- Russland will mit einem neuen Raketentest Stärke demonstrieren.
- Tatsächlich birgt die Sarmat - auch Satan 2 genannt - gefährliches Potenzial.
- Der Westen schätzt das Risiko dennoch gering ein.
Ungeachtet des Kriegs in der Ukraine führt Russland weiter Waffentests durch - gerade erst für eine neue ballistische Interkontinentalrakete. Die Rakete des Typs Sarmat RS-28 trägt den Nato-Codenamen SS-X-30 Satan 2.
Abgefeuert wurde sie nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums am Mittwochnachmittag vom Kosmodrom Plessezk nahe Archangelsk. Die Stadt liegt im europäischen Teil Russlands, rund 1.000 Kilometer nördlich von Moskau. Der Einschlag der für den Test genutzten Sprengköpfe erfolgte demnach auf dem Gelände Kura auf der über 5.600 Kilometer entfernten nordostasiatischen Halbinsel Kamtschatka.
Wie wertet Russland den Raketentest?
Die russische Führung will mit den Tests eine Botschaft an den Westen senden. Die mit Atomsprengköpfen bestückbare Rakete stärke massiv das nukleare Potenzial Russlands, teilte das Verteidigungsministerium mit. Keine Rakete auf der Welt könne Ziele in einer solchen Entfernung erreichen wie diese.
Russlands Präsident
Er sprach in einer Fernsehansprache am Mittwoch auch direkt eine Warnung an den Westen aus. Die Rakete werde "jene, die in der Hitze der aggressiven Rhetorik versuchen, unser Land zu bedrohen, zweimal nachdenken lassen".
Wie groß ist die Reichweite der Sarmat?
Die Interkontinentalrakete hat eine Reichweite von bis zu 18.000 Kilometern. Damit könnte Russland sowohl über den Nord- als auch über den Südpol angreifen und Ziele weltweit erreichen. Die Rakete lässt sich sowohl mit atomaren als auch nicht-atomaren Sprengköpfen bestücken.
Putin zufolge soll die Sarmat die alten, schweren Wojewoda-Atomraketen (R-36M, Nato-Codename SS-18 Satan) ablösen. Der Präsident betonte, dass die Waffen unabhängig von den internationalen Sanktionen gegen Russland in Serie gehen könnten. Russland habe genügend Material dazu, alle Komponenten stammten aus russischer Produktion.
Erste Bilder existieren seit 2015, einige Details zur Sarmat waren 2016 aufgetaucht. Putin hatte die Interkontinentalrakete im Jahr 2018 offiziell vorgestellt - ebenso wie die Hyperschallraketen Kinschal und Avangard. Raketen des Typs Kinschal wurden nach russischen Angaben im Krieg in der Ukraine erstmals eingesetzt.
Wie gefährlich ist die Sarmat?
Die Sarmat RS-28 ist eine modernisierte Variante der RS-18-Raketen und war lange erwartet worden. Was sie gefährlich macht, ist zum einen ihre große Reichweite. Sie kann von mobilen Stationen, aber auch aus festen Silos abgefeuert werden.
Zum anderen kann sie Hyperschallgleiter transportieren, die wiederum mit Sprengköpfen ausgestattet sind. Diese Flugkörper sind unheimlich wendig und schnell. Hyperschallwaffen können Abwehrsysteme so leichter umfliegen.
Der Münchner Raketenexperte Markus Schiller sagte der "Welt" (Bezahlinhalt), es habe zuvor lediglich kleinere Testflugversuche gegeben. Der Test vom Mittwoch war demnach die erste Langstreckenmission. Er bezeichnete die Sarmat als eine Art "Weltzerstör-Rakete", weil sie mehrere große Atombomben tragen könne.
Russischen Angaben zufolge kann die Sarmat bis zu zehn große und 16 kleinere Gefechtsköpfe tragen. Unklar ist, wie vertrauenswürdig diese Angaben sind. In jedem Fall dürften es zumindest gleich viele Sprengköpfe sein wie bei der Mitte der 1970er Jahre in Dienst gestellten R-36M. Sie kann maximal zehn nukleare Mehrfachsprengköpfe (MIRV, Multiple Independently targetable Reentry Vehicle) tragen und hat eine Reichweite von bis zu 11.000 Kilometern.
Mehrfachsprengköpfe ermöglichen es, mit einer einzigen Trägerrakete mehrere Ziele gleichzeitig anzugreifen. Mit zehn solcher großen Gefechtsköpfe ließen sich theoretisch zehn Städte auf einen Schlag vernichten. Zudem wird die Abwehr der Raketen erschwert, weil mehrere Sprengköpfe gleichzeitig in den Luftraum eindringen. Es lassen sich auch unterschiedliche Sprengköpfe kombinieren.
Unklar ist, wie präzise das System funktioniert. In der Vergangenheit galten russische Raketen als weniger treffsicher als amerikanische Systeme.
Schiller geht davon aus, dass Putin den Einsatz der Interkontinentalrakete hauptsächlich als Drohgebärde für den Krieg in der Ukraine nutzen will. Er schätzt, dass die Vorbereitungen für den Raketentest bereits Monate zurückliegen. Flugversuche seien praktisch überfällig, wenn die Rakete wie angekündigt im Herbst regulär zum Einsatz kommen soll.
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Wie reagiert der Westen?
Der ehemalige Russland-Chef der CIA Steve Hall bezeichnete den Raketentest im Gespräch mit CNN als "nukleares Säbelrasseln". Die Gefahr für die USA oder ihre Verbündeten sei "extrem gering". Vielmehr handle es sich um einen Versuch Putins, vor der eigenen Bevölkerung Stärke zu demonstrieren und von den jüngsten Fehlschlägen in der Ukraine abzulenken - etwa dem Sinken des Kriegsschiffs "Moskwa".
Auch die US-Regierung reagierte betont gelassen auf den Raketentest. Er sei "keine Bedrohung für die USA oder ihre Verbündeten". Es habe sich um einen Routine-Test gehandelt, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Russland habe die USA entsprechend seiner Verpflichtungen aus dem atomaren Abrüstungsvertrag New Start über den Test "ordnungsgemäß informiert", sagte Kirby. "Es war keine Überraschung."
Ein hochrangiger Beamter aus dem US-Verteidigungsministeriums beklagte jedoch, Putins Rhetorik sei kontraproduktiv. In der aktuellen Lage sei dies "sicherlich nicht das, was wir von einer verantwortungsvollen Atommacht erwarten würden".
Mit Beginn des Kriegs in der Ukraine vor acht Wochen hatte Russland seine Atomwaffen in verstärkte Alarmbereitschaft versetzt. Die Ankündigung wurde als Drohung mit dem Atomwaffenarsenal des Landes aufgefasst.
Verwendete Quellen:
- dpa
- AFP
- Welt.de: Warnung an den Westen - Putin testet neue "Weltzerstör-Rakete"
- CNN: Putin rattles his 'Satan II' nuclear saber to hide Russian failures in Ukraine war: analysts
- CNN: Russia unveils 'Satan 2' missile, could wipe out France or Texas, report says
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