- Am Dienstagabend diskutierte Sandra Maischberger mit ihren Gästen über den deutschen Energiemarkt, Aussichten auf weitere Preissteigerungen und Entlastungsmaßnahmen.
- In vielen Punkten war sich die Runde einig. Reibereien gab es allerdings bei den Themen Schuldenbremse, Verlängerung des Neun-Euro-Ticktes und Atomenergie.
- Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) gab sich selbstkritisch und für Journalistin Anna Mayr applaudierte das Publikum schon nach wenigen Minuten lautstark.
Sandra Maischberger ist aus ihrer Sommerpause zurück, doch an der Krisenstimmung hat sich wenig geändert. Eine Inflation bei fast acht Prozent, die Diskussion um das dritte Entlastungspaket und eine holprig durchgesetzte Gasumlage beschäftigen Deutschland. Auch eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken und das auslaufende Neun-Euro-Ticket bewegen die Bundesrepublik.
Das war das Thema bei "Maischberger"
Das waren die Gäste
Sigmar Gabriel (SPD): Der frühere Parteivorsitzende und Außenminister a.D. sagte: "Es gibt eine Menge, was das Modell Deutschland infrage stellt, das eben zu 50 Prozent von Export abhängt." Handelskriege und Konflikte ließen das Modell ins Wanken geraten. Gabriel gab zu: "Ich gehöre zu denen, die Russland falsch eingeschätzt haben." In der Vergangenheit habe Deutschland fälschlicherweise gedacht, Globalisierung sei unpolitisch. "Das ist falsch, Geopolitik schlägt Geoökonomie", so Gabriel. Zur deutschen Politik sagte er: "Es wurde vorhin diskutiert über die, die ganz arm sind, und die die ganz reich sind. Wir vergessen: Es gibt dazwischen was." Auch Menschen mit mittlerem Einkommen müsse man eine Antwort geben.Amelie Fried : Die Autorin und Journalistin sagte zum Neun-Euro-Ticket: "Man kann nicht einerseits Leute in die Züge locken mit diesem Ticket und dann andererseits nicht genügend Züge bereitstellen." Sie berichtete von völlig überfüllten Wagons. "Generell bin ich aber für die Fortsetzung, vielleicht nicht für neun Euro." Es gäbe verschiedene Modelle. "Irgendetwas davon sollten wir umsetzen."- Rainer Hank: "Wir schütten jetzt über Menschen, die es brauchen und die es nicht brauchen, einfach Entlastungspakete aus, völlig unübersichtlich mittlerweile", sagte der Wirtschaftsjournalist. Es seien Entlastungen erfunden worden, die kontraproduktiv für den Klimaschutz seien. Die, die es wirklich bräuchten, würden zu wenig entlastet. Hank sprach von einer "Entlasteritis". Der Staat meine plötzlich, auch für Inflation Kompensation leisten zu müssen. "Das gab es nie in Deutschland", so Hank.
- Anna Mayr: Die Journalistin sprach sich dafür aus, die Schuldenbremse auszusetzen und sagte: "Ich würde widersprechen, dass nur, weil etwas vor 30, 40 Jahren so schien, als sei es sinnvoll, heute noch richtig ist." Heute habe man die Herausforderung einer Energiewende. "Wenn ich meine Kinder fragen würde: Wollt ihr lieber Geld zurückzahlen müssen und, dass ihr noch auf einem Planeten leben könnt, oder wollt ihr lieber nur noch mit Klimaanlage drinsitzen und euch abschirmen von der Welt?". Die Klimakrise existiere, man müsse investieren.
- Jan Hempel: Der Auftritt des ehemaligen olympischen Wasserspringers am Ende der Sendung brachte ein ganz anderes Thema auf: sexualisierte Gewalt im Sport. "Der Trainer hat sich mein Vertrauen erschlichen", erzählte Hempel. Als seine Eltern gerade geschieden waren, habe der Trainer erkannt, dass ihm eine Bezugsperson fehle - und ihn jahrelang missbraucht. "Er hat versucht es zu normalisieren, es herunterzuspielen."
