Kurz vor Weihnachten treffen sich führende Vertreter europäischer Nato-Staaten noch einmal mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Geht es auch um mögliche Pläne Donald Trumps?

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Spitzenvertreter europäischer Nato-Staaten haben rund einen Monat vor Donald Trumps Amtsantritt als US-Präsident vertrauliche Gespräche über die schwierige Lage der Ukraine und weitere Unterstützungsmöglichkeiten geführt. An dem von Nato-Generalsekretär Mark Rutte organisierten Treffen in Brüssel nahmen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am späten Mittwochabend Bundeskanzler Olaf Scholz und die Staats- und Regierungschefs von Polen, Italien, Dänemark und den Niederlanden teil.

Zudem waren der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, die Außenminister aus Frankreich und Großbritannien sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa dabei. Selenskyj soll an diesem Donnerstag auch als Gast an einem EU-Gipfeltreffen teilnehmen.

Zum Verlauf der Gespräche und zu möglichen Ergebnissen wurden in der Nacht zunächst keine näheren Angaben gemacht. Selenskyj und andere Teilnehmer wollen allerdings am Donnerstag beim EU-Gipfel Pressekonferenzen geben.

Europäer wollen Kiew in starke Verhandlungsposition bringen

Hintergrund des informellen Treffens in Ruttes Brüsseler Residenz waren die schwierige militärische Lage für die ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes und das Szenario, dass Trump als US-Präsident versuchen könnte, die Ukraine und Russland zu Verhandlungen zu drängen. In Kiew wird befürchtet, dass er der Ukraine etwa androhen könnte, im Fall einer Weigerung die Militärhilfe einzustellen. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wiederum könnte er drohen, die Militärhilfe für Kiew noch einmal auszubauen, falls der Kremlchef sich Verhandlungen verweigern sollte.

Für die europäischen Nato-Staaten stellt sich deswegen die Frage, wie die Ukraine in die Lage versetzt werden kann, mögliche Friedensverhandlungen mit Russland aus einer Position der Stärke heraus zu führen. Im Gespräch sind in diesem Zusammenhang etwa neue Waffenlieferungen, aber auch die Entsendung von Friedenstruppen zur Absicherung einer möglichen Waffenruhe. Selenskyj sagte am Mittwochabend vor den Gesprächen, kurzfristig benötige die Ukraine vor allem weitere Flugabwehrsysteme. Zudem gehe es um Sicherheitsgarantien "sowohl für heute als auch für morgen".

Putin bei der Pressekonferenz
Was ist die beste Strategie, um Wladimir Putin zum Aufgeben zu bewegen? Diese Frage stellen sich die europäischen Partner der Ukraine. (Archivbild) © dpa / Aleksey Nikolskyi/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Rutte warb vor dem Treffen ebenfalls für weitere Unterstützung und warnte vor großen öffentlichen Debatten über einen möglichen Deal zwischen der Ukraine und Russland. "Wenn wir jetzt untereinander diskutieren, wie ein solches Abkommen aussehen könnte, machen wir es den Russen einfach. Sie sitzen entspannt in ihren Sesseln, hören unseren Diskussionen zu, rauchen genüsslich eine Zigarre und sehen sich das alles im Fernsehen an", sagte er. "Das halte ich nicht für hilfreich."

Rutte fügte hinzu, dass es in Demokratien natürlich unvermeidlich sei, dass man all diese Dinge offen diskutiere. Aus seiner Sicht wäre es aber klug, das "etwas einzudämmen" und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren also Selenskyj und Ukraine so stark zu machen, dass sie Gespräche mit den Russen aufnehmen könnten, wenn sie selbst das für richtig hielten.

