- Es geht um ein besonderes Instrument für den Kampf gegen die Pandemie: Soll eine Impfpflicht kommen - und wenn ja, wie und auf welchem Weg?
- Unter dem Druck steigender Infektionszahlen ist das weiter strittig. Frank-Walter Steinmeier vertritt eine klare Meinung - vor allem in Bezug auf die Vorwürfe einer "Corona-Diktatur".
Im Ringen um eine allgemeine Impfpflicht hat Bundespräsident
An die Begründung einer solchen außerordentlichen Maßnahme müsse man besonders hohe Ansprüche stellen. Dies gelte umso mehr, da Bund und Länder eine Impfpflicht lange Zeit explizit ausgeschlossen hätten. "Umso deutlicher müssen doch jetzt die Argumente für die Notwendigkeit einer Impfpflicht im öffentlichen Raum diskutiert werden."
"Corona-Diktatur"? Steinmeier wird deutlich
Steinmeier betonte: "Eine allgemeine Impfpflicht ist für Bundestag und Bundesregierung gewiss kein gesetzgeberischer Alltag, und genauso darf auch der Prozess der Debatte, der Abwägung und Begründung nicht alltäglich sein."
Der Bundespräsident mahnte zugleich Respekt vor anderen Haltungen und auch Respekt vor Fakten und Vernunft an. Diese müssten "unsere gemeinsame Währung sein und bleiben".
Entschieden wies Steinmeier den oft von Gegnern der staatlichen Corona-Politik genannten Vorwurf zurück, Deutschland habe eine "Corona-Diktatur". "Das ist bösartiger Unfug. Denn darin steckt nicht nur Verachtung für unsere demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen. Sondern darin steckt eine Beleidigung von uns allen."
Deutschland kämpfe sich Monat für Monat durch diese Pandemie, sagte Steinmeier. "Aber eben nicht, weil wir mit eiserner Hand gelenkt und gesteuert werden, sondern weil die große Mehrheit immer wieder darum ringt, das Richtige zu tun, verantwortlich zu handeln, solidarisch zu sein."
Kanzler Scholz hofft auf zügige Beratung
Über den Zeitplan und das Vorgehen bei den Beratungen im Bundestag gibt es derweil weiter Streit. Für die Impfungen bis Anfang Februar stehen zusätzliche Impfdosen bereit.
Die Zahl der neuen Infektionen schnellte auf einen Höchstwert empor. Kanzler
"Ich jedenfalls halte sie für notwendig und werde mich aktiv dafür einsetzen", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in seiner ersten Regierungsbefragung. Sich nicht impfen zu lassen sei keine persönliche Entscheidung, sondern habe Konsequenzen für das ganze Land.
Zuletzt hätten Kliniken Operationen absagen müssen, um Platz für Corona-Patienten zu machen. "Es gibt keine Entscheidung, die man nur für sich alleine trifft, und deshalb ist die Impfpflicht auch wichtig."
Erstmals mehr als 80.000 Neuinfektionen
Die Koalition aus SPD, FDP und Grünen plant eine freie Abstimmung ohne Fraktionsvorgaben über eine Impfpflicht. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte am Mittwoch im ZDF: "Wir sind in Gesprächen mit anderen Abgeordneten anderer Fraktionen, um inhaltliche Eckpunkte festzulegen." Nach einer "Orientierungsdebatte" im Bundestag in der Woche ab dem 24. Januar rechne sie damit, dass das Parlament "sehr schnell mit mehreren Gruppenanträgen konfrontiert sein wird".
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat für Ende Januar einen konkreten Vorschlag aus der SPD angekündigt. Dieser solle Grundlage für einen Gruppenantrag zusammen mit Parlamentariern anderer Fraktionen sein. Kanzler Scholz hatte als Ziel die Einführung einer Impfpflicht bis Anfang Februar oder Anfang März genannt, die SPD als Zeitrahmen einen Beschluss "im ersten Quartal". Die oppositionelle Union fordert dagegen einen eigenen Gesetzentwurf der Regierung.
Mit der Verbreitung der Omikron-Variante überschritt die Zahl der an einem Tag erfassten neuen Fälle laut Robert Koch-Institut (RKI) erstmals die Schwelle von 80.000. Die Gesundheitsämter meldeten jetzt 80.430 Fälle. Vor einer Woche waren es 58.912 gewesen, wobei es zum Jahreswechsel Lücken bei Tests und Meldungen gegeben hatte.
Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI nun mit 407,5 an. Am Vortag hatte die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen bei 387,9 gelegen. Der Höchstwert wurde Ende November mit 452,4 erreicht.
Faeser: "Niemand wird zwangsweise geimpft"
FDP-Fraktionschef Christian Dürr schlug vor, eine "Impfpflicht auf Probe" zu prüfen. "Die Impfpflicht könnte nur befristet eingeführt werden, zum Beispiel für ein Jahr", sagte er der "Rheinischen Post" (Mittwoch). Er habe sich aber noch nicht festgelegt.
Bundesinnenministerin
Bei den Impfungen haben laut RKI mittlerweile mindestens 60 Millionen Menschen oder 72,2 Prozent der Gesamtbevölkerung den vollständigen Grundschutz mit der dafür meist nötigen zweiten Spritze bekommen. Zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhielten inzwischen mindestens rund 36,8 Millionen Geimpfte oder 44,2 Prozent aller Einwohner. Am Dienstag wurden rund 714.000 Impfdosen gespritzt.
Für die angestrebte Beschleunigung der Impfungen hat der Bund weitere fünf Millionen Dosen von Biontech organisiert. Sie sollen ab der Woche vom 24. Januar zur Verfügung stehen, wie es aus dem Gesundheitsministerium hieß. Gekauft werden die Dosen aus einem EU-Kontingent Rumäniens, das sie nicht benötigt.
Lauterbach über Booster: "Macht Alltag leichter"
Insgesamt sollen damit in den drei Wochen vom 17. Januar, 24. Januar und 31. Januar rund 32 Millionen Dosen zur Verfügung stehen - zwölf Millionen von Biontech und 20 Millionen von Moderna.
Das Kabinett brachte am Mittwoch den Rechtsrahmen für die geplanten neuen Corona-Quarantäneregeln auf den Weg. Damit solle künftig gelten: "Wer geboostert ist, muss selbst als Kontaktperson bei einer Infektion nicht mehr in Quarantäne", sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Dies gelte auch für die Omikron-Variante. Damit machten Booster-Impfungen gleich doppelt Sinn: "Es macht den Alltag leichter. Und es schützt vor Infektion oder schwerer Erkrankung."
Bund und Länder hatten die Neuregelungen in der vergangenen Woche grundsätzlich vereinbart. Eine entsprechende Verordnung, die das Kabinett jetzt beschlossen hat, soll festlegen, welche generellen Ausnahmen es von einer Quarantäne als Kontaktperson von Infizierten und von einer Isolation als selbst Infizierter geben kann, wenn man geimpft oder genesen ist.
Die Verordnung soll an diesem Donnerstag in den Bundestag kommen, am Freitag soll sich der Bundesrat abschließend damit befassen. In Kraft treten soll sie voraussichtlich am Samstag. Letztlich umgesetzt werden die Regeln dann von den Ländern. (dpa/fte)
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