- Hajo Seppelt: "Welche fatalen Abhängigkeitsverhältnisse bestehen zwischen Athleten und Trainern?", warf der Sportjournalist als Frage auf. Die Frage nach der Verantwortung von Funktionären und Trainern stelle sich neu. "Es gibt Parallelen zur Doping-Berichterstattung", beobachtet Seppelt. Sportverbände hätten kein Interesse daran, mit Negativschlagzeilen in die Presse zu gelangen. Im internen Kreis werde über solche Vorfälle geredet, dann aber ein Mantel des Schweigens darübergelegt.
Das ist der Moment des Abends bei "Maischberger"
Der erste Applaus des Abends kam früh und laut. Hanke und Fried hatten sich bereits zum Neun-Euro-Ticket geäußert, als auch Politikjournalistin Anna Mayr den Ball aufgriff. "Ich will vor allem erst einmal sagen, dass neun Euro ja nicht gratis sind", kommentierte sie eine etwaige "Gratismentalität".
Das Wort sei schwierig, in unserer Gesellschaft würden viele Menschen viele Dinge gratis bekommen. "Zum Beispiel den Sprit für den Dienstwagen, den bekommt man ja auch nahezu umsonst", kommentierte sie und übte Kritik: "Gratismentalität wird immer nur angewandt, wenn es um ÖPNV oder um Klimaschutz oder um arme Leute geht!"
Das ist das Rede-Duell des Abends
Es ging in der Energiedebatte gerade um Atomkraft, als sich Journalist Hank zu Wort meldete: Das Raus aus den fossilen Energien und Rein in die Erneuerbaren Energien könne mithilfe der Atomkraft gelingen. "Die ist ähnlich sauber und sicher wie es die regenerativen sind", meinte er.
Mayr hatte schon während Hanks Redezeit die Augenbrauen hochgezogen. "Die Forderung aus der Union an die Opposition sind oft sehr abenteuerlich", kommentierte sie den Vorschlag nach neuen Atomkraftwerken und fragte: "Wo sollen die Atomkraftwerke stehen? Welche Nachbarschaften kann man motivieren, daneben zu wohnen?" Man müsse sich darauf konzentrieren, wo man Energie sparen könne.
So hat sich Sandra Maischberger geschlagen
Maischberger hatte in der Sommerpause ihre Tanks wieder vollgemacht. So war sie aufmerksam genug, SPD-Mann Gabriel daran zu erinnern: "Sie haben die Abhängigket von russischem Gas sehenden Auges mitverursacht", als der über seine politisch aktive Zeit sprach. Die Moderatorin fragte auch: "Wann hätten Sie die Augen aufmachen müssen?" Maischbergers Fragen langweilten nicht, sondern erfrischten. "Sollten wir Nordstream 2 anschalten?", "Kann jemand wie Gerhard Schröder vermitteln?" und "Ist Politik wirklich in einem anderen Modus angekommen?", wollte sie zum Beispiel wissen.
Das ist das Ergebnis bei "Maischberger"
Das Tempo, das am Dienstagabend bei Maischberger herrschte, war äußerst angenehm: Auf keinem Thema ritt die Runde zu lange herum, sprang aber auch nicht wild hin und her. Der rote Faden war erkennbar. Aber auch, wenn es die ein oder andere neue Antwort gab, eins verpasste Maischberger: Antworten auf die zu Beginn der Sendung aufgeworfene Frage klar und deutlich einzufordern, nämlich: Was sollte die Bundesregierung jetzt tun? Hier war die Erkenntnis mit "zielgerichtet entlasten", "auch der Mitte der Bevölkerung Antworten geben" und "Politik besser erklären" äußerst dünn und schwammig. Einzig einen Gaspreisdeckel brachte die Runde ins Spiel. Von solchen Lösungsvorschlägen hätte es mehr gebraucht.
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