Die rechtliche Gleichstellung lesbischer Mütter und mehr Rechtssicherheit für Samenspenden - Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will das Familienrecht reformieren. Damit soll neuen Beziehungsmodellen Rechnung getragen werden.

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Auch unverheiratete Paare sollen in Deutschland nach dem Willen von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in Zukunft gemeinsam ein Kind adoptieren können. Außerdem soll die Adoption eines Kindes durch einen einzelnen Ehegatten ermöglich werden. Diese beiden Neuerungen sind Teil eines Vorhabens für die Reform des Kindschafts- und Abstammungsrechts, die sein Ministerium am Dienstag veröffentlichte.

Zudem plant die Bundesregierung rechtliche Erleichterungen für nicht mit der Mutter verheiratete Väter sowie für homosexuelle Paare mit Kindern. "Viele Kinder wachsen heute in Trennungsfamilien auf, in Patchwork- und Regenbogenfamilien oder bei nicht miteinander verheirateten Eltern", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Das Familienrecht hinke dieser neuen Realität hinterher.

Leichterer Weg zum Sorgerecht für unverheiratete Väter geplant

Laut dem Eckpunkte-Papier soll der leibliche Vater künftig auch dann, wenn er mit der Mutter nicht verheiratet ist, einfacher das gemeinsame Sorgerecht erlangen können - vorausgesetzt, das Paar lebt zusammen. Wenn die Mutter nicht widerspricht, soll dafür dann eine einseitige, beurkundete Erklärung ausreichen. Das Gleiche soll bei lesbischen Paaren für eine weitere Mutter gelten.

Neu eingeführt werden soll unter anderem auch ein eigenes Recht des Kindes auf Umgang mit Großeltern und Geschwistern sowie ein eigenes Umgangsrecht des Kindes mit anderen Bezugspersonen.

Wenn sich ein lesbisches Paar und ein schwules Paar verabreden, ein Kind zu zeugen, soll es nach den Vorstellungen des Bundesjustizministeriums in Zukunft möglich werden, bereits vor der Zeugung eine rechtssichere sogenannte Elternschaftsvereinbarung zu treffen. Der Grundsatz, dass jeder Mensch zwei Elternteile hat, soll bei der geplanten Reform aber grundsätzlich nicht angetastet werden.

Im Falle einer Trennung der Eltern sollen Kinder ab dem 14. Lebensjahr mehr Möglichkeiten erhalten, Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen, die das Sorge- und Umgangsrecht betreffen. Beispielsweise soll ein Kind ab diesem Alter selbst eine erneute Entscheidung über eine bereits getroffene Umgangsregelung beantragen können. Bislang können die Jugendlichen dem Familiengericht lediglich eine Anregung zu geben, hier tätig zu werden. Wenn nicht miteinander verheiratete Eltern künftig eine gemeinsame Sorge vereinbaren, soll ein Kind ab dem 14. Lebensjahr zudem die Möglichkeit haben, dem zu widersprechen.

"Kleines Sorgerecht" soll erleichtert werden

In Angelegenheiten, die das tägliche Leben ihres Kindes betrifft, sollen getrennt lebende Elternteile mit gemeinsamem Sorgerecht zudem künftig für den Zeitraum, in dem sich das Kind bei ihnen aufhält, alleine entscheiden können. Ist das Kind beispielsweise immer donnerstags beim Vater, dürfte dieser sein Kind nach den Vorstellungen des Justizministers auch ohne Zustimmung der Mutter für einen Geigenunterricht, der nur donnerstags stattfindet, anmelden.

Erleichtert werden soll nach den Plänen von Buschmann auch die Übertragung eines "Kleinen Sorgerechts" an Großeltern, enge Freunde, Nachbarn oder neue Partner, damit diese stellvertretend für die Eltern einfache Angelegenheiten regeln können, etwa das Kind in der Kita abholen oder mit ihm zum Arzt gehen. Wer solche sorgerechtlichen Befugnisse durch Vereinbarung erhält, soll verpflichtet sein, diese im Einvernehmen mit beiden sorgeberechtigten Elternteilen auszuüben. Leben diese getrennt, soll es nur auf das Einvernehmen des Elternteils ankommen, in dessen Betreuungszeit die zu entscheidende Angelegenheit fällt.

Lob von Paus und Verbänden – aber auch Kritik an Reform

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) begrüßte die geplanten Änderungen: "Das Abstammungsrecht rührt aus einer Zeit, in der es neben dem klassischen Familienmodell Vater-Mutter-Kind kaum andere Familienformen gab", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Heute seien Patchwork- und Regenbogenfamilien Alltag vieler Menschen in Deutschland. "Die Gesellschaft hat sich verändert, das Recht hingegen nicht." Daher sei es gut, das Recht endlich den gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Paus bezeichnete das vorgelegte Eckpunktepapier als "gute Grundlage, auf dem Weg zu einer dringend erforderlichen Gesetzesreform".

Das Justizministerium will auf Grundlage der beiden Eckpunktepapiere nun Gesetzentwürfe erarbeiten. Diese sollen im ersten Halbjahr 2024 vorgelegt werden. Auf ein "zügiges" Gesetzgebungsverfahren pocht dabei der Lesben- und Schwulenverband (LSVD). Die verfassungswidrige Diskriminierung von Regenbogenfamilien müsse schnellstmöglich der Vergangenheit angehören, forderte Patrick Dörr, Mitglied im LSVD-Bundesvorstand.

Mit den Reformvorschlägen "würde die gelebte Realität vieler Regenbogenfamilien endlich rechtlich abgesichert". Kritik äußerte der LSVD-Vorstand mit Blick auf "fehlende konkrete Vorschlägen zu trans*, inter* und nichtbinärer Elternschaft" und die fehlende Rückwirkung der Regelungen. Diese sähen nicht vor, dass Erklärungen zur Annahme eines Kindes auf den Zeitpunkt bereits gestellter Adoptions-, Feststellungsanträge oder gemeinsamer Geburtsanzeigen zurückwirkten

"Die Eckpunkte sehen mit der Abschaffung von Stiefkindadoptionen für Zweimütterfamilien und der Einführung von Elternschaftsvereinbarung massive Verbesserungen für Regenbogenfamilien vor", kommentierte der Lesben- und Schwulenverband die Vorschläge des Bundesjustizministeriums. Zu unkonkret sei dagegen der Passus zur Elternschaft von trans- und intergeschlechtlichen Menschen sowie von nichtbinären Elternteilen. (dpa/afp/thp)

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