In Thüringen und Sachsen ist eine Regierungsbeteiligung ohne die AfD nur möglich, wenn die CDU das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in eine Koalition einbezieht. Bei Caren Miosga musste die Parteigründerin ihre roten Linien in Verhandlungen erklären.
Besonders die Gastgeberin
Das war das Thema
Caren Miosga diskutierte mit ihren Gästen über die Erfolgschancen dieses möglichen politischen Experiments in den beiden Ostländern. Das Thema: "Ist mit Ihnen ein Staat zu machen, Frau Wagenknecht?"
Das waren die Gäste
- Sahra Wagenknecht: Die BSW-Gründerin beharrte auf ihren außenpolitischen Forderungen als Grundlage einer Koalition mit ihrer Partei: keine Waffen mehr an die Ukraine, Drängen auf Friedensverhandlungen unter Einbeziehung Russlands und keine Stationierung von US-Waffen in Deutschland. Deutschland habe keine "souveräne Regierung", weil Bundeskanzler
Olaf Scholz die Entscheidung aus Washington einfach abgenickt habe, kritisierte sie.
Zudem bekräftige sie das Ziel eines echten Politikwechsels. Nur um jeden Preis die AfD verhindern und sonst weitermachen wie zuvor? "So eine Regierung wollen wir nicht bilden." Wagenknecht wiederholte ihre scharfe Kritik an den Grünen und nannte sie erneut die gefährlichste Partei im Bundestag. Nicht etwa die in Teilen rechtsextreme AfD, denn die habe ja keine Macht. "Die Partei, die am meisten Anteil daran hatte, dass Herr Höcke bei der Landtagswahl in Thüringen 30 Prozent bekommen hat, und die AfD in Sachsen auch, das sind die Grünen." Durch eine Mitverantwortung für hohe Energiepreise, abgewanderte Unternehmen und Insolvenzen. "Viele Menschen sagen zu Recht", betonte Wagenknecht: "Wir wollen besser regiert werden."
Thorsten Frei : Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion betonte, dass sich der mögliche CDU-Ministerpräsident von Thüringen (Mario Voigt) und der amtierende Landeschef von Sachsen (Michael Kretschmer) vom BSW außenpolitisch nicht hereinreden lassen würden. Und überhaupt: "In den Landtagen beschäftigt man sich mit landespolitischen Themen." Die Westbindung sei "die DNA unserer Partei", so Frei. Allerdings streckte er Wagenknecht die Hand beim Thema Migrationspolitik aus, Schnittmengen mit dem BSW sah er auch bei Bildung, in gesellschaftspolitischen Fragen und dem Thema Staatsangehörigkeitsrecht. Einen Unvereinbarkeitsbeschluss für das BSW wie für AfD und Linkspartei lehnte er ab. "Ich halte nichts davon. Man muss aufpassen, dass man nicht so viele (Parteien – d. Red.) von vornherein vom Tisch nimmt."- Michael Bröcker: Der Chefredakteur von Table.Media rechnet in der Raketenfrage mit einem "Formelkompromiss" zwischen CDU und BSW. Bei außenpolitischen Abstimmungen im Bundesrat spiele es ohnehin keine Rolle, weil sich Bundesländer bei Uneinigkeiten der Koalitionspartner enthielten. Dennoch bleibt für ihn "zwischen CDU und BSW die Sollbruchstelle die Außenpolitik".
Das war der Moment des Abends
"Sie sind doch die Mutter der AfD. Sie haben doch mit Merkels Flüchtlingspolitik das alles aufgebaut." Harte Vorwürfe an CDU-Mann Frei von Sahra Wagenknecht. "Das ist doch ein Blödsinn", sagte Frei und schaute die BSW-Frontfrau verärgert an. Dabei ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Partei damit ihr großes Thema fand, mit dem sie die anderen politischen Kräfte seitdem vor sich hertreibt.
Das war das Rededuell des Abends
Eine Provokation gegen die frühere Linken-Frontfrau konnte sich der westdeutsche CDU-Mann Frei – fast in Kalter-Krieger-Manier – ebenfalls nicht verkneifen. Er fragte sie, ob der russische Machthaber Wladimir Putin zum Friedensgipfel komme. "Sie müssen es ja wissen." Eine Anspielung auf ihre angebliche Russlandnähe. "Jetzt hören Sie mal auf, das Niveau auf die unterste Ebene fallen zu lassen", sagte Wagenknecht. "Ich bin es wirklich Leid, immer wieder in die Ecke gestellt zu werden."
