Schwere Luftschläge Russlands gegen die Infrastruktur der Ukraine forderten auch Todesopfer. Präsident Selenskyj beschwor anschließend seine westlichen Partner, ihm die Erlaubnis zum Angriff Russlands zu geben.
Bei einem der schwersten Angriffe in zweieinhalb Jahren Krieg hat Russland die Ukraine massiv mit Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen aus der Luft beschossen. 15 der insgesamt 24 ukrainischen Regionen seien getroffen worden, teilte Ministerpräsident Denys Schmyhal auf Telegram mit. "Es gibt Tote und Verletzte." Das Hauptziel der Angriffe sei einmal mehr das Energiesystem der Ukraine gewesen. Beschädigt wurde unter anderem das Wasserkraftwerk am Kiewer Stausee. In der Hauptstadt der Ukraine und in anderen Landesteilen kam es zu Stromausfällen und Notabschaltungen.
Selenskyj will mit Erlaubnis der westlichen Partner zurückschlagen
Russland habe mehr als 100 Raketen und ähnlich viele Kampfdrohnen eingesetzt, sagte Präsident Wolodymr Selenskyj. Er erneuerte die flehentliche Kiewer Bitte an Partnerländer, den Einsatz westlicher Waffen gegen Militärziele tief im Rückraum Russlands zu erlauben. "Jeder Führer, jeder Partner von uns weiß, welche starken Entscheidungen notwendig sind, um diesen Krieg zu beenden, und zwar auf faire Weise." Für die Ukraine dürfe es keine Reichweitenbeschränkung geben, weil auch Russland seine Angriffe nicht beschränke. Ähnlich appellierten Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak und Außenminister Dmytro Kuleba an die Verbündeten.
Weil die Angriffe den ganzen Vormittag andauerten, sammelten sich die Angaben zu Opfern und Schäden nur langsam. In ersten Behördenberichten war von 5 Toten und 17 Verletzten in verschiedenen Landesteilen die Rede. Das Bombardement traf die Ukraine, als die Menschen nach dem Wochenende mit dem Unabhängigkeitstag wieder zur Arbeit gingen.
In Kiew war der Luftalarm erst nach fast acht Stunden gegen 13.45 Uhr Ortszeit vorbei, weil bis dahin immer noch Schwärme russischer Kampfdrohnen im Luftraum registriert wurden. Videos zeigten, wie die Menschen in der Millionenstadt dicht gedrängt die U-Bahnstationen als unterirdische Zuflucht nutzten.
Elf russische Langstreckenbomber in der Luft
Der ukrainischen Luftwaffe zufolge setzte die russische Armee zeitweise elf Langstreckenbomber Tu-95 ein, die als Abschussrampen für Marschflugkörper dienen. Außerdem wurden demnach Hyperschallraketen Kinschal auf die Ukraine abgefeuert. Auch aus dem Schwarzen Meer sei die Ukraine mit Marschflugkörpern Kalibr beschossen worden. Dazu wurden nach vorläufigen Angaben Dutzende Drohnen in der Luft geortet. Angaben zu Treffern auf militärische Ziele machte die Ukraine wie üblich nicht.
Wegen der Nähe der russischen Angriffe zur polnischen Grenze ließ das polnische Militär Abfangjäger aufsteigen, wie die Nachrichtenagentur PAP meldete. An dem Einsatz waren den Angaben nach auch Flugzeuge anderer Verbündeter beteiligt.
Notabschaltungen im ukrainischen Stromnetz
"Der Feind lässt nicht von seinen Plänen ab, den Ukrainern das Licht auszuschalten", schrieb Energieminister Herman Halutschschtenko auf Facebook. Die Lage sei schwierig. Der Stromversorger Ukrenerho und andere Energiefirmen versuchten, das Netz durch Notabschaltungen zu entlasten. Wo kein Strom ist, fällt meist auch die Versorgung mit Wasser aus.
Über den Treffer auf das Wasserkraftwerk von Kiew berichtete die Nachrichtenagentur Unian, nachdem in russischen Telegramkanälen ein Video der Schäden aufgetaucht war. Demnach brannte es im Turbinenraum des Wasserkraftwerks, die Straße auf der Staumauer war beschädigt. Die Militärverwaltung des Kiewer Umlands bestätigte offiziell nur Schäden an zwei nicht näher bezeichneten Anlagen der Energieinfrastruktur.
Seit dem Jahreswechsel 2023/24 hat Russland mit mehreren kombinierten Luftangriffen versucht, Kraftwerke und die Energieinfrastruktur der Ukraine auszuschalten. Bei einem Angriff am 29. Dezember setzte die russische Armee nach Kiewer Zählung 122 Raketen und Marschflugkörper sowie 36 Drohnen ein. In der Ukraine waren mehr als 30 Tote zu beklagen.
Die Ukraine wehrt seit Februar 2022 eine große russische Invasion ab. Am Samstag hatte Europas zweitgrößtes Land den 33. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von der Sowjetunion begangen. (dpa/ bearbeitet von the)
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