Initiativen wie "Meet a Jew" wenden sich gegen Antisemitismus in der Schule. Mit dem blutigen Terror-Angriff auf Israel beobachtet der Zentralrat der Juden nun eine besorgniserregende Entwicklung.

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Der Zentralrat der Juden in Deutschland beklagt eine neue Qualität antisemitischer Stimmungen in Schulen. "Der offene Antisemitismus an deutschen Schulen ist für uns leider nicht überraschend", erklärte ein Sprecher auf dpa-Anfrage. Das Problem sei leider lange bekannt. "Die aktuelle Unterstützung des grausamen Terrors der Hamas in Israel, die eine neue Dimension des Judenhasses an deutschen Schulen aufzeigt, ist aber dennoch ein Schock."

Der Sprecher verwies auf Initiativen gegen Antisemitismus an Schulen. In dem Begegnungsprojekt des Zentralrats "Meet a Jew" habe es in der Vergangenheit nur recht selten antisemitische Anfeindungen gegen jüdische Freiwillige gegeben, die bundesweit an zahlreichen Schulen für einen Austausch mit nicht-jüdischen Schülern unterwegs sind. "Häufig gingen gerade muslimische Schüler mit einem Aha-Effekt über die vielen Gemeinsamkeiten des Glaubens nach Hause", so der Sprecher.

Israel- und judenfeindliche Stimmung in Schülerschaft "ein Armutszeugnis"

"Umso bedrückender ist es, dass eine geplante Begegnung für diese Woche in Niedersachsen von der Schule abgesagt wurde, weil die Stimmung der Schülerschaft so aufgeheizt israel- und judenfeindlich sei, dass sie Ausschreitungen nicht ausschließen können", schilderte er. "Das ist ein Armutszeugnis, auch wenn es für eine umfassende Analyse der Auswirkungen des Hamas-Terrors auf die Meet-a-Jew-Begegnungen noch zu früh ist." Das Projekt werde in jedem Fall weitergeführt.

Nach Angaben des Sprechers engagiert sich der Zentralrat auch auf anderer Ebene gegen Judenhass an Schulen. "Der Zentralrat arbeitet in mehreren Arbeitsgruppen mit der Kultusministerkonferenz (KMK) und anderen Partnern an bildungspolitischen Antworten darauf, wie mit antisemitischen Narrativen, die diese Jugendlichen unter anderem aus ihrem häuslichen Umfeld und sozialen Medien kennen, umgegangen werden soll." Viel deutlicher müssten etwa Desinformationskampagnen über Social Media in den Blick genommen werden.

"Lage wird regional immer angespannter"

Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zum Thema Antisemitismus an Schulen: "Die Lage wird regional immer angespannter. Das gilt besonders für solche Schulen, an denen viele Schüler mit Wurzeln im arabischen Raum unterrichtet werden." Häufig herrsche hier ein gefestigtes antisemitisches Weltbild, das die Kinder und Jugendlichen zu Hause oder in den Schulen ihrer Heimatländer vermittelt bekommen hätten. Ein großes Problem seien zudem soziale Netzwerke. "Dort wird Antisemitismus vielfach offen aus- und vorgelebt."

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hält eine bessere Vorbereitung von Lehrkräften für notwendig. "Wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer bewusster machen im Kampf gegen Antisemitismus", sagte er. Das Thema müsse in der Ausbildung systematisch betrieben werden, Lehrkräfte sollten fortgebildet werden. "Oftmals geht es ja dann auch um Einzelfragen: Wie bewerte ich den Nahost-Konflikt? Warum kommt es jetzt hier zu Sympathiebekundungen dafür, dass im Nahen Osten Menschen ermordet werden? Das erfordert großes Fingerspitzengefühl."

Da das Problem schon länger besteht, wurden schon Leitfäden erarbeitet, die den Lehrern eine Orientierung geben können. Das Anne Frank Zentrum hat gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Berlin eine "Handreichung zum Umgang mit Antisemitismus in der Grundschule" erstellt.

Ataman fordert neue Gesetze nach Berliner Vorbild

Die Schulung und Sensibilisierung ist für die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman nicht genug. Sie forderte Bund und Länder zum Handeln auf. Bisher helfe das deutsche Antidiskriminierungsrecht nicht gegen Diskriminierung an Schulen. "Es ist unglaublich: Antisemitisches Mobbing und Diskriminierung ist in deutschen Klassenzimmern bis heute nicht verboten. Eine Ausnahme bildet Berlin, wo es ein Landesantidiskriminierungsgesetz gibt", sagte sie. Auch die anderen Länder müssten solche Gesetze einführen, forderten sie.

Die Kultusministerkonferenz teilte gestern mit, sie werde zusammen mit allen zuständigen Stellen alles dafür tun, den Schulfrieden zu wahren, "indem jede Form von Antisemitismus, Solidaritätsbekundungen mit und Rechtfertigungen von terroristischen Aktivitäten verurteilt und unterbunden werden".

"Unsere Schulen sind der Ort, an dem Frieden, Versöhnung und Toleranz vermittelt werden", hieß es in der Mitteilung. "An unseren Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen gibt es keinen Platz für Antisemitismus und keinen Platz für Israelhass!" (dpa/lko)

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