Es war offensichtlich, dass Recep Tayyip Erdogan vielen in Deutschland nicht willkommen war. Selbst der ihm treu ergebene Moscheeverband Ditib vermochte das nicht zu ändern. Geplant war der Besuch eigentlich anders.
Die Türkisch-Islamische Union Ditib hat wirklich alles dafür getan, damit sich Recep Tayyip Erdogan in ihrem Moschee-Komplex in Köln-Ehrenfeld wie zuhause fühlen kann.
Zu Beginn seines Auftritts am Samstag wird Musik wie bei einer seiner Parteiveranstaltungen eingespielt, Applaus ertönt von einem handverlesenen Publikum. Und doch: Die offizielle Moschee-Eröffnung ist wohl nicht ganz das, was sich die Veranstalter vorgestellt hatten.
Denn eigentlich hatte die Ditib vor dem Kuppelbau eine Fahnen schwenkende Menge vorgesehen. Wegen erheblicher Sicherheitsbedenken hat die Stadt Köln diese Außenveranstaltung jedoch abgesagt.
Zwar sind Erdogans Anhänger dennoch zu Tausenden gekommen, aber man kann sie nur in der Ferne hören und nicht sehen. Die Straße direkt vor der Moschee hingegen ist weitgehend leergefegt - bis auf Polizisten und Journalisten. Auf den Dächern stehen Scharfschützen.
Frostiger Empfang statt Neuanfang
Dem türkischen Präsidenten kann an diesem letzten Tag seines frostig verlaufenen Staatsbesuchs eigentlich nicht entgehen, dass er vielen Menschen in Deutschland nicht willkommen ist.
Seine Ankunft in Köln am Mittag fällt einigermaßen unglamourös aus. Gegen 14:15 Uhr setzt das Präsidenten-Flugzeug in einem abgeschirmten, militärischen Teil des Kölner Flughafens auf.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident
Eigentlich hatten sich Laschet und Erdogan dafür auf das nahe Schloss Wahn zurückziehen wollen. Da die Schlossbesitzer Erdogan aber politisch ablehnen, verweigerten sie sich den Plänen.
Folge: Die beiden Männer unterhalten sich im ausgesprochen engen "VIP-Raum 2" direkt im Flughafen. Statt eines Schlosses erlebt Erdogan die monumentale Nüchternheit eines deutschen Zweckbaus.
Laschet: Ditib soll eine deutsche Institution werden
Nach dem Gespräch - Erdogan ist schon weitergefahren - sagt Laschet: "Wir wollen, dass die Moschee zu einer Kölner Moschee wird und in Köln verankert ist." Auch die Ditib solle sich zu einer deutschen Institution entwickeln. "Die Muslime, die in diese Moschee gehen, sind auch Bürger unseres Landes. Und wir sind auch deren Ansprechpartner - und nicht der türkische Präsident."
Erdogans Wagenkolonne rauscht durch gesperrte Kölner Straßen nach Ehrenfeld. Es ist das Viertel der Musikclubs, der Studentenkneipen und des TV-Studios von Jan Böhmermann, der den Präsidenten mit seinem Schmähgedicht schwer verärgert hatte.
Die Türkisch-Islamische Union Ditib, die weithin als verlängerter Arm der Regierung in Ankara gilt, hat eben hier ihre Zentralmoschee errichtet. Doch der Eröffnung dürfen nach der ablehnenden Entscheidung der Stadt Köln nur ein paar hundert geladene Gäste im Innenhof beiwohnen.
20.000 Menschen auf den Straßen - Anhänger wie Kritiker
Die Erdogan-Anhänger ein paar Straßenzüge weiter sind enttäuscht. Seit dem Vormittag schwenken sie ihre Fahnen mit dem türkischen Halbmond oder dem Gesicht Erdogans.
Ein Verkäufer zwängt sich durch die Menge, preist seine Flaggen an: "Original Türkisch". Mit Erdogan-Konterfei 15 Euro, ohne 10 Euro. 20.000 Menschen hat der Besuch nach Polizeiangaben auf die Straßen gebracht, unter ihnen Anhänger und Kritiker des türkischen Politikers.
Die Polizei spricht später zwar von einer "harten Probe", auf die sie der Besuch gestellt habe. Die Lage bleibt insgesamt jedoch relativ ruhig.
Ein Kölner Rentner ärgert sich über die Barrieren: "Überall Polizei, alles abgeriegelt, für so einen Verbrecher!"
In einem türkischen Juwelierladen diskutieren Inhaberin und Kundin. "Die Moschee ist ja schon lange offen. Warum die Eröffnung jetzt durch Erdogan - macht das Sinn?", fragt die schon lange in Ehrenfeld lebende Juwelierin.
Kundin Görmez B. bekennt: "Ich mag Deutschland, ich mag die Türkei. Aber wenn man all die türkischen Fahnen hier sieht, sind das Emotionen pur und das schöne Gefühl: Wir alle gehören zusammen."
Bei Eröffnung wird vorrangig türkisch gesprochen
Auf dem Innenhof der Moschee läuft die Eröffnungsfeier. Gesprochen wird in erster Linie Türkisch, der Ditib-Vorsitzende Nevzat Asikoglu redet allerdings auch auf Deutsch. Er dankt dem früheren Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) und dem Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD), zwei Lokalpolitikern, die sich mit großem Engagement für den Bau der Moschee eingesetzt haben.
An diesem wichtigen Tag fehlen sie - aus Protest, weil sie selbst nicht das Wort ergreifen durften. Das Gleiche gilt für den Architekten Paul Böhm.
Er hat die Moschee als Monument der Offenheit und Transparenz entworfen, deshalb das viele Glas unter den Betonschalen. Sie sollte auch ein Symbol für gelungene Integration werden. Die Feier an diesem Samstag vermittelt etwas anderes: Türken und Muslime bleiben weitgehend unter sich.
Als Erdogan spricht, wird es emotional
Als Erdogan das Wort ergreift, schießen die Handys in die Höhe. Man muss kein Türkisch verstehen, um mitzubekommen, dass er ein Redner ist, der sein Publikum gefangen nehmen kann.
Er spricht mal lauter, mal leiser. Mitunter wiederholt er einzelne Sätze oder Begriffe. An einigen Stellen ereifert er sich dermaßen, dass sich seine Stimme leicht überschlägt. Aus dem Publikum kommen Applaus und mitunter Rufe der Zustimmung.
Erdogan vertritt die Meinung, dass sein Deutschland-Besuch durchaus ein Erfolg gewesen ist. Auch auf den Fall Özil kommt er zu sprechen. Dass der Ex-Nationalspieler und sein Nationalmannschaftskollege Ilkay Gündogan "aus der Gesellschaft ausgegrenzt worden" seien, nur weil sie ein Foto mit ihm gemacht hätten, "dafür habe ich kein Verständnis".
Der türkische Präsident hatte sich im Vorfeld seines ersten Staatsbesuchs einen Neustart der verfahrenen Beziehungen zu Deutschland gewünscht. Daraus wird vorerst nichts. Zu tief sind die Gräben, die sowohl Laschet als auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel überraschend klar benannt haben. (ank/dpa)
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