Die Lage in der Ukraine droht zu eskalieren, die Gewalt auf und abseits des Maidan nimmt zu. Seit Wochen demonstrieren Oppositionsanhänger gegen den russlandnahen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Maria Sataeva lebt in Kiew und erlebt die Proteste hautnah. Im Interview mit diesem Portal spricht sie über die Machenschaften der Regierung, die Sorgen der Demonstranten und die Unentschlossenheit der Opposition um Vitali Klitschko.

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Frau Sataeva, wie schätzen Sie die aktuelle Lage in der Ukraine ein?

Sataeva: Es gibt bei uns keine politische Krise, denn: Das ist keine Politik, die unsere Regierung und das ganze Machtsystem machen. Das ist Terror! Ich übertreibe nicht. Unser Präsident ist durch Betrug und Einschüchterung an die Macht gekommen. Er ist kein Politiker, sondern ein Krimineller. Und so hat er auch das ganze Machtsystem gebaut. Für West-Europäer ist das kaum vorzustellen, aber das ist die Wahrheit.

Wird die Lage Ihrer Meinung nach in den kommenden Tagen eher eskalieren oder wieder abkühlen?

Sataeva: Die Situation wird wahrscheinlich eskalieren, weil die Regierung ihr eigenes Volk nicht hört. Sie bleibt taub und stumm. Der Präsident täuscht Verhandlungen vor, und zur selben Zeit schießt die Polizei weiter. Menschen werden außerhalb des Maidan (der zentrale Platz und Ort der Proteste in der Hauptstadt Kiew, d. Red.) festgenommen. Die Berkut (Sondergruppe der Polizei, d. Red.) jagt die Menschen auf den Straßen. Verwundete werden von der Polizei aus den Krankenhäusern entführt und aus verlogenen Gründen vor Gericht gestellt. Am vergangenen Freitag zum Beispiel bearbeitete ein Gericht 19 (!) Fälle noch nach der Arbeitszeit, mitten in der Nacht.

Wie würden Sie das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Demonstranten beschreiben?

Sataeva: Die Atmosphäre ist friedlich, aber wir sind so besorgt wie nie zuvor. Wir wissen, dass, wenn wir diese Regierung jetzt nicht loswerden, morgen und übermorgen alle Aktivisten gejagt und verhaftet werden. Und nicht nur das: Auch unsere Verwandten und Freunde, unsere Arbeit und alles, was wir haben, sind in Gefahr.

Haben Sie Angst, dass ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte, falls sich beide Seiten nicht einigen können?

Sataeva: Es gibt keinen Grund für einen Bürgerkrieg, weil das Volk nicht gegeneinander kämpfen will. Es gibt die Polizei, die jahrelang trainiert und gut bezahlt wurde, die auf die Menschen schießt. Wir protestieren gegen das korrupte System und die Ungerechtigkeit, die seit Jahren von unserer Regierung, den Machthabenden und deren Anhängern ausgeübt wurde. Die Korruption ist so groß geworden, dass es keine unabhängigen Gerichte und Polizisten mehr gibt. Niemand kann uns vor Erpressung verteidigen, also nehmen wir das jetzt selbst in die Hand. Es gibt natürlich auch Anhänger des Präsidenten Janukowitsch. Und unter ihnen gibt es auch einen Teil, der der Propaganda aus dem Osten glaubt. Aber sie werden das korrupte System nicht leidenschaftlich verteidigen.

Akzeptieren die Demonstranten Vitali Klitschko als Führer der Opposition?

Sataeva: Die Opposition ist schwach und unentschlossen. Deshalb wird sie von den Menschen stark kritisiert. Aber wir haben keine anderen Leute. Und manchmal wirkt es so, als ob Klitschko die Menschen nicht hören würde. Dabei ist er derjenige, der am stärksten engagiert ist.

Wie kommen Sie und die anderen Demonstranten mit den kalten Temperaturen zurecht?

Sataeva: Das kalte Wetter stört uns wirklich. Besonders in den vergangenen Tagen, bei etwa minus 20 Grad in der Nacht. Aber die Männer bleiben trotzdem stark und unentwegt.

Maria Sataeva ist 32 Jahre alt und lebt in Kiew. Sie arbeitet als Lehrerin und unterrichtet Deutsch als Fremdsprache.
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