Stichwahl in Argentinien: Der argentinische Mitte-links Wirtschaftsminister Sergio Massa und der ultra-liberale, populistische Klimaskeptiker Javier Milei treten in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl im November gegeneinander an. Das geht aus Ergebnissen der ersten Wahlrunde am Sonntag hervor. Der 51-jährige Massa, der bereits 2015 Kandidat war und sich während des Wahlkampfs von seiner Regierung distanziert hatte, lag demzufolge mit 36,6 Prozent vorn.
Der 53-Jährige Herausforderer Milei, der sich selbst als "Anarcho-Kapitalist" beschreibt, kommt demnach auf 30 Prozent. Massa stellte eine Regierung der nationalen Einheit in Aussicht und lud alle dazu ein, "die unsere demokratischen Werte teilen". Seinen Anhängern in Buenos Aires sagte er: "Ich werde Euch nicht enttäuschen." Mit Blick auf die dreistellige Inflationsrate fügte er hinzu: "Unser Land ist in einer komplizierten Lage."
Sein Kontrahent Milei zeigte sich zuversichtlich, in der Stichwahl von den Stimmen der ausgeschiedenen rechten Oppositionskandidatin Patricia Bullrich zu profitieren. "Es ist ein historischer Tag, weil zwei Drittel für einen Machtwechsel gestimmt haben", erklärte er. "Wir können gewinnen, wir können unser Land zurückerobern und unsere Kinder davon abhalten, es zu verlassen", sagte er.
Massa war für das Mitte-links-gerichtete Regierungslager angetreten, das die argentinische Politik seit Jahrzehnten dominiert. In seiner Wahlkampfzentrale brach am Sonntagabend Jubel aus. "Massa hat einen sehr guten Wahlkampf gemacht. Er hat den Kontakt mit den Menschen gesucht", sagte Jonatan Pagano, ein 36-jähriger Bauarbeiter.
Die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas ächzt seit Jahrzehnten unter Finanzkrisen, die durch Verschuldung, finanzielles Missmanagement und Inflation gekennzeichnet sind. Im September lag die Inflationsrate bei 138 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Argentinien hat hohe Schulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF), mehr als ein Drittel der knapp 47 Millionen Menschen leben unter der Armutsgrenze.
Für viele Argentinier verkörperte daher der ungestüme Milei die Hoffnung auf einen Aufschwung. In den Umfragen vor der Wahl lag er vorn. Milei machte im Wahlkampf mit spektakulären Auftritten mit Kettensäge von sich Reden, seinem Symbol für den geplanten Rückbau des Staatsapparates. Er kündigte an, mit der "parasitären Politiker-Kaste" aufräumen zu wollen, die Zentralbank "in die Luft zu sprengen" und den US-Dollar als Währung einzuführen.
Milei wird oft mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und dem brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro verglichen. Er ist gegen Abtreibung und Sexualkundeunterricht, leugnet die Verantwortung des Menschen für den Klimawandel und kündigte an, im Falle eines Wahlsiegs rund zehn Ministerien abschaffen zu wollen.
Bolsonaros Sohn Eduardo demonstrierte am Sonntag in der Wahlkampfzentrale Mileis seine Unterstützung: "Ich glaube, dass Milei gewinnen wird, ob in der ersten oder zweiten Wahlrunde, ist egal", sagte er. Die ehemalige Sicherheitsministerin Patricia Bullrich, die bei der Präsidentenwahl das rechte Oppositionslager vertrat, landete mit 23,6 Prozent auf Platz drei.
Die Stichwahl zwischen Massa und Milei ist für den 19. November geplant. Der Wahlsieger soll im Dezember sein Amt antreten. Am Sonntag waren mehr als 35 Millionen Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen. Sie konnten auch über eine teilweise Neubesetzung des Parlaments abstimmen. © AFP
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