Lässt Deutschland junge Frauen beim Thema Binden und Tampons im Stich? "Periodic Deutschland" kritisiert eine Stigmatisierung der Menstruation. Im Interview erklärt die Vorsitzende, warum. Und was ihrer Meinung nach passieren muss.

Ein Interview

Es soll nur der Anfang sein: Studierende der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg stellen an zehn hochfrequentierten Toiletten ihrer Hochschule kostenlose Menstruationsartikel zur Verfügung. Weil sich Hunderttausende junge Frauen selbst hierzulande Binden und Tampons kaum leisten können?

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Die Vorsitzende von "Periodic Deutschland", Lilly Stadelmeier, erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, warum das Thema Periode ihrer Meinung nach bis heute als Tabu gilt. Und warum der Staat in der Bringschuld ist.

Frau Stadelmeier, Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter von "Periodic Deutschland" stellen Automaten mit kostenlosen Menstruationsartikeln an der Universität Heidelberg bereit. Wie kommen Sie zu dieser Initiative?

Lilly Stadelmeier: Wir fangen bei den Hochschulen und Universitäten an. Unser Ziel ist es aber, dass in allen öffentlichen Toiletten Deutschlands kostenlos Menstruationsartikel bereitgestellt werden. Viele menstruierende Mädchen und junge Frauen haben wider Erwarten auch hierzulande finanzielle Schwierigkeiten, um sich Periodenprodukte kaufen zu können. Aber auch die Aufklärung zum Thema Periode ist bei vielen Jungs und Mädchen unzureichend. Daran wollen wir ansetzen.

Periode, Tampons und Binden: In Deutschland ein Tabu-Thema?

Weil es bis heute ein Tabu-Thema ist?

Das Thema ist oft noch ein Tabu, ja. Es gibt über 5000 Synonyme für den Begriff Menstruation. Alleine das zeigt, dass alles versucht wird, um das Wort nicht aussprechen zu müssen. Zum Beispiel, dass "die rote Tante zu Besuch ist". Ich als junge Frau weiß, wie unangenehm es ist, wenn ich meine Tage bekomme und gerade kein Tampon dabeihabe. Wenn man zum Beispiel in der Uni-Bibliothek sitzt und flüsternd andere Frauen nach einem Tampon fragen muss, wird das unter Studierenden gerne als eine Art Drogendeal beschrieben. Man versucht es ganz heimlich zu machen, damit niemand das Tampon oder die Binde sieht. Niemand soll erfahren, dass man seine Tage hat.

Das Team von "Periodic Deutschland" prangert in einer Pressemitteilung eine Stigmatisierung rund um die Menstruation an. Dass junge Frauen für ihre Periode regelrecht kritisiert würden.

Ich habe den Eindruck, dass es vielen jungen Frauen peinlich ist, darüber zu reden. Es gibt etwa ein Stigma, das viele Frauen schon mal gehört haben: ‚Du bist hysterisch, hast du gerade deine Tage?‘ Frauen fühlen sich dabei unwohl.

Tampons und Binden: Viele Frauen in Deutschland können sich Periodenprodukte kaum leisten

Wird man regelrecht in eine Schublade geschoben?

Für viele Frauen ist die Periode eine körperliche Belastung. Etliche Frauen, die wirklich Probleme während ihrer Tage haben, nehmen aber trotzdem an Aktivitäten teil. Viele trauen sich nicht, es zuzugeben, weil es gleich heißen würde: ‚Jammer nicht!‘ Manche sagen zum Beispiel lieber, dass sie Fieber haben, weil die Periode nicht als Grund akzeptiert wird. Ich habe von Kommilitoninnen gehört, die trotz Schmerzen zu Lehrveranstaltungen gehen. Auch, wenn manche Frau sagen würde, ‚ich habe meine Periode, mir geht es wirklich dreckig‘, würde es nicht immer akzeptiert werden.

Gibt es Studien dazu?

Die Spendenorganisation "Plan Deutschland" hat im Sommer 2022 die erste große Studie zu den Themen Periodenarmut und Menstruation in Deutschland herausgebracht. 32 Prozent der menstruierenden Mädchen und Frauen zwischen 16 und 24 Jahren und 23 Prozent aller Frauen, die befragt wurden, empfinden den Kauf von Periodenprodukten demnach als eine finanzielle Belastung. Man würde meinen, dass es nicht so viele sind.

