Die ukrainische Armee hat eigenen Angaben zufolge eine russische Bodenoffensive in der Region Charkiw gestoppt. Präsident Selenskyj ist wegen der dortigen kritischen Lage in die Großstadt Charkiw gereist. An der Front im Donbass geraten die ukrainischen Streitkräfte unter Druck.
Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge eine russische Bodenoffensive in der östlichen Region Charkiw gestoppt. "Die ukrainischen Verteidigungskräfte haben die russischen Truppen im Bereich Charkiw gestoppt und führen Gegenoffensiven durch", erklärte die ukrainische Armee am Freitag in Onlinediensten. Ein Vertreter des Generalstabs bezeichnete die Lage als "schwierig", aber "stabil und unter Kontrolle".
Zuvor hatte Armeechef Oleksandr Syrskyj bereits erklärt, die Vorstöße der russischen Armee in der Region im Nordosten der Ukraine seien ins Stocken geraten. In Straßenkämpfen um die Grenzstadt Wowtschansk hätten sich die Truppen aus Moskau "völlig verzettelt und sehr hohe Verluste bei den Angriffseinheiten erlitten", erklärte Syrskyj in Onlinenetzwerken. Für den Versuch, die Stadt einzunehmen, verlege Russland derzeit "Reserven aus verschiedenen Bereichen" – jedoch ohne Erfolg, fügte er hinzu.
Das etwa fünf Kilometer von der russischen Grenze entfernte Wowtschansk steht derzeit im Zentrum der Bodenoffensive, die Russland vor zwei Wochen im Nordosten der Ukraine gestartet hatte. Dabei erzielten die russischen Truppen bislang die größten Geländegewinne seit Ende 2022.
Tausende Menschen in Charkiw müssen Häuser und Wohnungen verlassen
Infolge der Kämpfe mussten nach Angaben von Regionalgouverneur Oleh Synegubow bislang mehr als 11.000 Menschen in dem Gebiet ihre Häuser und Wohnungen verlassen.
Die staatliche ukrainische Bahngesellschaft meldete am Freitag erneut eine Reihe russischer Angriffe auf die Eisenbahninfrastruktur um Charkiw. Dabei seien Schienen, Waggons und Gebäude beschädigt worden, hieß es. "Der Feind unternimmt weiterhin gezielte Versuche, die Eisenbahn in der Region Charkiw zu stoppen", erklärte das Unternehmen im Onlinedienst Telegram.
Wegen der kritischen Lage in und um Charkiw ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag in die ostukrainische Großstadt an der Grenze zu Russland gereist. Er habe mit der örtlichen Führung über die Lage an der Front wie auch über die Probleme der Energieversorgung gesprochen, schrieb der Präsident im sozialen Netzwerk X. "Die ganze Stadt und Region Charkiw verdienen unsere Unterstützung, Dankbarkeit und Respekt wie jede ukrainische Kommune oder Person, die dem Feind nicht nachgibt", schrieb er.
Große Druckerei in Ukraine getroffen – sieben Tote und viele Verletzte
In der seit Monaten unter russischen Luftangriffen leidenden Großstadt schlugen auch in der Nacht auf Freitag zwei Gleitbomben ein. Eine Frau sei verletzt worden, schrieb Gebietsgouverneur Oleh Synjehubow auf Telegram. An einem Firmengebäude seien das Dach und die Fassade beschädigt worden.
Am Tag zuvor waren in Charkiw sieben Menschen durch russischen Raketenbeschuss getötet worden. Sie starben, als eine der größten Druckereien des Landes getroffen wurde. Es gab auch 23 Verletzte. 50.000 Bücher seien verbrannt, schrieb Selenskyj am Freitag auf X.
"Das ukrainische Buch ist die ukrainische Stärke. Deshalb will der Feind es zerstören", kommentierte der international bekannte ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan auf Facebook. Er postete ein Foto von sich vor einem Buchladen des Verlagshauses, das auf ukrainische Literatur spezialisiert ist. Schon im März war in Charkiw eine Buchdruckerei zerstört worden.
Insgesamt gingen etwa 15 umfunktionierte Flugabwehrraketen der Systeme S-300 oder S-400 über Charkiw und dem Umland nieder. Außerhalb der Stadt seien zwei Menschen getötet worden, schrieb Synjehubow am Freitag auf Telegram.
Ukrainische Armee im Donbass unter Druck
Charkiw ist eine der am schwersten getroffenen Städte des nunmehr über zwei Jahre währenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Immer wieder wird die Millionenstadt aus der Luft angegriffen – mit Drohnen, Raketen oder Gleitbomben.
Unterdessen gerieten die ukrainischen Streitkräfte laut Armeechef Syrskyj an der Front im Donbass im Osten des Landes zunehmend unter Druck. Die Kämpfe in der Nähe der Städte Tschassiw Jar, Pokrowsk und Kurachowe seien besonders "intensiv", sagte er. Dort hatte Moskau eigenen Angaben zufolge in den vergangenen zwei Wochen eine Reihe von Vorstößen unternommen. (AFP/dpa/tas)
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