Auch Michael Bröcker arbeitete sich an der BSW-Gründerin ab. "Wann haben Sie sich eigentlich radikalisiert?", wollte er wissen aufgrund ihrer Häme gegenüber den Grünen und anderer Aussagen in der Sendung. "Sie werden von Monat zu Monat immer härter", wollte Bröcker beobachtet haben. "Ich habe mich nicht radikalisiert", entgegnete Wagenknecht überrascht. Aber die Situation in Deutschland für die Menschen sei heute schlimmer als vor fünf oder zehn Jahren. Sie greife nur auf, was die Menschen an sie herantragen.
So hat sich Caren Miosga geschlagen
Dass sie Sahra Wagenknecht mit Samthandschuhen angefasst hat, konnten die TV-Zuschauer der Gastgeberin nach einer Stunde Sonntagabend-Talk wahrlich nicht vorwerfen. Schon ihre Eingangsfrage ("Wie ist das, nach 33 Jahren erstmals politischen Erfolg gehabt zu haben?") war provokant. Dann konfrontierte Miosga ihren Gast mit dem Personenkult im BSW: Wagenknecht-Tassen, Wagenknecht-Hoodies, Wagenknecht-Plakate, Wagenknecht überall. "Wir machen keinen Personenkult in der Partei", sagte die Angesprochene. Der Name der neu formierten Partei sei gewählt worden, damit die Menschen die Partei direkt auf dem Zettel finden. Nicht aus Eitelkeit.
Aber was ist mit Wagenknechts polarisierender Rhetorik? Scholz, der "Vasallenkanzler"! Hat sie da Anleihen bei den Reichsbürgern genommen oder gar beim radikalen Thüringer AfD-Chef Björn Höcke? "Ich benutze nicht den Wortschatz der Reichsbürger. Das finde ich jetzt wirklich unterirdisch, dieses Niveau", regte sich Wagenknecht auf. Aber Miosga blieb eisern. Die Grünen, inkompetent und gefährlich? "Sie machen durch diese Wortwahl, demokratische Parteien verächtlich." Wagenknecht blieb dabei: "Ich mache keine Partei verächtlich." Sie schüre auch keine Wut. "Ich bringe zum Ausdruck, was viele Menschen denken."
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Doch beim Vorwurf, sie habe noch nie eine soziale Einrichtung wie die Tafel besucht, wirkte Wagenknecht dann doch ein wenig angefasst. Miosgas Team konnte in Bilddatenbanken nicht ein einziges Foto finden, das Wagenknecht bei solchen Terminen zeigt. Zudem gab es eine Anfrage bei sozialen Organisationen in NRW – keine konnte sich an einen Besuch Wagenknechts erinnern. Der Vorwurf: Sie habe gar keine Berührungspunkte mit den einfachen Bürgern, deren Interessen sie immer vertreten will. "Das stimmt nicht. Ich spreche mit den Menschen", sagte Wagenknecht sichtlich irritiert. Aber sie würde nicht mit riesigen Tross und Fotografen bei solchen Terminen auftauchen. "Glauben Sie, dass die anderen Politiker, nur weil sie Fotos machen, näher an den Leuten dran sind?"
Das ist das Fazit
Das war kein einfacher Abend für Sahra Wagenknecht bei Caren Miosga. Sie sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, eine eitle Russland-Freundin mit sprachlichen Anleihen bei den Reichsbürgern und Björn Höcke und ohne direkten Kontakt zu den einfachen Leuten zu sein. Man kann ihr zumindest zugutehalten, dass sie dabei die Fassung bewahrte, wo andere Politiker vielleicht schon längst aus der Haut gefahren wären.
Wagenknecht gibt es Rückhalt, dass sie bei der Frage von Krieg und Frieden in der Ukraine und Raketenstationierung zwei Drittel der Menschen in Sachsen und Thüringen hinter sich weiß. Sie geht davon aus, dass
Was ihre rote Linie sei, woran eine Koalition in Thüringen und Sachsen scheitern würde, wollte Caren Miosga wissen. "Ich führe doch hier keine Koalitionsverhandlungen", betonte Wagenknecht, die sich bisher immer in der Rolle als Oppositionspolitikerin gefiel. Das würden ihre Mitstreiter vor Ort machen. Nun muss sie zeigen, dass ihr Bündnis auch regieren und Verantwortung übernehmen kann. Den Beweis, dass sie wirklich Lust auf Kompromisse hat – die Essenz der Demokratie – ist Wagenknecht bei Caren Miosga noch schuldig geblieben.
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