In Russland berichten Militärblogger in den Sozialen Medien über den Krieg in der Ukraine. Im Gegensatz zur Presse unterliegen sie dabei nicht der Zensur. Trotzdem erfüllen sie laut Experten einen Zweck für die russische Propaganda.
Er saß gerade bei einer Diskussion in einem Café, als ein Sprengsatz hochging. Am 2. April wurde Maxim Fomin getötet. Besser bekannt ist der Blogger seinen ungefähr 500.000 Followern bei Telegram unter dem Pseudonym Wladlen Tatarski. Fomin ist einer von ungefähr 500 Militärbloggern in Russland, die das US-amerikanische "Institute for the study of war" auflistet. Diese Kriegs-Influencer veröffentlichen auf Telegram oder RuTube (der russischen Version von YouTube) Nachrichten, Bilder, Videos oder auch persönliche Einschätzungen zum Kriegsverlauf in der Ukraine.
Dabei teilen sie unter anderem nationalistische Vorstellungen und Ideen von einem imperialistischen Großrussland. Fomin wurden seine nationalistischen Ansichten, die er online verbreitet hatte, möglicherweise zum Verhängnis. In Russland geht man davon aus, dass die Ukraine für den Sprengstoff-Anschlag verantwortlich war, dem er zum Opfer fiel. Unabhängige Experten vermuten eine "False Flag"-Aktion des russischen Geheimdienstes.
Die wichtigsten Akteure
Neben Fomin gibt es einige weitere prominente Figuren, die als Militärblogger aktiv sind und über den Ukraine-Krieg berichten. Einer der größten Kanäle auf Telegram ist "Rybar". Dieser wird von Mikhail Zvinchuk, Mitglied des Pressekorps des russischen Verteidigungsministeriums, und Denis Shchukin betrieben. Der Kanal zeichnet sich durch aktuelle Infos sowie Kartenmaterial von der Front aus. "Rybar" hat laut Sarah Pagung, Programmleiterin im Berliner Forum Außenpolitik der Körber-Stiftung, enge Beziehungen zu Jewgeni Prigoschin und dessen Privatarmee Wagner, die gerade erst einen Putsch-Versuch unternommen hatte. Prigoschin soll den Kanal finanziell unterstützen.
Unter den Militärbloggern befinden sich neben ehemaligen Militärangehörigen und Ultranationalisten aber auch Reporter klassischer Medien, darunter Alexander Kots, Reporter der Zeitung Komsomolskaja Prawda, der den Telegram-Kanal "Kotsnews" betreibt. Semyon Pegov war ebenfalls Reporter, inzwischen betreibt er den Telegram-Kanal "WarGonzo", der mittlerweile über 1,3 Millionen Follower zählt. Pegov soll im Oktober 2022 im Donbass durch eine Antipersonenmine am Fuß verwundet worden sein und erhielt hierfür von
Einer der bekanntesten Blogger ist Igor Girkin, ehemaliger Anführer der Separatisten im Osten der Ukraine und laut EU-Informationen auch ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter. Girkin kritisiert nicht nur die Militärführung, sondern auch immer wieder die politische Führung und Putin deutlich.
Er nimmt damit eine Sonderstellung ein, sagt Russland-Expertin Pagung auf Anfrage unserer Redaktion: "Girkin war in führender Position am Krieg im Donbass seit 2014 beteiligt und zeichnet sich durch stark nationalistische und imperiale Positionen aus." Er wurde in den Niederlanden für den Abschuss der MH17 verurteilt und die ukrainische Regierung hat laut "Frankfurter Rundschau" ein Kopfgeld von 100.000 Euro auf Girkin ausgesetzt.
Unmittelbarer Kontakt zur Armee
Für den Kreml besonders interessant ist neben der Reichweite auch die Verbreitungsmöglichkeit der Militärblogger. Sie erreichen durch ihre Verbreitungskanäle über das Internet und Soziale Medien auch Zielgruppen, die nicht Presse und Fernsehen konsumieren – gerade jüngere Menschen. Sie haben darüber hinaus bessere Informationen als viele Presseorgane oder die offizielle Propaganda des Verteidigungsministeriums, erklärt Pagung: "Die Militärblogger haben enge Kontakte zu Sicherheitsorganen, aber auch zur russischen Armee, zu Soldaten und bewaffneten Gruppen. Nur dadurch haben sie Zugang zu den für sie nötigen Informationen, vor allem aber auch den Kampfgebieten."
So seien Militärblogger bei ihrem unmittelbaren Kontakt mit der Armee immer wieder auf Probleme gestoßen, hätten kritisch über den Krieg berichtet, vor allem über mangelndes und schlechtes Material, gescheiterte Taktiken und Strategien sowie Fehler in der Kriegsführung.
Bei der russischen Öffentlichkeit seien sie laut Pagung vor allem deshalb beliebt, da sie schneller berichteten und glaubwürdiger wahrgenommen würden als herkömmliche Medien. "Sie bieten verhältnismäßig verlässliche Informationen über den Kriegsverlauf an, eine Aufgabe, der das Verteidigungsministerium nur sehr begrenzt nachkommt."
Militärblogger genießen Sonderstatus
Beachtenswert ist dabei, dass die Militärblogger offenbar einen besonderen kritischen Umgang mit dem Kreml und der Militärführung pflegen dürfen. Anders als andere Medien, die in Russland einer strengen Zensur unterliegen, kritisieren die Blogger offen die Militärführung, fordern eine härtere Gangart oder die Absetzung bestimmter Kommandeure. Russland-Expertin Sarah Pagung warnt allerdings davor, von unabhängiger Berichterstattung zu sprechen: "Obwohl Militärblogger die russische Kriegsführung immer wieder kritisieren und Missstände benennen, stützen sie damit letztlich den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine."
Zwar bieten die Militärblogger hinsichtlich der Instrumente und Strategien des Kriegs einen begrenzten Raum der Öffentlichkeit und der Debatte, allerdings ohne den Krieg selbst zu hinterfragen. "Sie präsentieren damit einen Raum begrenzt freier Berichterstattung", erläutert Pagung. "Dieser Raum ist jedoch limitiert: Kritik an der Kriegsführung ist möglich, am Krieg und am russischen Machtsystem dagegen weniger." Bisher lässt der Kreml sie in großen Teilen gewähren, das könnte sich aber bei allzu harscher Kritik auch ändern.
Verwendete Quellen:
- Schriftliches Statement von Sarah Pagung.
- Analyse des "Institute for the study of war": Russian Offensive Campaign Assessment, November 20
- Frankfurter Rundschau: Ukraine setzt Kopfgeld auf berüchtigten „russischen Terroristen“ Girkin aus
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