Seit bald zwei Jahren gibt es das Deutschlandticket. Zum Jubiläum zeigt sich: Das Ticket trägt mehr zur Verkehrswende bei, als viele annehmen.
Das Deutschlandticket lockt Menschen in Busse und Bahnen. 11,4 Milliarden Fahrgäste zählte das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Zahlen für 2024. Das sind rund fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Zuwachs stammt nicht aus dem Fernverkehr, sondern aus Kurzstrecken per Bahn (plus sechs Prozent) und Fahrten mit Straßenbahnen (plus fünf Prozent) und ÖPNV-Bussen (plus vier Prozent). Dass zudem im Nahverkehr mit der Bahn die durchschnittliche Reisestrecke von 22 auf 23 Kilometer zulegte, könnte nach Einschätzung der Statistiker darauf hindeuten, "dass das Deutschlandticket den Eisenbahnnahverkehr auch für mittlere Entfernungen attraktiver macht".
Seit das Deutschlandticket am 1. Mai 2023 eingeführt wurde, hat es stetig Kunden gewonnen: 13,5 Millionen Menschen nutzten das Ticket zuletzt (Stand Februar 2025). Doch animiert das Ticket vor allem zu mehr Ausflügen – samstags in die Berge, sonntags zum Sightseeing? Oder lassen tatsächlich viele Menschen das Auto stehen, und fahren stattdessen mit Bus und Bahn zur Arbeit oder zum Einkaufen?
Deutschlandticket spart Autofahrten
Kritiker haben letzteres, auch gestützt durch Zahlen und Studien, oft bezweifelt. Das vom Bundesbildungsministerium geförderte Ariadne-Projekt kommt jetzt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Marktforscher und Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben eine Vielzahl von Studien zum Deutschlandticket verglichen und zusammengeführt. Darunter solche, die auf Daten aus Befragungen beruhen und solche, die aus Beobachtungsdaten wie Mobilfunkdaten oder Verkehrszählungen beruhen.
Zentrales Ergebnis: Das Deutschlandticket generiert kaum oder keinen zusätzlichen Verkehr – führt aber dazu, dass Autofahrten durch Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln ersetzt werden.
Zwölf bis 16 Prozent aller mit dem Deutschlandticket unternommenen Fahrten sind demnach Fahrten, die vom Auto verlagert wurden. "Wichtig für die Umweltwirkung ist, dass es sich bei den verlagerten Fahrten im Schnitt um längere Strecken von etwa 30 Kilometern handelt", schreiben die Autoren. Das spare pro Jahr, je nach Berechnung, zwischen 4,2 und 6,5 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen. Zum Vergleich: Das entspricht etwa dem jährlichen Pro-Kopf-Ausstoß von 500.000 Deutschen.
Forscher sehen "Impuls für Verkehrswende"
Dass einzelne Studien in der Vergangenheit ein anderes Bild gezeichnet haben, begründen die Autoren mit methodischen Fehlern. So hätten mehrere Studien die Verlagerungswirkung an der Neukundenqoute festgemacht. Die sei tatsächlich gering: Nur fünf Prozent aller Nutzer des Deutschlandtickets hätten den öffentlichen Nahverkehr vor Einführung des Tickets nie genutzt. Jene, die dank Deutschlandticket jetzt häufig das Auto stehen lassen, seien jedoch vorrangig Menschen, die auch zuvor schon sporadisch mit Bus und Bahn gefahren sind. "Pendler, die zuvor überwiegend den Pkw und nur gelegentlich den öffentlichen Nahverkehr genutzt haben, spielen hierbei eine besondere Rolle."
Unterm Strich bewerten die Wissenschaftler das Deutschlandticket positiv. Es gebe einen "wichtigen Impuls für die Verkehrswende", wenngleich es allein – selbstredend – nicht in der Lage sei, die Verkehrswende herbeizuführen und die Klimaziele zu erreichen.
Deutschlandticket bleibt – wird aber teurer
Die künftige Bundesregierung aus Union und SPD will am Deutschlandticket festhalten. Das Ticket, das derzeit 58 Euro im Monat kostet, soll jedoch von 2027 an teurer werden. Darauf haben sich die Verhandler der Arbeitsgruppe Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen verständigt. Die Bestätigung durch den Koalitionsvertrag steht noch aus. Wie viel das Ticket ab 2027 kosten könnte, ist noch unklar. Dazu muss der Bund mit den Ländern verhandeln.
"Zusammen mit den Ländern müssen wir den ÖPNV dauerhaft für alle erschwinglich halten und gleichzeitig das Angebot ausweiten", sagt Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, auf Anfrage unserer Redaktion. "Auch Deutschlandtickets als Sozialtickets, wie es sie mancherorts schon gibt, sollten in allen Bundesländern angeboten werden." Einige Städte und Verkehrsverbunde bieten Empfängern von Sozialleistungen das Deutschlandticket vergünstigt an.
Verwendete Quellen:
- Ariadne-Projekt vom 3.4.2025: "Report: Faktencheck Deutschlandticket: Eine Bestandsaufnahme der empirischen Eividenz"
- statista.de: Anzahl der Nutzer des Deutschlandtickets von Mai 2023 bis Februar 2025
- Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 8.4.2025