Schätzungsweise zwei Millionen Frauen in Deutschland leiden unter Endometriose. Diagnose und Behandlung der extrem schmerzhaften Erkrankung gelten als wenig erforscht. Inzwischen versuchen Politikerinnen, das zu ändern.
Besonders schlimm wurden die Schmerzen mit Anfang 20. Manchmal waren sie so stark, dass Katharina (Name von der Redaktion geändert) sich übergeben musste. Die Pille hatte sie abgesetzt, jetzt wurde die Monatsblutung zur Tortur. Die schlimmsten Tage überstand sie nur mit drei, vier Schmerztabletten.
Der 29. September ist der Tag der Endometriose. 1996 hatten Betroffene an diesem Tag die Endometriose-Vereinigung Deutschland gegründet. Der Tag soll auf die Erkrankung aufmerksam machen, die immer noch als zu wenig bekannt und zu wenig erforscht gilt. Dabei sind in Deutschland schätzungsweise etwa zwei Millionen Mädchen und Frauen von der "weiblichen Volkskrankheit" betroffen.
Was ist Endometriose?
- Bei der Endometriose siedelt sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, auch außerhalb der Gebärmutter an. Vor allem in benachbarten Teilen des Körpers. Dort bildet es gutartige Zysten und Tumore.
- Genau wie die Gebärmutterschleimhaut wachsen diese Wucherungen während der Regelblutung – und können dann massive Schmerzen auslösen. Manche Betroffene beschreiben sie als schlimmer als den Geburtsschmerz. Wenn die Endometriose auch Eierstöcke oder Eileiter betrifft, kann auch eine Unfruchtbarkeit Folge der Erkrankung sein.
Viel mehr als nur Regelschmerzen
In Frankreich hat niemand Geringeres als Staatspräsident Emmanuel Macron das Thema im Januar 2022 zur Chefsache erklärt. In Deutschland sind entsprechende Vorstöße von Bundeskanzler oder Bundespräsident zwar nicht bekannt, doch in Bundestag und Bundesregierung haben sich Politikerinnen der Sache ebenfalls angenommen.
Etwa Heike Engelhardt, die in der SPD-Bundestagsfraktion für das Thema zuständig ist. "Wir kümmern uns seit 3.000 Jahren um Männergesundheit, jetzt ist es Zeit für Frauengesundheit", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion.
Aus Sicht der Sozialdemokratin müssen die Betroffenen zunächst einmal ernst genommen werden. Seit Jahrhunderten gelte es als üblich, dass Frauen Regelschmerzen haben. "Nach wie vor erzählen mir junge Frauen, ihr Frauenarzt habe gesagt: Das vergeht wieder, da müssen Sie durch. Aber so massive Schmerzen muss eine Frau nicht hinnehmen."
Langer Weg zur Diagnose
Eine erste Aufgabe im Kampf gegen die schmerzhafte Erkrankung ist daher eine bessere Information und Aufklärung aller Menschen, die sich mit dem Thema beschäftigen: Frauenärztinnen und -ärzte, aber auch Hebammen, Geburtshelfer, Pflegekräfte.
Endometriose bleibt immer noch häufig unentdeckt oder wird nicht diagnostiziert – im Schnitt dauert es der Deutschen Endometriose-Vereinigung zufolge siebeneinhalb Jahre bis zur Diagnose. Auch Katharina hat eine endgültige Sicherheit bisher nicht bekommen, weil der sicherste Weg zu einem klaren Befund eine Operation ist.
Katharina ist inzwischen 28. Ihre Beschwerden sind milder geworden: Sie hat wieder angefangen, die Antibaby-Pille zu nehmen, die sie einige Jahre zuvor wegen ihrer Nebenwirkungen abgesetzt hatte. Trotzdem wünscht sie sich deutlich mehr Forschung zu dem Thema. "Es kann nicht sein, dass die Pille die letzte Lösung ist."
Ähnlich sieht das Ekin Deligöz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. "Bei der passgenauen Behandlung stehen wir noch am Anfang. Da gibt es keine Antwort, die für alle Frauen passt", sagt die Grünen-Politikerin.
Vor einer Operation, bei der das wuchernde Gewebe entfernt wird, schrecken viele Frauen zurück. Die Corona-Zeit, in der weniger operiert wurde, hat gezeigt, dass auch eine medikamentöse Therapie helfen kann. "Wir brauchen in diesem Bereich dringend mehr Forschung – davon profitieren am Ende alle", sagt Ekin Deligöz. "Politische Entscheidungen sollten nicht auf dem Bauchgefühl oder auf individuellen Erfahrungen beruhen, sondern auf wissenschaftlichen Erkenntnissen."
Mehr Geld für Grundlagenforschung
Die Ampelkoalition hat deshalb die Förderung der Grundlagenforschung Ende 2022 deutlich aufgestockt. Fünf Millionen Euro im Jahr stellte das Bundesforschungsministerium dafür bereit. Inzwischen sei die Koalition aber wortbrüchig geworden, kritisiert die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner: "Im Entwurf für den Haushalt 2025 wurde der Betrag auf 3,4 Millionen Euro zusammengestrichen."
Zeulner hat sich dafür eingesetzt, die Endometriose in die "Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung" (kurz ASV) aufzunehmen. Das bedeutet: Patientinnen können sich von Teams von Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen auch ambulant an Kliniken behandeln lassen.
"Es ist eine komplexe Krankheit, die in vielen Fällen nicht mit einer Operation beendet ist", sagt Zeulner. "Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, zu dem zum Beispiel auch Ernährungsberatung, Physiotherapie und psychologische Betreuung gehören." Bei der Versorgung habe sich in diesem Bereich noch zu wenig getan.
Die Deutsche Endometriose-Vereinigung führt auf ihrer Homepage inzwischen 95 spezialisierte medizinsche Einrichtungen auf – in vielen Fällen Endometriose-Zentren an großen Kliniken. Dieses Angebot muss aus Sicht von SPD-Politikerin Engelhardt weiter ausgebaut werden. "Frauen müssen wohnortnah eine Behandlung bekommen", sagt sie. Noch gebe es zu wenig Endometriose-Zentren. "Hier sind vor allem die Länder in der Pflicht, da die Gesundheitsversorgung Ländersache ist."
Rückzug aus dem öffentlichen Leben
Eine bessere Versorgung und verstärkte Forschung sind aus Sicht der Gesundheitspolitikerinnen im Sinne der gesamten Gesellschaft. Es geht nicht nur um die individuellen Schicksale vieler Frauen, die sich vor Schmerzen krümmen. "Manche Frauen mit Endometriose können nicht mehr lange stehen, können ihrem Beruf nicht mehr nachgehen und brauchen eine Umschulung", sagt Heike Engelhardt.
Auch Katharina hat sich in den schmerzvollsten Phasen aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Private Verabredungen sagte sie immer wieder ab, zur Arbeit schleppte sie sich häufig trotzdem. Unter Schmerzmitteln und obwohl sie sich kaum konzentrieren konnte. Bei der Arbeit hatte sie nicht mitgeteilt, dass sie unter Endometriose litt. Offener darüber sprechen zu können, würde vielen Betroffenen wahrscheinlich ebenfalls helfen.
Verwendete Quellen
- Gespräche mit Ekin Deligöz, Heike Engelhardt und Emmi Zeulner
- Gespräch mit Katharina (Name von der Redaktion geändert)
- Deutsche Endometriose-Vereinigung: Was ist Endometriose?
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