- Bundeskanzler Olaf Scholz ist zu seinem Antrittsbesuch nach Warschau gereist.
- Polen Regierungschef Mateusz Morawiecki kritisierte dabei die europapolitische Vision der neuen Bundesregierung.
- Auch bezüglich der Ostseepipeline Nord Stream 2 gab es Differenzen.
Bei seinem Antrittsbesuch in Warschau hat sich Bundeskanzler
Morawiecki sagte, in Polen fasse man die geplante Föderalisierung Europas als "demokratischen Zentralismus, bürokratischen Zentralismus" auf. "Gleichschaltung und Gleichmacherei - das sind keine guten Methoden des Vorgehens", sagte der polnische Regierungschef. Europa werde stark sein als "Europa der Heimatländer".
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SPD ist vom Ziel einer EU als föderalem europäischem Bundesstaat die Rede. Dieses war bei Polens Regierung auf Kritik gestoßen. Führende Vertreter der Partei hatten in den vergangenen Tage der neuen Bundesregierung unterstellt, sie plane den Aufbau eines "Vierten Reichs".
Morawiecki forderte auch, die Inbetriebnahme der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Das Projekt werde die Möglichkeiten des Kremls erhöhen, Druck auf die EU auszuüben und die "politische und energetische Schlinge" um die Ukraine zuzuziehen, sagte er. Scholz bekräftigte, dass Deutschland sich auch in Zukunft verantwortlich um das Gas-Transitsgeschäft der Ukraine kümmern werde. Man werde die Ukraine auch beim Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen. Auf die Forderung Morawieckis, die Inbetriebnahme der Pipeline zu verhindern, ging Scholz nicht ein.
Außenministerin
Die Ostseepipeline von Russland nach Deutschland wurde vor Wochen fertiggestellt. Die Bundesnetzagentur hat bis Anfang Januar Zeit, über eine Betriebserlaubnis für die Röhren zu entscheiden, durch die jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland geliefert werden sollen. Baerbock hatte sich im Wahlkampf vor der Bundestagswahl gegen Nord Stream 2 ausgesprochen, Scholz hat sich dazu noch nicht klar positioniert.
Scholz verurteilt Lukaschenkos Vorgehen
Der neue Kanzler sicherte Polen Unterstützung im Streit über die Flüchtlinge im Grenzgebiet zu Belarus zu. Das Vorgehen des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko sei "menschenverachtend und wir haben eine gemeinsame Aufgabe, das zurückzuweisen", sagte Scholz. Deutschland wolle solidarisch mit Polen gegen diesen unangemessenen Weg einer "hybriden Kriegsführung" vorgehen. "Es ist wirklich furchtbar, was der Regierungschef von Belarus, Lukaschenko, dort veranstaltet. Er benutzt Menschen für seine politischen Zwecke. Er missbraucht sie, ihr Schicksal, ihre Not", sagte Scholz. Deswegen seien Sanktionen richtig gewesen wie auch die gemeinsame Haltung gegen Fluglinien. Der große Erfolg dieser Intervention sei sichtbar. Es sei auch ein gutes Zeichen, dass sich viele der Migranten auf dem Rückweg befänden.
Polens Regierungschef betonte, er habe mit Scholz über das Thema Reparationen für die während des Zweiten Weltkriegs in Polen verursachten Schäden gesprochen. "Da geht es nicht nur um ein Meer der Tränen unserer Mütter, ein Meer des Bluts unserer Väter, sondern auch um die verlorene Chance einer normalen Entwicklung, die verlorene Freiheit, die verlorene Demokratie und die verlorene Unabhängigkeit."
Scholz unterstrich die ablehnende Haltung Deutschlands. "Wir haben Verträge geschlossen, die gültig sind und die Fragen für die Vergangenheit und die Entschädigungsleistungen geregelt haben", sagte er. Trotzdem fühle sich die Bundesregierung weiter verpflichtet, auch im Hinblick auf die moralischen Konsequenzen der vielen Zerstörungen, die Deutsche in Polen angerichtet haben und auch an vielen anderen Orten der Welt. Er sei deshalb froh, dass in Berlin nun eine Gedenkstätte für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs entstehen soll.
Neu war, dass Scholz im Zusammenhang mit den Reparationsforderungen auf die deutschen Beiträge zum EU-Haushalt verwies, von denen auch Polen profitiert. "Ansonsten ist das eben ein Grund mehr, dass Deutschland bereit ist, gewillt ist und auch weiter bereit und gewillt sein wird, sehr, sehr hohe Beiträge zur Finanzierung des Haushaltes der Europäischen Union zu leisten", sagte er.
Polens nationalkonservative PiS-Regierung thematisiert die Reparationsansprüche an Deutschland immer wieder. Erst kürzlich gab Morawiecki die Gründung eines Instituts für Kriegsschäden bekannt. Es soll die Bemühungen um die Erforschung sämtlicher Kriegsschäden institutionalisieren und sich auch mit der weiteren Verfolgung der Reparationsansprüche befassen. Für die Bundesregierung ist das Thema rechtlich und politisch abgeschlossen. Sie beruft sich vor allem auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit von 1990. (br/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.