Eine Gruppe von "Reichsbürgern" plante laut Bundesanwaltschaft den gewaltsamen Umsturz. Nun stehen unter anderem die mutmaßlichen Rädelsführer in Frankfurt vor Gericht.
Mit einer Flut von angekündigten Anträgen hat vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main am Dienstag der Prozess gegen die mutmaßlichen Köpfe des sogenannten Reichsbürgernetzwerks begonnen. Die Verhandlung startete mit rund einstündiger Verzögerung. Angeklagt sind neun Menschen um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Die meisten von ihnen müssen sich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens verantworten.
Der Bundesanwaltschaft zufolge sollen sie die freiheitliche demokratische Grundordnung abgelehnt und einen gewaltsamen Umsturz geplant haben. Demnach sollen die Angeklagten an verschiedene Verschwörungsmythen geglaubt haben. Reuß war als provisorisches Staatsoberhaupt vorgesehen.
Ein weiterer Angeklagter, Rüdiger von P., soll die Gruppe im Juli 2021 mitgegründet haben. Der ehemalige Oberstleutnant und Kommandeur eines Fallschirmjägerbataillons der Bundeswehr soll laut Bundesanwaltschaft an der Spitze ihres militärischen Arms gestanden haben.
Unter den Angeklagten in dem Prozess ist auch die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann. Ihre Zugangsrechte zum Bundestag soll sie genutzt haben, um dort drei weitere Gruppenmitglieder einzuschleusen und Liegenschaften auszukundschaften.
Das Frankfurter Großverfahren findet auch wegen der großen Zahl der Beteiligten in einer eigens dafür errichteten Leichtbauhalle statt. Vor dem Gebäude versammelten sich auf der anderen Straßenseite am Morgen etwa zehn Menschen zu einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus.
Dass die Verhandlung am Dienstag verspätet begann, lag unter anderem an technischen Problemen. Zudem hatte einer der Angeklagten nach Angaben einer Gerichtssprecherin noch ein Gespräch mit seinem Verteidiger.
Zu Beginn der Verhandlung stellte die Verteidigung mehrere Anträge auf audiovisuelle Aufzeichnung des Verfahrens für interne Zwecke. Weitere Anträge wurden zudem angekündigt. Bis zum Mittag war die Anklage noch nicht verlesen.
Das mutmaßliche Netzwerk um Prinz Reuß war im Dezember 2022 aufgedeckt worden. Insgesamt gibt es in dem Gesamtkomplex bislang 26 Angeklagte. Gegen dutzende weitere Menschen wird noch ermittelt.
Bereits Ende April begann der erste Prozess vornehmlich gegen den militärischen Arm der Gruppe mit neun Angeklagten in Stuttgart, ab dem 18. Juni wird vor dem Oberlandesgericht München gegen weitere acht mutmaßliche Mitglieder verhandelt.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem Netzwerk vor, ab August 2021 zunächst geplant zu haben, den Umsturz mit einem Angriff auf den Bundestag und der Festnahme von Abgeordneten zu erreichen. Es gab demnach einen Entwurf für eine "Absetzungserklärung der Bundesregierung".
Die Gruppenmitglieder sollen geglaubt haben, dass Deutschland von einer "verschwörerischen Sekte pädophiler Eliten" beherrscht werde. Sie seien davon überzeugt gewesen, dass die Bevölkerung "aufwachen" und sich hinter sie stellen werde.
Später habe die Gruppe auf ein Zeichen der von ihr sogenannten Allianz gesetzt. An einen solchen - in Wirklichkeit nicht existierenden - Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Militärs verschiedener Staaten wie Russland und den USA hätten die Angeklagten geglaubt und sich von ihm die Befreiung Deutschlands erhofft.
Dabei hätten sie auf ein Zeichen gewartet, wenn die Allianz die obersten Institutionen angreife. Die Gruppe selbst habe geplant, dann Institutionen und Amtsträger auf den Ebenen von Bundesländern, Kreisen und Kommunen zu beseitigen.
Das mutmaßliche Netzwerk wurde im Dezember 2022 aufgedeckt. Die meisten der Angeklagten sitzen seitdem in Untersuchungshaft. An allen drei Oberlandesgerichten sind bereits Verhandlungstage bis ins Jahr 2025 hinein festgesetzt.
Diese Mammutprozesse stellen aber nicht das Ende der Ermittlungen dar: Nach Angaben der Bundesanwaltschaft unterschrieben mindestens 136 Menschen eine Verschwiegenheitserklärung der Gruppe. © AFP
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.