Werbung für Schwangerschaftsabbrüche? Die Bundesregierung will den Paragraphen 219a, der genau das verbietet, reformieren. Ist diese Reform aber eine Verbesserung oder nur ein fauler Kompromiss? Darüber diskutierte Anne Will am Sonntagabend mit ihren Gästen. Ein Teilnehmer hatte es besonders schwer.
Der Fall der Ärztin Kristina Hänel sorgte vor einigen Wochen für Schlagzeilen und bei nicht wenigen für Fragezeichen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Internetseite darüber informiert hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.
Jetzt soll der entsprechende Paragraph 219a reformiert werden. Deshalb lud
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Mit diesen Gästen diskutierte Anne Will
- Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
Philipp Amthor (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestags- Kristina Hänel, Fachärztin für Allgemeinmedizin
- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), ehemalige Bundesjustizministerin
- Teresa Bücker, Chefredakteurin des Magazins "Edition F"
"Anne Will": Darüber wurde diskutiert
Der Titel der Sendung war sehr allgemein gehalten und damit war auch ein wenig nebulös, worum es in der Diskussion gehen sollte: über Abtreibungen, über die Debatte über Abtreibungen, den Paragraphen 219a und seine Neuregelung oder den Fall Kristina Hänel. Im Laufe der Diskussion wurde dann klar: über all das. Zumindest ein bisschen.
Neuregelung des Paragraphen 219a: Franziska Giffey wies darauf hin, dass sich die Positionen von SPD und CDU in dieser Frage völlig unterschieden hätten: "Die einen wollten nicht antasten, die anderen wollten abschaffen", so Giffey. Da man aber in einer Koalition sei, müsse man eben einen Kompromiss finden. Künftig dürfe jeder Arzt darüber informieren, dass er Schwangerschaftsabbrüche durchführe und auf die vielen Beratungsmöglichkeiten verweisen.
Kristina Hänel sieht dagegen immer noch eine Rechtsunsicherheit: "Zu einer mündigen Patientin gehört ja, dass Patientinnen sich informieren können." Hänel verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass sie durch den Paragraphen in ihrer Informationsfähigkeit eingeschränkt werde: "Ich darf dann auch nicht mehr zu 'Anne Will' kommen. Wir dürfen ja dann nicht weiter drüber sprechen."
Schwangerschaftsabbrüche: Ein paar Minuten vor Schluss wurde tatsächlich doch noch explizit über Schwangerschaftsabbrüche an sich gesprochen, auch wenn Teresa Bücker dies schon vorher in die Diskussion einbrachte: "Wir behandeln Frauen nach wie vor wie unmündige Bürger, die diese Entscheidung nicht alleine treffen können", behauptete die Journalistin hinsichtlich einer Zwangsberatung und einer Bedenkzeit zwischen Beratung und Abbruch durch den Gesetzgeber.
Wesentlich grundsätzlicher wurde es bei "Anne Will" nicht mehr, obwohl die Moderatorin zu Beginn angekündigt hatte, auch über den Paragraphen 218 (betrifft den Schwangerschaftsabbruch, Anmerk. d. Red.) diskutieren zu wollen. Das wiederum wollte Leutheusser-Schnarrenberger lieber nicht - weder bei "Anne Will" noch sonst, wie sie wenige Minuten vor Schluss erklärte.
Leutheusser-Schnarrenberger hatte in ihrer Politikkarriere die Grundsatzdebatten der 1970er- und 1980er-Jahre miterlebt und will an der aktuellen Regelung nicht mehr rütteln: "Ich möchte nicht noch einmal die Debatte ganz neu beginnen über die Frage: Lasst uns doch 218 generell abschaffen. Ich hätte ein Stück weit Angst davor, was am Ende rauskommt."
Die Praxis: Hier wurde klar, dass es neben der theoretisch-juristischen Dimension auch eine ganz praktische gibt. Die besteht unter anderem aus Versorgungslücken und Drohungen gegen Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, was auch Kristina Hänel schon erlebt hat. Hier war sich die Runde einig, dass weder das eine noch das andere hinzunehmen sei. Für Verbesserungen brauche es hier ein besseres gesellschaftliches Klima gegenüber den Ärzten und den betroffenen Frauen.
"Anne Will": Der merkwürdigste Moment des Abends
Philipp Amthor schien an diesem Abend schon vor der ersten Sendeminute ein wenig verunsichert: "Das ist heute auch keine einfache Situation für mich. Hier als junger Bundestagsabgeordneter, der auch noch männlich ist und keine Kinder hat, in dieser Runde zu sitzen. Wir haben in der Union natürlich auch viele tolle Frauen, die zu diesem Thema auch viele Beiträge geleistet haben", erklärt Amthor vor seinem ersten Redebeitrag.
Die Selbsteinschätzung Amthors verwundert deshalb, weil man von einem Berufspolitiker erwarten kann, auch in einer "nicht einfachen Situation" zu argumentieren. Trotzdem schien sich Amthor unwohl in der Runde zu fühlen, zumindest hatte man den Eindruck, dass er sich nicht so recht festlegen wollte.
Er verteidigte den neuen Kompromiss, setzt sich gleichzeitig für den Schutz des ungeborenen Lebens ein, will keinen "falschen Zungenschlag" in seine Argumente untergeschoben sehen, genauso wenig wie er Vorschriften machen will: "Ich bin weit davon entfernt, Frauen hier Belehrungen zu geben."
Vielleicht war das alles Amthors Unbehagen geschuldet, vielleicht war es aber auch schlicht ein Indiz dafür, dass das Thema alles andere als simpel ist, wie auch Leutheusser-Schnarrenberger bemerkte: "Es ist eine komplexe Materie." Trotzdem wurde Amthor auf Twitter unverhältnismäßig hart angegangen.
Das Fazit
Trotz dieser Komplexität war es eine insgesamt gute Sendung, denn sie trug der Komplexität in vielen Bereichen Rechnung. Sie zeigte sowohl, wie Politik funktioniert, welches gesellschaftliche Klima Politik braucht und umgekehrt und welche Auswirkungen das auf den ganz konkreten Alltag der Betroffenen hat.
Dennoch blieb am Ende der Diskussion eine Lücke. Es wurde viel über den neuen Kompromiss beim Paragraphen 219a diskutiert, eine Grundsatzdebatte über 218 blieb jedoch aus, auch wenn es der Sendungstitel versprach. Aber kann man wirklich das Eine ohne das Andere diskutieren?
Offensichtlich nicht. "Warum muss dafür die Selbstbestimmung der Frau beschnitten werden?", fragte Bücker Amthor, als dieser über gesellschaftlichen Konsens sprach. "Weil das Lebensrecht des ungeborenen Kindes da ist, Frau Bücker. Das steht dagegen", antwortete Amthor.
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