In Berlin demonstrierten am Wochenende Tausende gegen die Corona-Auflagen - und ignorierten sie. Politiker reagieren empört, auch Fragen nach der Strategie der Polizei kommen auf.
Bundespräsident
Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, sprach mit Blick auf die Missachtung von Hygieneregeln wie dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz und Abstandhalten von inakzeptablen Bildern. "Das Verhalten von vielen Demonstrierenden ist in keinster Weise gerechtfertigt und nutzt das hohe Gut der Demonstrationsfreiheit aus." Demonstrierende hätten "Gesundheit und Leben" anderer riskiert. Friedliche Kundgebungen seien aber wichtig. "Kritik muss in der Demokratie immer möglich sein."
20.000 Menschen demonstrieren ohne Masken und Abstandsregeln
Aus Protest gegen die staatlichen Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie waren am Samstag in Berlin Tausende für ein Ende der Auflagen zur Eindämmung der Pandemie auf die Straße gegangen. An einem Demonstrationszug beteiligten sich nach Schätzungen der Polizei bis zu 17.000 Menschen. Etwa 20.000 waren es danach bei einer Kundgebung. Weil viele Demonstranten weder Abstandsregeln einhielten noch Masken trugen, löste die Polizei die Kundgebung auf.
Zu den Protesten unter dem Motto "Das Ende der Pandemie - Tag der Freiheit" hatte die Initiative "Querdenken 711" aufgerufen. Auch die von Rechtsextremen häufig verwendete schwarz-weiß-rote Reichsflagge war zu sehen. Daneben wehten Deutschland- und Friedensfahnen mit Taube oder Regenbogen über den Köpfen der Teilnehmer. Von deren Seite wurden "Wir sind das Volk", "Reiht euch ein", "Wir kämpfen für eure Freiheit" oder "Widerstand" skandiert.
Sicherheitsbehörden und Kritiker befürchten seit Längerem eine Vereinnahmung der Proteste durch Rechtsextremisten. Manche Wortführer propagieren Verschwörungstheorien. Immer wieder kam es bei ähnlichen Demonstrationen auch zu antisemitischen Vorfällen.
Saskia Esken: "Die Demonstration hätte früher aufgelöst werden können"
SPD-Chefin
Wenn eine Ansammlung von 20.000 Menschen, die sich teilweise verbal aggressiv und ablehnend verhielten, ohne Polizeigewalt aufgelöst werden solle, dauere das etwas länger, so der Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD). "Auch hier ist der Polizei kein Vorwurf zu machen." Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut. "Per se im Vorfeld Demonstrationen zu verbieten, ist nicht möglich, wenn es keine Hinweise auf strafbare Aktionen gibt, die von der Versammlung ausgehen könnten."
Polizei darf auch bei Rechtsverstößen eine Versammlung nicht sofort abbrechen
Auch Vertreter von Polizeigewerkschaften verteidigten das Vorgehen. "Da haben die Berliner Kollegen eine gute Arbeit geleistet, da sie zunächst das Recht auf Versammlungsfreiheit durchgesetzt haben, denn die Polizei will sich hinterher auch nicht von einem Gericht vorwerfen lassen, dass man zu früh eingeschritten ist", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, äußerte sich ähnlich: "Die Polizei darf auch bei festgestellten Rechtsverstößen eine Versammlung nicht sofort abbrechen, sondern muss dem Veranstalter immer ausreichend Gelegenheit geben, auf die Teilnehmenden einzuwirken", erklärte er.
Veranstalter und Demonstranten hätten der Polizei "auf der Nase herumgetanzt"
Der Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union bei Verdi Berlin-Brandenburg, Jörg Reichel, beklagte hingegen, die Zahl der Beamten habe in keinem Verhältnis zur Zahl der Demonstranten gestanden. Er erklärte: "Die Pressefreiheit bei der gesamten Kundgebung war ausgesetzt." Die Veranstalter und Demonstranten hätten der Polizei "auf der Nase herumgetanzt". Trotz mehrfacher Aufforderungen der Polizei-Einsatzleitung hätten die Veranstalter der Presse keinen freien Zugang in den Pressebereich der Kundgebung ermöglicht. Zudem sei ein Pressefotograf von einem Sicherheitsmitarbeiter angegriffen und beleidigt worden.
Weiter hieß es von Verdi, im hinteren Bereich der Kundgebung seien Pressefotografen und zwei Fernsehteams während der Arbeit von Demonstranten "permanent beleidigt und bedroht" worden. (ash/dpa)
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