Ein Kandidat der AfD wird erstmals Oberbürgermeister einer deutschen Stadt. Das Votum der Wähler stößt auf Kritik. Derweil geben sich die Unterlegenen gegenseitig die Schuld.
Der bundesweit erste Sieg der AfD bei einer Oberbürgermeisterwahl hat bei anderen Parteien und Verbänden Besorgnis ausgelöst. "Die Bürgerinnen und Bürger von Pirna haben entschieden. Das ist Demokratie, das Ergebnis beunruhigt uns im Deutschen Städtetag aber sehr", erklärte der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, am Montag in Berlin. Das Ergebnis zeige, dass vielerorts ein Riss durch die Gesellschaft gehe.
"Wir nehmen die Menschen in unseren Städten wahr, die krisenmüde sind und manchen politischen Diskussionen nicht mehr folgen wollen oder können. Ihnen muss unser Augenmerk gelten. Sie sind es, die wir bei den vielen Veränderungen, vor denen wir stehen, mitnehmen müssen", so Lewe. Das werde nicht gelingen mit Parteien, die extremistische Positionen vertreten. "Extremistische Parteien setzen darauf, die Gesellschaft zu spalten und schüren Angst und Verunsicherung."
Erstmals gewinnt AfD-Kandidat eine Oberbürgermeisterwahl
Mit Tim Lochner hatte am Sonntag erstmals ein Kandidat der AfD eine Oberbürgermeisterwahl in Deutschland gewonnen. Der 53-Jährige schlug im zweiten Wahlgang die CDU-Kandidatin Kathrin Dollinger-Knuth und den Parteilosen Ralf Thiele, der für die Freien Wähler ins Rennen ging. Lochner selbst ist gleichfalls parteilos und will nach eigenem Bekunden auch nicht in die AfD eintreten. Der AfD-Landesverband Sachsen war kürzlich vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft worden.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) äußerte sich im Kurzmitteilungsdienst X (vormals Twitter) so: "Die AfD hat die OB-Wahl in Pirna gewonnen. Gegen zwei respektable Mitbewerber legte der AfD-Kandidat im 2. Wahlgang nochmals zu. Diesen Wählerwillen aus Pirna gilt es zu respektieren. Genauso die Entscheidung der Mitbewerber, im 2. Wahlgang wieder anzutreten..."
Der Linke-Fraktionschef im sächsischen Landtag, Rico Gebhardt, sah am Wahlabend einen "schwarzen Tag" nicht nur für die Stadt Pirna. "Es ist den Wählenden egal, ob eine Partei als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, sie wählen sie bewusst trotzdem", schrieb er bei X.
Komitee nennt Wahl "ein bitteres Signal"
Das Internationale Auschwitz Komitee erinnerte an die Geschichte Pirnas als Ort der Euthanasie-Verbrechen. In der Pflegeanstalt Pirna- Sonnenstein ermordeten die Nationalsozialisten in den Jahren 1940 und 1941 rund 13 720 vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen.
"Darüber hinaus ist diese Wahl ein bitteres Signal an alle Repräsentantinnen und Repräsentanten der demokratischen Parteien, was geschieht, wenn sie sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können und der AfD und ihren Wählerinnen und Wählern das Feld überlassen", erklärte Vize-Präsident Christoph Heubner.
Die Freien Wähler attackierten am Montag die CDU. Die CDU habe es nicht fertiggebracht, sich hinter den nach dem 1. Wahlgang zweitplatzierten Kandidaten der Freien Wähler zu stellen, sagte Thomas Weidinger, Landeschef der Freien Wähler in Sachsen. "Stattdessen hat man mit dem nochmaligen Antritt der CDU-Kandidatin bewusst in Kauf genommen, für die AfD den Steigbügelhalter zu spielen."
Die unterlegene CDU-Kandidatin Dollinger-Knuth sah das noch am Wahlabend anders. "Obwohl wir fast alle Kräfte hinter unserem politischen Angebot versammelt haben, hat sich der Wähler anders entschieden. Leider haben sich die Freien Wähler entschlossen, allein weiterzumachen und damit den Weg für einen AfD-Erfolg geebnet", sagte sie. Beides gelte es zu akzeptieren. © dpa
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