Nach den Anschlägen von Paris und der Länderspielabsage in Hannover rückt am Wochenende die Bundesliga noch stärker in den Fokus. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt spricht im Interview über die neue Qualität der Bedrohung und die Maßnahmen der Polizei - und fordert, jetzt unbedingt kühlen Kopf zu bewahren.
Herr Wendt, hat die Qualität der Bedrohung nach den Ereignissen der letzten Tage aus Ihrer Sicht ein neues Level erreicht?
Rainer Wendt: Zu der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Terroranschlags kann man nichts sagen. Aber die Ereignisse von Paris sind eine neue und besondere Herausforderung; die Qualität des Terrors ist insofern neu, da nun Selbstmordattentäter unterwegs sind - und das hat es in der Form in Europa noch nicht gegeben.
Ist die Polizei in ihrer Mannstärke und Ausrüstung dieser neuen Herausforderung überhaupt gewachsen?
Wir hatten bereits vor Paris tausende Polizisten im Dauereinsatz, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Und jetzt kommt das noch obendrauf. Deshalb müssen wir permanent neue Schwerpunkte setzen und auch alle Reserven mobilisieren, um das alles im Griff zu behalten.
Die Spiele der Bundesliga und der 2. Liga sollen am Wochenende wie geplant stattfinden, dazu kommen noch zahllose Spiele in tieferklassigen Ligen. Wie ist das in der jetzigen Situation zu bewerkstelligen?
Wir erstellen für jedes einzelne Ereignis besondere Gefährdungsanalysen, auf Grundlage der Informationen, die wir haben. Am Dienstag in Hannover haben sich diese Informationen offensichtlich kurz vor Beginn des Spiels so verdichtet, dass eine Durchführung nicht verantwortbar gewesen wäre.
Das trifft aber keine Aussage darüber, was am Wochenende sein wird. Wenn die Erkenntnislage eine andere ist, kommt man auch zu anderen Ergebnissen. Aber das kann man nicht vorhersagen.
Können Sie schon überblicken, ob zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für das anstehende Wochenende ergriffen werden - und wenn ja, welche?
Die Polizei hat seit den Anschlägen von Paris nicht nur sichtbar ihre Präsenz erhöht, auch im Hintergrund werden Überprüfungen und Neubewertungen hochgefahren.
Am Wochenende wird es im Rahmen unserer Möglichkeiten auch den größtmöglichen Kräfteeinsatz geben. Aber die Möglichkeiten sind eben auch begrenzt. Jeder weiß, dass die Polizei nicht unbegrenzte Personalressourcen hat.
Wir müssen alles mobilisieren und haben teilweise die Bereitschaftspolizei des Bundes schon im Dauereinsatz an der bayerisch-österreichischen Grenze - wir hoffen sehr, dass es jetzt gelingt, diese auch mal herauszulösen. Aber das alles gilt nicht nur für das kommende Wochenende.
Wie angespannt ist die Lage aus Sicht derer, die Fans, Spieler, Stadien und Bahnhöfe beschützen sollen?
Eines ist sehr wichtig: Man darf den Leuten keine Angst machen. Wir tragen unsere Erkenntnisse zusammen und haben im Gegensatz zu früher, als Polizei und Nachrichtendienst sehr häufig aneinander vorbeigearbeitet haben, eine neue Organisationsstruktur.
Die Polizei ist dezentral organisiert in den Ländern, aber zu dieser dezentralen Informationsstruktur benötigt man eine zentrale Informationssteuerung. Und die ist schon seit einigen Jahren auf nationaler Ebene mit dem gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum eingerichtet.
Und auf europäischer Ebene mit Europol. Die Informationssteuerung läuft über die Grenzen hinweg gut. Darauf basieren alle weiteren Maßnahmen, was zum Beispiel den Kräfteeinsatz oder die Durchsuchungsmaßnahmen bei der Einlasskontrolle ins Stadion angeht.
Man muss keine Angst haben, dorthin zu gehen. Und man darf auch unbeschwert dorthin gehen. Die Polizei hat jedenfalls alles getan, was in ihrer Macht steht.
DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball hat gestern durchblicken lassen, dass der Fußball in einzelnen Facetten eine Wendung bekommen werde. Was sagen Sie dazu?
Ich glaube nicht, dass der Fußball eine Wende nehmen wird. Die Polizeiarbeit wird intensiviert werden - aber der Fußball bleibt, wie er ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch in solchen Zeiten der Fußball selbst eine Veränderung erfahren wird.
Man darf jetzt nicht die Nerven verlieren und den Leuten Angst machen, sondern die Sicherheitsmaßnahmen hochfahren. Und wenn die Polizei zu dem Ergebnis kommt, dass die Spiele nach unserer Analyse völlig ungefährdet stattfinden können, dann darf man da auch unbefangen hingehen und sich darüber freuen.
Sie finden es also richtig, dass die Spieltage in den deutschen Profiligen wie geplant stattfinden sollen?
Unbedingt! Wie darüber am Wochenende entschieden wird, kann man nicht vorhersagen. Aber Stand heute die Bundesliga abzusagen, wäre eine komplette Fehlentscheidung. Die Entscheidung, alles wie geplant durchführen zu wollen, ist die richtige.
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