Er berichtete von Terroranschlägen, die es nie gab, erklärte einen Fünfjährigen zum Sicherheitsrisiko und behauptete, Adolf Hitler habe kein Giftgas eingesetzt. Donald Trumps Pressesprecher Sean Spicer hat bisher kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen. Ein Porträt des Mannes, der Trumps Politik an die Öffentlichkeit verkaufen soll.
Als Sean Spicer im Pressestab unter Präsident George W. Bush diente, schien die Welt für ihn noch in Ordnung zu sein. Zweimal durfte er beim traditionellen Ostereiersuchen im Hasenkostüm über den Rasen des Weißen Hauses hoppeln.
Als ein Journalist 2016 ein Foto davon ins Internet stellte, reagierte Spicer humorvoll. "Die guten alten Tage. Was würde ich dafür geben, mich wieder mal in einem Hasenkostüm verstecken zu können."
In den letzten Monaten könnte der Wunsch, einfach mal zu verschwinden, wieder größer geworden sein. Spicer hat einen der schwersten Jobs in der Trump-Regierung inne: Er muss die teils umstrittene Politik seines Chefs der Öffentlichkeit verkaufen und sich im Weißen Haus fast täglich den kritischen Fragen der Journalisten stellen.
Das Verhältnis zu vielen etablierten Medien ist angesichts seiner mitunter aggressiven Auftritte angespannt. Weil Spicer schon einige Patzer unterlaufen sind, gerät er auch intern unter Druck. Wer ist der Mann, den der US-Präsident zu seinem Sprachrohr auserkoren hat?
Belastetes Verhältnis zu den Medien
Sean Michael Spicer wächst als Spross einer Akademikerfamilie im linksliberalen US-Bundesstaat Rhode Island auf. Der 45-Jährige ist mit einer früheren Fernsehjournalistin und heutigen Bierlobbyistin verheiratet und hat zwei Kinder.
Schon als junger Mann arbeitet er im Pressestab für verschiedene republikanische Abgeordnete und Gremien. Unter Präsident George W. Bush ist er drei Jahre für die Kommunikation der US-Handelsbeauftragten zuständig.
2011 steigt er zum Sprecher des "Republican National Committees" auf, dem nationalen Organisationsgremium der Partei. Dort lernt er auch den Vorsitzenden Reince Priebus kennen, der inzwischen als
Von Anfang an ist das Verhältnis des Sprechers zu den etablierten Medien belastet. Kleine, eher unkritische konservative Medien werden dagegen aufgewertet. Schon sein Auftritt nach Trumps Amtseinführung erinnert mehr an eine Standpauke als an eine Pressekonferenz.
Spicer, ein Reservist der US-Navy, kritisiert die von ihm so bezeichneten "Mainstream-Medien" für ihre angeblichen bewussten Falschmeldungen und droht Konsequenzen an. In Washington habe sich das "größte Publikum, das jemals eine Amtseinführung gesehen hat", versammelt, behauptet er.
Fernsehbilder legen nahe, dass Spicer falsch liegt. Nachfragen sind nicht gestattet.
"Trumps Pressesprecher bellt mehr als dass er redet. Mit der gepressten Stimme eines Agitators und dem Habitus eines Anklägers drischt er auf die Journalisten ein, die sich sehr bemühen müssen, ihm zu folgen", schreibt die FAZ. "Er redet so schnell, dass sich seine Stimme bisweilen überschlägt." Spicers Auftritte erinnern ein wenig an Comedy. In der US-Satiresendung "Saturday Night Live" wird er als schreiender Choleriker parodiert, der mit einer Wasserspritzpistole auf Journalisten schießt.
Auch Trump soll Spicer intern kritisiert haben. Anstatt Kritik von der Regierung fernzuhalten, wird sein Sprecher selbst zur Zielscheibe.
Ein Fettnäpfchen nach dem anderen
Ein Grund sind seine umstrittenen Erklärungen. Als Sicherheitskräfte in Washington nach Trumps Einreiseverbot einen Fünfjährigen in Handschellen abführen und stundenlang festhalten, erklärt Spicer, es sei "töricht und falsch" anzunehmen, dass "jemand nur wegen seines Alters oder Geschlechts" keine Bedrohung darstelle.
Seine Kritik an einem Artikel der New York Times über den Alltag im Weißen Haus begründet er so: "Ich glaube nicht, dass der Präsident einen Bademantel besitzt. Ganz bestimmt trägt er keinen." Alte Bilder Trumps im Bademantel machen danach die Runde im Internet.
Und dann fabuliert der Mann, der sich gern über die Unwahrheiten der Medien erregt, laut "FAZ" selbst mehrfach von einem islamistischen Terroranschlag im Bundesstaat Georgia – den es niemals gab. Spicer entschuldigt sich später, er habe einen anderen Anschlag gemeint.
Aktuell sorgt er mit der Aussage, "nicht einmal Hitler" sei so tief gesunken, Chemiewaffen einzusetzen, für Irritationen. Wieder ist eine nachträgliche Klarstellung nötig.
"Anwälte, die böse Leute verteidigen"
Vor seinem Engagement für Trump soll Spicer ein sachliches Verhältnis zur Presse gepflegt haben. Nun fühlt er sich offenbar befreit, Dinge zu sagen, die vorher angeblich als Tabu galten. Er kenne Spicer schon lange, schreibt Jonathan Weisman von der New York Times, aber: "Diesen Sean Spicer kenne ich nicht."
Der Trump-Vertraute vertritt ursprünglich Positionen, die Trumps Programm entgegen stehen. Unter George W. Bush setzt er sich für Freihandel ein, im Sommer 2015 kritisiert er Trump, weil dieser Mexikaner als "Vergewaltiger und Mörder" bezeichnet.
Auch Trumps Schelte am Mut des im Vietnamkrieg gefolterten Senators John McCain ärgert den Navy-Reservisten. Vielleicht hat er deshalb solche Probleme, die Politik seines Chefs zu verkaufen, weil er selbst nicht zu 100 Prozent dahinter steht
Als ihn die Washington Post auf den Widerspruch zwischen seinen früheren Positionen und Trumps Ansichten ansprach, sagte Spicer, es gebe auch "Ärzte, die Menschen helfen, die böse Dinge getan haben" und "Anwälte, die böse Leute verteidigen".
Mit einem Augenzwinkern könnte man ergänzen: Es gibt auch Pressesprecher, die in einem Osterhasenkostüm eine bessere Figur abgegeben haben als in ihrem Job.
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