Aber: Junge Frauen, die das erste Mal ihre Periode haben, können sich das oft schlicht nicht leisten. Anderes Beispiel: Frauen, die vom Staat Sozialhilfe beziehen, bekommen eine Hygiene-Pauschale. Männer und Frauen erhalten denselben Betrag. Im Schnitt gibt eine Frau im Monat jedoch fünf Euro nur wegen der Periode aus.

Gemäß der Studie geht es also um Hunderttausende junge Frauen. Warum, glauben Sie, ist in Deutschland dahingehend bis heute so wenig passiert?

In Deutschland hat sich erstmals 2020 etwas getan, als auf Periodenprodukte zumindest die Luxussteuer nicht mehr erhoben wurde. Ich als junge Frau bin empört, dass bis damals Tampons und Binden nicht als Produkte des alltäglichen Lebens angesehen wurden. Es tut sich was, aber es ist ein langsamer Zug, auf den wir aufgesprungen sind.

Kostenlose Spender für Tampons und Binden: Pilotphasen an deutschen Universitäten

Heißt?

Immer mehr Hochschulen arbeiten mit der Firma "Periodically" zusammen, die Tampon- und Bindenspender bereitstellt. Es entstehen digitale Plattformen, es gibt die Studie von "Plan Deutschland". Wir sind nicht die Ersten, die sich mit dem Thema befassen. Auch an der Universität Regensburg soll es einen solchen Spender geben. Was man so hört, wissen viele Studierende aber gar nicht, wo dieser steht. Auch die Berliner Charité hat Spender auf ihren Toiletten.

Versperren sich manche Universitäten dem Thema?

Wir und andere MitstreiterInnen mussten die Universitäten erstmal überzeugen, Pilotphasen zu starten. Die Hochschulen ziehen sich da immer ein bisschen aus der Verantwortung, verweisen auf bürokratische Hürden. An mehreren Universitäten laufen die Pilotphasen bald aus. An unseren Spendern gibt es QR-Codes für Umfragen. Diese dienen als Nachweis, wie viele junge Frauen die Spender nutzen. Wir hatten schon das Feedback, dass sich Studierende an der Uni jetzt viel wohler fühlen, weil sie keine Angst mehr haben, eine Lehrveranstaltung zu verpassen. Dass sie eine Vorlesung nicht extra verlassen müssen, um wegen der Periode nach Hause zu fahren.

Die Hochschulen zögern Ihrer Erfahrung nach?

Du hörst oft: ‚Wir finden die Idee super, aber wir sind dazu nicht in der Lage, weil wir das Geld nicht haben.‘ In Heidelberg werden die Spender nicht über finanzielle Mittel der Universität finanziert, sondern über ein bewilligtes Budget des Studierendenrates. Dieser hat uns für unsere sechsmonatige Pilotphase 7000 Euro zur Verfügung gestellt.

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Bildung ist in Deutschland Ländersache. Müsste es Ihrer Meinung nach für staatliche Träger von Hochschulen verpflichtend sein, Tampon- und Bindenspender zu gewährleisten?

Ja! Weil es am Ende für eine Gleichberechtigung der Studierenden sorgt. Diese Gleichberechtigung ist in Artikel 3 des Grundgesetzes festgelegt. Deswegen hätten die Hochschulen eigentlich den Auftrag, das zu gewährleisten.

„Periodic Deutschland“ ist eine Initiative von fünf Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, die sich für kostenlose Binden und Tampons für junge Frauen auf öffentlichen Toiletten einsetzen. Aktuell gründen Lilly Stadelmeier und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter einen gemeinnützigen Verein, damit sie Spendengelder für ihr Engagement bekommen dürfen. Wer wissen will, wann es soweit ist, kann sich über die Website periodic-deutschland.de oder über den Instagram-Account periodic.de darüber informieren.

Verwendete Quellen:

  • periodic.de
  • instagram.com
  • Plan Deutschland: Menstruation in Deutschland
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