Assoziationen an die NS-Zeit rufen bei vielen das Treffen von radikalen Rechten und AfD-Vertretern in Potsdam hervor. Politiker aller Parteien warnen vor einer Rückkehr in dunkle Zeiten.
Das Treffen radikal rechter Kreise mit Extremisten und AfD-Funktionären in Potsdam hat unter den anderen Parteien die Besorgnis wegen des wachsenden Einflusses der Alternative für Deutschland noch verstärkt. Führende Politiker sehen ein Alarmsignal und fordern mehr Engagement auch der Bürger selbst.
Treffen in Potsdam erinnert an "das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte"
Bei dem Treffen in einer Villa stellte der Taktgeber der rechtsextremen Identitären Bewegung, der Österreicher Martin Sellner, Konzeptideen zur "Remigration" vor – also zur Rückführung von Zugewanderten, wie er der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sieht Parallelen zum Nationalsozialismus. "Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte", schrieb er auf der Internet-Plattform X. Die vom Medienhaus Correctiv angeführte Recherche "zeigt, dass die AfD die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehnt".
SPD-Generalsekretär
Haßelmann mahnte auf X: "Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie. Das ist hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar." Auch CDU und Linke hatten sich bereits besorgt geäußert.
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) warb dafür, trotz aller Risiken ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. "Die AfD organisiert sich mit Demokratiefeinden und Umstürzlern. Das ist hochdramatisch", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, "muss der Staat sie genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen". Zwar gab er zu bedenken: "Ein Parteiverbot hat hohe Hürden und jedes Verfahren dazu würde von der AfD propagandistisch ausgeschlachtet. Das Damoklesschwert eines Verbotes sollte aber über der AfD hängen bleiben."
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AfD-Vorsitzende sucht Ausreden
An dem Potsdamer Treffen teilgenommen hatte von der AfD etwa Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, nach Angaben eines Weidel-Sprechers hatte sie aber keine vorherige Kenntnis von Sellners Auftritt, obwohl der in der Einladung angekündigt war. Auch Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund war dabei, wie er Correctiv bestätigte, sowie – nach eigenen Angaben erst später – der Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause.
Krause sagte im Anschluss, es sei darum gegangen, "dem Migrationsrecht wieder zu Recht und Geltung zu verhelfen". Krause, der auch Pressesprecher der AfD-Landtagsfraktion ist, betonte: "Es war eine rein private Veranstaltung." Den Vortrag von Sellner habe er nicht gehört, weil er erst ab dem frühen Abend teilgenommen habe. "Die Identitäre Bewegung steht aus gutem Grund auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD", sagte Krause. Er habe aber an dem Abend Kontakt zu Sellner gehabt, weil er lieber mit Menschen als über sie spreche.
Im Zusammenhang mit dem Treffen in Potsdam hatte sich jetzt die Restaurant-Kette "Hans im Glück" von ihrem Mitgesellschafter Hans-Christian Limmer getrennt. Hintergrund seien Vorwürfe, Limmer habe zu eben dieser Veranstaltung zum Thema Remigration mit eingeladen, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens vom Mittwoch. "Die Geschäftsführung der Hans im Glück Franchise GmbH, der Inhaberkreis und das gesamte Team sind zutiefst schockiert über diese Vorwürfe", heißt es in der Erklärung. "Als Unternehmen Hans im Glück Franchise GmbH distanzieren wir uns klar von rechtsextremen Ansichten, sie stellen das genaue Gegenteil unserer Grundwerte dar."
Unter dem Begriff "Remigration" verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. Sellner schrieb der dpa in einer E-Mail, sein Vorschlag umfasse "nicht nur Abschiebungen, sondern auch Hilfe vor Ort, Leitkultur und Assimilationsdruck". Er habe eine "Musterstadt" vorgeschlagen, "die als Sonderwirtschaftszone in Nordafrika gepachtet und organisiert werden könnte". (afp/dpa/the)
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