Wie soll man über Geheimes sprechen? Günther Jauch wollte wissen, wie groß die Terrorgefahr in Deutschland ist. Ein Gast hätte die Frage eigentlich am besten beantworten können. Doch auch von ihm gab es kaum konkrete Antworten.
Die Ausgangslage:
Frankreich befindet sich auch eine Woche nach den Anschlägen von Paris noch im Ausnahmezustand. Noch während der Jauch-Sendung fahndet die Polizei in Belgien nach zwei Terrorverdächtigen.
Wie groß ist also die Gefahr, dass es auch in Deutschland zu Anschlägen kommt? Nachdem bereits die Talk-Runde bei Anne Will am vergangenen Mittwoch diese Frage nicht zufriedenstellend beantworten konnte, versuchte sich gestern Abend
Das Grundproblem dieser Frage konnte aber auch er nicht lösen: Wie offen kann und soll man über Geheimes sprechen?
Die Gäste bei "Günther Jauch" und ihre Positionen:
Jürgen Todenhöfer: Der Journalist und Buchautor befand sich zehn Tage lang unter IS-Anhängern. Er hält den IS für "die gefährlichste Terrorbewegung, die es jemals gegeben hat." Man dürfe aber nicht in deren Falle tappen und Angst haben, sondern müsse die Gefahr realistisch ansehen.
Sonja Seymour Mikich: Die Chefredakteurin des WDR-Fernsehens war bemüht, ein wenig die Luft aus dem Bedrohungsszenario zu lassen und wollte sich lieber intensiver über Präventionsmaßnahmen unterhalten.
Stefan Aust: Der ehemalige Chefredakteur des "Spiegel" und heutige Herausgeber bei "Welt N24" schrieb einst das Standardwerk über die RAF. Deren Terror sei mit dem des IS aber nur in manchen Punkten vergleichbar.
Wie groß ist denn nun die Gefahr in Deutschland?
Keine Ahnung. So ehrlich muss die Antwort nach der gestrigen Jauch-Sendung ausfallen. Genauso ehrlich muss die Frage sein, welche Antwort man denn auch hätte erwarten dürfen.
Wenn sich Jauch tatsächlich zum Ziel gesetzt hat, mit seiner Sendung eine Einschätzung zur konkreten Gefährdungslage in Deutschland abzugeben, hätte es Gäste gebraucht, die konkrete Einblicke in die Ermittlungs- und Sicherheitsarbeit haben - und diese auch so weit wie möglich preisgeben können.
Joachim Herrmann hätte ein solcher Gast sein können, aber entweder weiß er selbst nichts Genaues oder er wollte es nicht sagen. Letzteres tat er dann jedenfalls galanter als sein Bundeskollege de Maizière, den Herrmann auch gleich in Schutz nahm.
Zum Zeitpunkt de Maizières "Ein Teil dieser Antworten"-Pressekonferenz seien die Ermittlungen noch gelaufen. Außerdem sei "die Formulierung vielleicht nicht optimal" gewesen, aber man habe "Wichtigeres zu tun, als sich seit Tagen über diesen Satz zu unterhalten."
Gab es denn nicht irgendetwas Konkretes?
Wenig. Und das Wenige ist bereits bekannt. Jürgen Todenhöfer ist der Meinung, dass Frankreich, die USA und Großbritannien gefährdeter seien als Deutschland.
Diese Einschätzung teilt auch Joachim Herrmann, will sich die Situation aber nicht schönreden lassen: "Es gibt eine reale Bedrohung für Deutschland. Auch wenn es keine konkreten Hinweise gibt. Das ist keine Einbildung."
Wie sehr nicht eingebildet diese Nicht-Einbildung ist, wollte er aber nicht verraten.
Worüber wurde denn dann bei "Günther Jauch" gesprochen?
Zum einen über die Flüchtlinge, die momentan nach Deutschland kommen. Hier zog Stefan Aust die Verbindung, aber anders als sich das mancher Rechtspopulist vielleicht gewünscht hätte.
Man dürfe natürlich nicht sagen, dass jeder Flüchtling ein Terrorist sei. Aber die Gefahr bestehe vor allem darin, wenn bei einer so großen Anzahl an Flüchtlingen die Integration nicht funktioniere.
Eine gelungene Integration, deren große Bedeutung die Runde teilte, ist für Aust aber noch in anderer Hinsicht wichtig.
Bei der RAF und bei allen anderen Terrorgruppen habe sich nämlich gezeigt, dass diese erst dann scheiterten, als sich deren Umfeld von ihnen abwandte. Nur so werde es auch beim islamistischen Terror funktionieren, so die Einschätzung Austs.
"Mit diesem islamistischen Terror werden wir erst fertig, wenn die Welt, in der sie sich bewegen, nicht mehr mitmacht."
Für Sonja Mikich eine richtige, aber eben nur eine Dimension bei der Radikalisierungsbekämpfung. Wichtig bei der Prävention sei es zum Beispiel, die Chancengleichheit zu erhöhen, aber genauso auch die Kontrolle der EU-Außengrenzen zu verbessern.
Neben der Arbeit in Deutschland sah die Runde natürlich einen Schlüssel zur Terror-Bekämpfung im Nahen und Mittleren Osten.
Todenhöfer ist der Meinung, man müsse im Westen die eigene Politik überdenken. Schließlich sei der IS ein Produkt der amerikanischen Invasion im Irak.
So sieht es auch Stefan Aust, zieht aber einen anderen Schluss: "Die Amerikaner haben ein ganzes Land destabilisiert. Aber das kann nicht bedeuten, dass man nie wieder militärisch eingreifen darf."
Auf die Frage, wie denn seine Lösung zur Bekämpfung des IS aussehe, schlug Todenhöfer einen Drei-Stufen-Plan vor:
- 1. Stopp der Waffenexporte aus Saudi-Arabien an terroristische Gruppen. Die Waffen würden durch Eroberungen oder durch Kauf irgendwann beim IS landen.
- 2. Die Grenze zwischen der Türkei und den IS-Gebieten schließen, hier kämen täglich 200 Kämpfer durch.
- 3. Die unterdrückten und entmachteten Kräfte im Irak und in Syrien wieder integrieren. Todenhöfers Einschätzung der Umsetzbarkeit seines Plans: "Ich sage nicht, dass es leicht ist, aber es ist möglich."
Welches Fazit kann man nach der Sendung ziehen?
Auch wenn sich die Gäste von verschiedenen Richtungen annäherten, kamen sie am Ende zu einer gemeinsamen Einschätzung, wie der Terror des IS am besten zu bekämpfen sei: Durch eine bessere Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen, durch eine gute Polizeiarbeit und durch die Lösung der Konflikte in Syrien und im Irak.
Eine Einschätzung also, zu der man in zig Talk-Shows zuvor auch schon gekommen ist.
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