- Der Frankfurter Armand Zorn ist einer von drei Bundestagsabgeordneten, die in Afrika geboren wurden.
- Im Interview mit unserer Redaktion spricht der SPD-Politiker über Rassismus, die schleppende Digitalisierung in Deutschland – und über gute und schlechte Schulden.
Gut 100 der 736 Abgeordneten des Deutschen Bundestags sind unter 35. Bis zu dieser Altersgrenze darf man in der Regel Mitglied der jeweiligen politischen Jugendorganisation sein. In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit jungen Politikerinnen und Politikern über ihre Ziele und ihren Blick auf ihre Partei. Dieses Mal mit dem Frankfurter SPD-Abgeordneten Armand Zorn.
Herr Zorn, bei Ihrer ersten Rede im Bundestag haben Sie zunächst den Bundestagsvizepräsidenten zurechtgewiesen.
Armand Zorn: Ich würde nicht sagen, dass ich ihn zurechtgewiesen habe. Ich habe ihn freundlich darauf aufmerksam gemacht, dass mein Vorname französisch ausgesprochen wird. Ich habe natürlich Verständnis, wenn man den Namen zuerst deutsch ausspricht, denn ich habe ja einen deutschen Nachnamen. Ich weise dann aber eben einfach darauf hin, dass die französische Aussprache richtig ist.
Warum ist Ihnen das so wichtig?
Ich finde es einfach wichtig, dass man Namen richtig ausspricht. Ich bemühe mich auch immer, das bei anderen Menschen zu machen. Ich finde, dass das keine besondere Zumutung ist.
Sie gehören zu den sehr wenigen Schwarzen Bundestagsabgeordneten. Wie sehr nervt es Sie, wenn Sie auf Ihre Hautfarbe angesprochen werden?
Das nervt mich überhaupt nicht. Ich möchte aber nicht auf meine Hautfarbe reduziert werden. Schwarze Menschen sind sehr divers, sehr unterschiedlich, haben ihre eigenen Stärken und Schwächen und ihren eigenen Charakter. Ich kann aber verstehen, dass das im Bundestag eine Besonderheit ist. Wir haben derzeit ja nur drei dunkelhäutige Abgeordnete. Hoffentlich wird das in vier oder in acht Jahren ganz normal sein.
Sie sind im Alter von zwölf Jahren aus Kamerun nach Halle an der Saale gekommen – und haben in Ihrer Jugend Rassismus erlebt. Zum Beispiel Affenrufe und Hitlergrüße, wenn Sie Fußball gespielt haben. Wie steckt man so etwas weg?
Jeder Mensch findet seinen Weg, mit Rassismus und Diskriminierung umzugehen. Für mich war immer klar, dass ich mir so etwas nicht bieten lasse und dass ich stark genug bin, dagegen zu kämpfen. Nicht nur für mich, sondern auch für viele andere diskriminierte Menschen. Wenn man sich zurückzieht, fühlen sich die wenigen Idioten in ihrem Verhalten womöglich noch bestärkt. Deswegen muss die Gesellschaft Rassismus und Diskriminierung Paroli bieten.
Haben Sie auch im Bundestag Anfeindungen wegen Ihrer Hautfarbe erlebt?
Nein, bisher nicht ansatzweise.
"Haben die Bedeutung der Digitalisierung jahrelang verschlafen"
Sie beschäftigen sich im Bundestag unter anderem mit Digitalisierung. Seit Jahren heißt es immer wieder, Deutschland müsse da endlich vorankommen. Doch gefühlt passiert wenig. Warum?
Wir haben die Bedeutung des Themas jahrelang verschlafen. Das gilt für die Politik, aber fairerweise auch für die Gesellschaft. Inzwischen wissen wir, dass die Digitalisierung die Gesellschaft als Ganzes und das Leben eines einzelnen Menschen brutal verändert. In der COVID-Pandemie haben wir gemerkt, wo unsere Lücken sind. Wir als Deutsche waren immer ganz gut darin, Dinge zu effizient zu organisieren und umzusetzen. Komischerweise haben wir das bei der Digitalisierung nicht geschafft. Für uns als Ampel-Koalition ist die digitale Transformation jetzt eines der wichtigsten Themen.
Das klingt etwas schwammig. Wie wollen Sie die Transformation denn konkret voranbringen?
Mir sind da vor allem die gesellschaftlichen Fragen wichtig. Da ist die Europäische Union auf einem sehr guten Weg. Außerhalb der EU schaut man sehr genau auf uns und versucht, von uns zu lernen. Die Gesetze, die wir Europäer da auf den Weg gebracht haben, gelten als Goldstandard.
Inwiefern?