Rutte und Starmer fehlen bei Treffen

Der französische Präsident Emmanuel Macron, der sich zuletzt immer wieder offen für eine Entsendung von Truppen gezeigt hatte, nahm nicht an dem Treffen in Ruttes Residenz teil obwohl er noch am frühen Abend für einen EU-Westbalkan-Gipfel in Brüssel gewesen war und sich dann auch noch bilateral mit Selenskyj getroffen hatte. Als Begründung wurde genannt, dass Macron an diesem Donnerstag die vom Zyklon "Chido" verwüstete Insel Mayotte besuchen will, ein französisches Überseegebiet im Indischen Ozean.

Macron ließ sich wie auch der britische Premierminister Keir Starmer von seinem Außenminister vertreten. Die beiden einzigen europäischen Nato-Staaten mit Atomwaffen waren damit nicht auf höchster Ebene vertreten.

Ukraine weiter unter Druck an der Front

An der Front in der Ukraine stehen die Truppen des Landes weiterhin unter Druck. Dem Lagebericht des Generalstabs zufolge gab es im Tagesverlauf mehr als 200 Zusammenstöße zwischen russischen Angreifern und ukrainischen Verteidigern. Allein 55 Attacken davon führten die Russen demnach im eigenen Gebiet Kursk. In den vergangenen Tagen wurden dabei Berichten zufolge auch viele nordkoreanische Soldaten eingesetzt.

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Raum Pokrowsk im ostukrainischen Gebiet Donezk. Im südlich davon gelegenen Kurachowe halten die Ukrainer nur noch einen kleinen Teil der Stadt. Möglicherweise werden sie Kurachowe in den nächsten Tagen aufgeben müssen, wenn sie nicht in einen Kessel geraten wollen. Der Militärblog "DeepState" meldete, dass russische Truppen die Ortschaft Trudowe besetzten und auch in der Region Charkiw vorrückten.

Ein russischer Raketenangriff im südostukrainischen Krywyj Rih legte nach Angaben der örtlichen Militärverwaltung die Stromversorgung in Teilen der Großstadt lahm und beschädigte sowohl Hochhäuser als auch ein Krankenhaus. Tote gab es demnach nicht. Im südrussischen Rostow wiederum habe ein ukrainischer Drohnenangriff eine Ölraffinerie in Brand gesetzt, teilte der Gouverneur der Region auf Telegram mit. Die Angaben beider Kriegsparteien ließen sich zunächst nicht überprüfen.

Kritik an Tötung von russischem General aus Washington

Dass die Ukraine sich künftig bei ihren Aktionen nicht mehr auf Rückendeckung aus den USA verlassen kann, wurde nach dem Mordanschlag auf den russischen General Igor Kirillow in Moskau deutlich.

Hochrangiger General in Moskau bei Explosion getötet
Die Ermordung eines russischen Generals in Moskau erregte weit über Russland hinaus Aufsehen. © dpa / AP

Der von Trump nominierte Sondergesandte für die Ukraine und Russland, Keith Kellogg, äußerte sich kritisch dazu: "Es gibt Regeln für die Kriegsführung, und es gibt bestimmte Dinge, die man einfach nicht tun sollte", sagte Kellogg dem US-Sender Fox Business. Während ein General auf dem Schlachtfeld ein legitimes Ziel sei, überschreite ein gezielter Angriff auf "Nichtkombattanten" also Personen außerhalb aktiver Gefechte die Regeln. "Wenn man (...) Generäle in ihrer Heimatstadt tötet, dann hat man das irgendwie ausgedehnt", sagte Kellogg.

Das wird am Donnerstag wichtig

Neben dem EU-Gipfel in Brüssel spielt die Ukraine am Donnerstag auch in Moskau eine wichtige Rolle. Dort tritt Kremlchef Putin zu seiner traditionellen Jahrespressekonferenz an, die er diesmal erneut mit einer Bürgersprechstunde kombinieren wird. In der Marathonveranstaltung wird er voraussichtlich einmal mehr die Sichtweise des Kremls auf den Krieg darlegen. (dpa/bearbeitet von tas)

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