Einige Menschen zittern schon jetzt vor dem Winter, obwohl sie keine Frostbeulen sind – aber so wie die Preise für Gas und Öl in die Höhe schießen, könnte eine warme Wohnung zum unerreichbaren Luxus werden. "Zieht Euch warm an: Wie teuer sollen Heizen, Sprit und Lebensmittel noch werden?", fragt Frank Plasberg am Montagabend bei "Hart aber fair".
Das sind die Gäste bei "Hart aber fair"
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, würde seinen Montagabend am liebsten woanders verbringen: "Hätten wir mehr Homogenität bei Einkommen und Vermögen, müssten wir hier nicht sitzen und überlegen, wie wir mit Notmaßnahmen helfen." Sein Rezept: Höhere Renten, höherer Mindestlohn, mehr Hartz IV – die geplante Mini-Erhöhung sei "verfassungswidrig".
Auch
Ja, die Preise steigen – aber nur bei den fossilen Energieträgern, sagt Mona Neubaur, die auf einen Ausbau der Erneuerbaren drängt. Kurzfristig müsse man ärmeren Haushalten, die Rechnungen nicht zahlen können, unbürokratisch helfen: "Ich erwarte mir ein Aussetzen von Strom- und Gassperren."
Kurzfristig bleiben den Verbrauchern nur Preisvergleiche, meint Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur vom "Finanztip". Zwischen Tankstellen in einer Stadt bestünden bis zu 18 Cent pro Liter Unterschied. "Und wer an einer Autobahn tankt, hat im Matheunterricht nicht aufgepasst."
Verkehrsminister
Das ist der Moment des Abends
Wenn Lebensmittel und Energie teurer werden, was liegt da näher, als die Steuern zu senken? Gar keine Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu erheben, wie es ein Mann in einem Einspieler vorschlägt?
Leider ist es nicht so einfach, meint Katarina Barley: "Wir brauchen die Steuereinnahmen, um die erneuerbaren Energien auszubauen, damit die am Ende des Tages günstiger werden."
Nur wann ist dieses Ende des Tages, hakt
Im Klartext: Weil die notwendigen Investitionen jahrzehntelang verschlafen wurden, bleibt inmitten des Preisschocks bei den fossilen Brennstoffen nichts außer ein Erste-Hilfe-Paket, das am Ende doch wieder von Steuergeldern bezahlt wird, die woanders fehlen. Der Zugang zum Wohngeld etwa könnte erleichtert werden, schlägt Ulrich Schneider vor. Bislang beziehen nur 600.000 Haushalte die Sozialleistung, Millionen weitere wären bezugsberechtigt. Praktischer Tipp vom Verbraucherjournalisten Hermann-Josef Tenhagen: Antrag runterladen, "der Gemeinde auf den Sack gehen".
Das ist das Rede-Duell des Abends
Peter Ramsauer sitzt schon so lange im Bundestag, in seiner ersten Legislaturperiode war es noch völlig normal, dass er und 12 andere Abgeordnete der Union gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Grenze zwischen Deutschland und Polen stimmten. Das war 1991, und in dieses Jahr fühlt man sich auch zurückversetzt, wenn der CSU-Mann sein Urteil über die Anti-Inflationspolitik von Italien, Spanien und Frankreich fällt, die den Bürgern mit Preisdeckeln und Schecks helfen.
Nicht nachahmenswert, findet Ramsauer: "Von einem verdammten Schuldenstaat lernen zu müssen, da habe ich keine Lust zu (…). Das ist mediterrane Schuldenstaatphilosophie." Ohnehin warteten die südlichen EU-Staaten nur darauf, ihre Schulden vergemeinschaften zu dürfen.
Kollektives Augenrollen im Studio, Ulrich Schneider ergreift das – angesichts des Chauvinismusanfalls von Ramsauer recht konziliante - Wort: "Mit nationalen Klischees kommen wir nicht weiter." Lieber müsse man sich anschauen, ob man nicht wie Frankreich einfach Schecks an Bedürftige verteilen könnte.
Ramsauer lehnt das aus organisatorischen Gründen ab – ein reiner Vorwand, vermutet Schneider: "Wir sind in der Lage, an 20 Millionen Kinder Kindergeld auszuzahlen, an 6 Millionen Menschen Hartz IV, an 20 Millionen Menschen Rente – aber wir können keinen Scheck schicken?"
So hat sich Frank Plasberg geschlagen
"Hat jemand Lust, über
Kurz darauf bemerkt Europapolitikerin Katarina Barley, dass die beste Kilowattstunde die ist, die man nicht verbraucht hat. Und Verbraucherjournalist Hermann-Josef Tenhagen findet, "diese Tankstellenheinis nehmen es von den Lebendenen". Eine Sendung irgendwo zwischen "Stiftung Warentest" und "Foreign Policy" - das muss man auch erstmal schaffen.
Das ist das Ergebnis
Auch wenn Frank Plasberg offenbar nicht darüber hinwegkommt, dass er bei der Tankstelle um die Ecke eine 2 vor dem Komma gesehen hat – der Spritpreis hat in den letzten Jahren immer wieder magische Marken überschritten, momentan schlägt die gedrosselte Fördermenge voll durch, im nächsten Jahr kommt ein steigender Co2-Preis obendrauf.
Die Schmerzgrenze lässt sich für die Grüne Mona Neubaur also nicht auf einen Preis beziffern: "Meine Schmerzgrenze ist erreicht, weil es keine Alternative gibt." Für Neubaur ist eine umfassende Verkehrswende die Lösung, gerade am Land, etwa mit Ruftaxis. Ein Konzept, das SPD-Frau Katarina Barley außerhalb der Städte für "lebensfremd" befindet, sie setzt voll auf einen Umstieg auf E-Mobilität: "Da gehört richtig Geld reingebuttert in Entwicklung und Infrastruktur."
Zuständig für Verkehrsinfrastruktur war mal der Minister a.D. Peter Ramsauer, der sich rechtfertigen muss, warum etwa die Bahnstrecke Rotterdam – Oberhausen auf der deutschen Seite immer noch lahmt, während die Niederländer die dritte Trasse schon seit Jahren fertig haben. Seine Antwort: Zu viel Bürokratie und zu viel Mitsprache. Ob Andreas Scheuer in zehn Jahren auch bei "Hart aber fair" im Studio steht und die Schuld an der verpassten Verkehrswende auf andere schiebt?
Immerhin weiß Ramsauer "als Wirtschaftswissenschaftler", woher die Teuerungen eigentlich kommen: "Nicht aus einer Ecke, sondern es kann mehrere Gründe haben." Womit der Erkenntnisgewinn des Abends hinreichend zusammengefasst wäre.
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