlei Spezifikation hat". Er befürchtet, dass die ganzen Ausgaben verpuffen werden, wenn vorher nicht das Feld durch entsprechende Reformen "gepflügt wird".

Das Wortgefecht des Abends

Wahlkampflüge, Wählertäuschung: Die Vorwürfe an CDU-Chef Friedrich Merz und andere führende Unionspolitiker kommen teilweise aus den eigenen Reihen. Der CSU-Ehrenvorsitzende Horst Seehofer hat kein Verständnis für die geplanten Giga-Schulden, von denen 500 Milliarden für Infrastruktur und eine nach oben offene Summe für Verteidigung vorgesehen sind, und sprach von "Wortbruch".

Sondervermögen: Merz umgarnt die Grünen – die bleiben hartnäckig

Union und SPD haben sich in ihren Sondierungen auf Milliardenschulden für Infrastruktur und Verteidigung geeinigt – für die entsprechenden Grundgesetzänderungen brauchen sie aber die Stimmen der Grünen. Im Bundestag umwirbt CDU-Chef Friedrich Merz die Partei – mit mäßigem Erfolg.

Carsten Linnemann musste sich für den Schlingerkurs rechtfertigen: "Ja, ich erkenne ihn wieder", sagte der Generalsekretär über Merz, der im Wahlkampf zumindest eine kleine Hintertür zur Aufweichung der Schuldenbremse geöffnet hatte. Eva Quadbeck unterbrach Linnemann: "Sie und Herr Frei haben ihn wieder eingefangen." Linnemann, der die Schuldenbremse noch stärker als Merz verteidigte, rechtfertigte sich: "Ich bin da ganz offen – ich möchte mit dem Geld auskommen, das wir haben. Und da bleibe ich bei: Meine Sorge ist jetzt einfach, dass wir das Geld jetzt ausgeben und die Strukturreformen kommen nicht." Merz' Schwenk sei kein Wortbruch, so Linnemann, wenn mit den teuren Strukturreformen auch der Aufbruch kommt. "Das muss kommen."

Die Offenbarung des Abends

Maybrit Illner sprach Linnemann auf den Widerspruch an, dass er selbst erst Reformen will und dann Geld ausgeben und sein Boss Friedrich Merz nach der Wahl das Gegenteil vertreten muss. "Aber Frau Illner, ich bin kein verlängerter Arm. Ich finde, wir brauchen eigenständige Persönlichkeiten." Da horchte die Gastgeberin auf. "Und Herr Merz hat mich als Generalsekretär geholt, weil ich so bin, wie ich bin. Deswegen schätzt er mich auch."

Das war der halbherzige Versuch, den Wandel in der Union zu erklären. Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte Merz im Wahlkampf immer wieder vorgeworfen, den Wählern keinen reinen Wein einzuschenken, woher er die Milliarden für Militärausgaben und anderen Projekte nehmen will. Nicht zu Unrecht, wie wir jetzt wissen.

Der Erkenntnisgewinn

Hat die CDU durch die Zustimmung zum XXL-Schuldenpaket ihre Seele verkauft? Carsten Linnemann blieb bei Begriffen wie Wählertäuschung oder Wahlbetrug überraschend still. Für ihn gibt es nur einen Weg, um die möglichen Milliarden-Ausgaben zu rechtfertigen: Wenn durch sie die Konjunktur wieder in Schwung kommt und gleichzeitig Strukturreformen gelingen.

"Wir verwalten uns kaputt in Deutschland. Und wenn das nicht wegkommt, dann war’s das mit unserem Wohlstand." Da konnte Ökonom Schularick nur heftig nicken. Jetzt müssen nur noch die Grünen der Schuldenbremsenreform zustimmen.

Teaserbild: © ZDF/Jule Roehr