Die Bluttaten der vergangenen Wochen haben Angst ausgelöst und das rechtspopulistische Lager in Europa auf den Plan gerufen. Nach den Anschlägen nutzen führende Akteure die Gewalttaten für Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik. Doch was ist dran an den Aussagen und welche Verantwortung trägt Bundeskanzlerin Angela Merkel tatsächlich?
Was in Deutschland und Frankreich geschehen ist, spielt den europäischen Rechtspopulisten in die Karten. Denn nun können sie erneut warnend den Zeigefinger erheben – getreu dem Motto: Wir haben es euch ja gesagt.
Und die Schuldige haben sie auch schnell ausgemacht: Bundeskanzlerin
Rechtspopulisten bedienen sich einer gefährlichen Logik
Für Viktor Orbán, den rechtskonservativen Ministerpräsidenten von Ungarn, stellt laut eigener Aussage jeder einzelne Migrant eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ein Terrorrisiko dar. Lange sieht darin eine typische Verallgemeinerung: "Rechtspopulisten bedienen sich einer einfachen Logik. Alles, was fremd ist, ist gefährlich."
Das sei reine Augenwischerei. "Sie nutzen stets diese einfachen Botschaften und unwahren Behauptungen, die sie immer wieder wiederholen. Und begünstigen damit, was der 'Islamische Staat' will: unsere Gesellschaft zu spalten", sagt Lange.
Für Geert Wilders, Rechtspopulist aus den Niederlanden, ist Angela Merkel für die Gewalttaten verantwortlich. Er twitterte eine Fotomontage der Bundeskanzlerin, die sie mit blutbefleckten Händen zeigt. Er bezeichnete sie und den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte als "feige Typen". Mehr noch: Er "bedankte" sich bei den beiden "für das Reinlassen dieser Terroristen".
Der ehemalige Chef der europakritischen UKIP-Partei Nigel Farage nannte die Entscheidung der Bundeskanzlerin, ungehindert Flüchtlinge ins Land zu lassen, die schlechteste, die je ein europäischer Politiker seit 1945 getroffen habe.
Die rechtspopulistische FPÖ in Österreich steht diesen Aussagen in nichts nach. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache warnte vor einer gefährlichen Willkommenskultur: "Der Terror in Europa zeigt, dass wir eine andere Ausländerpolitik brauchen. Die Politik der offenen Grenzen und der falschen Toleranz muss beendet werden."
Für Lange ebenfalls Beispiele für Augenwischerei: "Es wird immer wieder behauptet, Angela Merkel habe die Flüchtlinge zu uns eingeladen. Das stimmt aber so nicht. Sie sind vor Krieg geflohen oder weil sie in den Flüchtlingslagern keine Lebensmittel mehr hatten."
Man müsse sich dabei auch klarmachen, dass sich beide Seiten – also die EU und die Flüchtlinge – die jetzige Situation so nie gewünscht hätten. Es sei nun die Herausforderung, damit umzugehen. Und zwar gemeinsam.
Rechtspopulisten tragen nichts zur Lösung des Problems bei
Der Vize-Parteichef der französischen Front National, Florian Philippot, twitterte, die Aufnahme von Migranten sei ein Wahnsinn, vor dem seine Partei ständig warne. Die Abgeordnete Marion Maréchal-Le Pen, die Nichte von Parteichefin Marine Le Pen, ging noch einen Schritt weiter: "Wie viele Terroristen gibt es unter Merkels Million Flüchtlingen? 10? 100? 1.000? Unverantwortlich."
Auch in Deutschland blieben derartige Stimmen nicht aus. AfD-Vize Alexander Gauland forderte sogar einen Einwanderungsstopp für Muslime nach Deutschland. Das Bundesinnenministerium wies die Forderung bereits als gesetzeswidrig zurück.
"Was uns die Rechtspopulisten verschweigen, ist, dass die meisten der Täter nicht mit dem Flüchtlingsstrom gekommen sind, sondern hier gelebt haben und ein Beispiel für gescheiterte Integration sind", erklärt Lange.
Davon abgesehen sollte man sich jedoch viel mehr Gedanken darüber machen, wie es zu einer Radikalisierung der Menschen, auch von Deutschen, überhaupt kommen könne.
Gezielte Provokation zu einem ganz bestimmten Zweck
"Die Rechtspopulisten haben kein Konzept. Sie wollen lediglich eine stärkere öffentliche Zustimmung erreichen. Es geht dabei um Aufmerksamkeit durch Provokation", erklärt Lange.
Der Zynismus und die Gehässigkeit, mit der die Rechtspopulisten auf die jüngsten Gewalttaten reagierten, seien keine Lösung für das Problem, "das nur in einem gemeinsamen europäischen Rahmen gelöst werden kann", betont der Politikwissenschaftler.
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