Eine Abgeordnete der Grünen ist die erste Transfrau im Bayerischer Landtag. Tessa Ganserer erlebt dort Zuspruch, aber auch Ablehnung. Noch im Wahlkampf war die neue queerpolitische Sprecherin der Grünen mit Bart aufgetreten, doch damit ist nun endgültig Schluss. "Jetzt gibt es nur noch Tessa."
Perücke mit deutlich über die Schultern reichenden blonden Haaren, dezenter Lippenstift und Schminke - so zeigt sich die Abgeordnete Tessa Ganserer am Montag vor Journalisten. Noch im Wahlkampf zur Landtagswahl im Oktober war die 1977 im niederbayerischen Zwiesel geborene Ganserer hingegen mit Vollbart aufgetreten.
Ganserer ist verheiratet. Mit ihrer Frau hat sie zwei Kinder. Vor etwa zehn Jahren zog Markus Ganserer ein Kleid seiner Frau an. Das sei das Schlüsselerlebnis auf dem Weg zur Erkenntnis gewesen, sich selbst als Frau zu sehen.
Die zehn Jahre dazwischen beschreibt Ganserer als schwierigen Prozess. Sie habe sich schwergetan, sich selbst so zu akzeptieren. Irgendwann sei es aber nicht mehr anders gegangen, habe sie ihr Frausein nicht länger unterdrücken wollen. "Das Leiden, das Sie da durchmachen, das ist irgendwann so schwer, so hart, dass Sie es einfach nicht aushalten."
Keine operative Geschlechtsangleichung
Nach zwei Jahren habe sie sich ihrer Ehefrau offenbart. Im Laufe der Zeit lebte sie ihr Frausein immer häufiger. "Tausendmal" habe sie dann vor ihrem Comingout abgewogen.
Noch Ende vergangenen Jahres kündigte Ganserer an, nur ab und zu als Frau in Erscheinung treten zu wollen. Doch inzwischen steht die Entscheidung - ab jetzt gibt es nur noch Tessa, nicht mehr Markus Ganserer.
Eine operative Geschlechtsangleichung strebt sie nicht an. Laut Personalausweis ist Ganserer weiterhin ein Mann. Um das beim Standesamt zu ändern, sind nun psychologische Gutachten nötig.
Dieses Prozedere sei diskriminierend, kritisiert sie und fordert eine Änderung des über 30 Jahre alten Transsexuellengesetzes. Dies müsse zu einem Gesetz zur Anerkennung der selbst bestimmten Geschlechtsidentität werden.
Im Landtag allerdings gilt Ganserer nun bereits als Frau. Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) traf sich vergangene Woche mit der Grünen zu einem Gespräch.
Die CSU-Politikerin nahm den Wunsch nach dem Identitätswechsel mit der sprichwörtlichen Liberalitas Bavariae: "Aus einem Kollegen wird eine Kollegin – das sollte hier im Haus kein Problem sein und respektiert werden. Mir ist die Persönlichkeit eines Menschen immer wichtiger als das Geschlecht", sagt Aigner.
Diffamierung aus den Reihen der AfD
Allerdings räumt die Christsoziale gleichzeitig ein, dass die Entscheidung der Fränkin sicher auch für viele im Landtag "gewöhnungsbedürftig" sei. Viele Menschen könnten solch einen Wandel nicht nachvollziehen.
Ganserer berichtet, aus Reihen der im Oktober in den Landtag eingezogenen AfD habe es bereits Diffamierungen gegeben. Als neue queerpolitische Sprecherin der Grünen will sie für ein Klima eintreten, in dem eine breite Vielfalt geschlechtlicher Identitäten anerkannt wird. (afp/dh)
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