Zum Beispiel die Datenschutz-Grundverordnung. Sie war schwierig, sie war bürokratisch. Aber im Großen und Ganzen funktioniert sie gut, weil sie den Datenschutz gewährleistet. Mit weiteren Gesetzen schafft die EU gerade die Grundlage für eine wertebasierte Digitalisierung. Das ist auch aus wirtschaftlicher Sicht langfristig ein Wettbewerbsvorteil. Menschen interessieren sich für Produkte, die innovativ und attraktiv sind. Sie schauen aber zunehmend genauer hin: Wo werden eigentlich meine Daten gespeichert? Wir müssen aber auch die Infrastruktur für die digitale Transformation voranbringen – an den Schulen und im Gesundheitswesen vor allem. Der Breitbandausbau bleibt auch ein wichtiges Thema. Genau wie die Frage, wie teuer der Zugang zum Internet für viele Menschen ist.
"Schulden sind nicht per se gut oder schlecht"
Ihr Wahlkampf im vergangenen Jahr wurde von der Initiative "Brand New Bundestag" unterstützt. Sie setzt sich dafür ein, dass mehr junge Menschen in die Parlamente kommen. Schaffen die Parteien das nicht mehr allein?
Junge Menschen engagieren sich heute auf vielfältige Weise. Mal online, mal auf den Straßen. Wir nehmen aber gleichzeitig eine zunehmende Distanz zwischen Parteien und jungen Menschen wahr. Ich habe es selbst nicht erlebt – aber vor 60 Jahren war es noch normaler, Parteimitglied zu sein. Das ist jetzt nicht mehr so. Hinzu kommt, dass mehrere gesellschaftliche Gruppen sich kaum noch von Parteien vertreten fühlen. Sie haben erstens den Eindruck, dass ihre Anliegen nicht angesprochen werden. Zweitens können sie sich immer weniger mit Menschen in der Politik identifizieren. Das kann sich keine Demokratie der Welt leisten. Initiativen wie "Brand New Bundestag" sind sehr wichtig, weil sie Brücken bauen zwischen Politik und Zivilgesellschaft.
Für junge Menschen ist offenbar gerade die SPD nur noch mäßig attraktiv. Bei der Bundestagswahl landete sie bei den Erstwählenden auf Platz drei hinter der FDP und den Grünen.
Wir nehmen das zur Kenntnis und das kann uns natürlich nicht zufriedenstellen. Wir müssen mehr junge Menschen mit einem neuen Politikstil nach vorne stellen. Zweitens interessieren sich junge Menschen stark für Digitalisierung und Klimaschutz. Diese Themen spricht man häufig der FDP beziehungsweise den Grünen zu. Dabei haben wir als SPD da meiner Meinung nach ein Alleinstellungsmerkmal: In einer zunehmend komplexen Welt sehen wir die digitale Transformation als Chance. Wir möchten sie aber so gestalten, dass kein Mensch zurückbleibt. Viele junge Menschen, die jetzt FDP wählen, wählen vielleicht in fünf oder zehn Jahren die SPD. Wenn sie festgestellt haben, dass der Markt doch nicht alles regelt.
Müssen sich junge Menschen nicht auch Sorgen machen angesichts der Finanzpolitik der Bundesregierung? Der Bund verschuldet sich in diesem Jahr so stark wie nie – und belastet damit die jungen Generationen.
Ich halte diese Rhetorik für falsch und sehr gefährlich. Schulden sind nicht per se gut oder schlecht. Es geht darum, wofür der Staat sie aufnimmt. Er kann Schulden machen, um bestimmten Zielgruppen Geschenke zu machen. Dann verpufft die Wirkung meistens. Oder er macht Schulden, um das Geld in sinnvolle Projekte zu investieren. Das ist nachhaltig und im Sinne der nachkommenden Generationen. Wir haben doch in den Schulen und in der Infrastruktur erhebliche Defizite. Wenn man zum Beispiel Schulden aufnimmt, um Schulen zu modernisieren und genügend Lehrkräfte einzustellen, dann ist das Geld gut investiert. Davon profitiert die ganze Gesellschaft.
Der Tankrabatt der Ampel-Koalition dürfte allerdings eher zu den Maßnahmen gehören, die schnell verpuffen.
Der Tankrabatt ist Teil der Entlastungspakete der Ampel-Koalition und, wie Sie sich denken können, Ergebnis eines Kompromisses. Wir haben eine Krise infolge einer außergewöhnlichen Situation. Viele Menschen, die eigentlich gut gewirtschaftet haben, kommen finanziell nicht mehr zurecht. Der Staat ist dann in der Verantwortung, ihnen zu helfen. Für mich ist die wichtige Frage, wie man diese Maßnahmen gegenfinanziert. Wir müssen darüber sprechen, wie der Staat zusätzliche Einnahmen erzielt. Zum Beispiel über eine einmalige Abgabe für Superreiche oder eine Reform der Erbschaftssteuer.
Davon müssten Sie aber die FDP überzeugen.
Das stimmt. Daran arbeiten wir.
Die bisherigen Interviews unserer Reihe
- Heidi Reichinnek (Linke): "Unser Fokus muss wieder auf dem Osten liegen"
- Sepp Müller (CDU): "Wir steuern blind in eine neue Corona-Welle"
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