In der Bewältigung der aktuellen Corona-Krise ist Horst Seehofer besonders gefragt: Als Innenminister steht der 70-Jährige vor der größten Herausforderung seiner politischen Laufbahn. Zwei Politikwissenschaftler analysieren, wie sich der Minister aktuell schlägt - und erklären, warum ein Vergleich mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz nicht angebracht ist.
Er ist seit 50 Jahren Parteimitglied, war Gesundheits- und Landwirtschaftsminister, bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender – und doch bezeichnet Innenminister
Prof. Dr. Ulrich von Alemann ist Politikwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Er erklärt: Als Innenminister sei Seehofer gleichzeitig auch der Sicherheitsminister und stehe daher nun in Sachen Krisenbewältigung an vorderster Front.
Er sei in dieser Rolle aber nicht mit dem österreichischen Bundeskanzler
Söder als Macher, Seehofer im Schatten?
Politikwissenschaftler Prof. Dr. Roland Lhotta von der Universität der Bundeswehr in Hamburg sieht es ähnlich. "Der Innenminister ist eingebunden in den Krisenstab des Kabinetts und in die erforderliche Bund-Länder-Koordination, um einheitlich und verbindlich agieren zu können."
Es sei daher schwierig, einzelne Personen mit einem Zeugnis auszustatten. "Das Bundesinnenministerium hat zwar eine zentrale Funktion beim Bevölkerungsschutz, aber es gibt keinen singulären Akteur bei der Bewältigung der Krise", erklärt der Experte.
Bayerns Ministerpräsident
Kurz wirke in Österreich zwar durchsetzungsstark, das sei aber nur eine Form des Krisenmanagements. "In Deutschland müssen wir aufgrund der Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen eine andere finden", meint Lhotta.
"Wir haben ein rechtlich vorgegebenes Arrangement, in das das Infektionsschutzgesetz eingebettet ist. Bund und Länder müssen einvernehmlich vorgehen. Die Bundesregierung koordiniert hier vielmehr, das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die nicht so öffentlichkeitswirksam zu vermitteln ist", erklärt Experte Lhotta.
Pressekonferenz: Kein souveräner Auftritt
Trotz allen berechtigten Hinweisen auf der vernetze Krisenmanagement: Der Auftritt von Seehofer auf seiner Pressekonferenz am vergangenen Sonntag (15. März) war nicht souverän: Der Minister wirkte ungeduldig, wich Fragen aus, musste ständig bei seinem Staatssekretär nachhaken.
"Wir schließen keine Grenzen, das tut Nordkorea. Wir kontrollieren Grenzen, das ist was ganz anderes", blaffte er beispielsweise einen Journalisten an und seine Aussage, "das Problem ist so groß, das ist dem parteipolitischen Diskurs entzogen", könnte man zwischen den Zeilen als Kritik Richtung SPD lesen.
Auch die EU kritisierte er in ungeduldigem Ton: "Solange keine europäische Lösung da ist, muss man im Interesse der eigenen Bevölkerung handeln."
Lhotta aber erklärt: "Seehofer hat zwar häufig seinen Staatssekretär gefragt, das muss aber kein Ausdruck von mangelnder Souveränität sein." Schließlich sei der Staatssekretär mit den gesamten administrativen Abläufen befasst.
Von Alemann ergänzt: "Seehofer wirkte zwar fahrig und war flapsig in seinen Antworten - das sind wir von ihm aber gewohnt." Die unterschwellige Kritik, die Seehofer an EU und SPD äußerte, sind in seinen Augen nur kleine Spitzen: "Wenn wir zurückdenken, was Seehofer schon an schweren Geschützen, insbesondere gegen die Kanzlerin, aufgefahren hat, sind das nur Nadelstiche." Eine Krise in der großen Koalition oder in der Europäischen Union wolle und werde Seehofer damit sicherlich nicht auslösen.
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